Möhringer Praxisübernahme gescheitert
Dr. Anz praktiziert weiter – Stadt fordert vom angedachten Nachfolger Geld zurück
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TUTTLINGEN-MÖHRINGEN - Alles schien perfekt zu sein: Im Laufe dieses Jahres sollte Dr. Hendrik Niehoff die Praxis des 80-jährigen Dr. Oscher-Tuwis Anz in Möhringen übernehmen. Rund 24 000 Euro schossen die Stadt Tuttlingen und die Möhringer Braun’sche- und Susann’sche-Stiftung zu, damit Niehoff zu diesem Zweck zunächst seine Facharztausbildung beenden konnte. Nun sind die Pläne gescheitert: Die beiden Ärzte trennten sich im Rechtsstreit, die Stadt Tuttlingen fordert ihren Teil der finanziellen Unterstützung zurück. Möhringen will sich anschließen.
Es hätte ein nahtloser Übergang werden sollen: Dr. Oscher-Tuwis Anz hatte vor rund eineinhalb Jahren seine Absichten signalisiert, in den Ruhestand zu treten – Dr. Hendrik Niehoff war auf der Suche nach einem neuen Wirkungsfeld bei der Stadt Tuttlingen vorstellig geworden. „Durch die Zusammenarbeit mit Hendrik Niehoff ist folglich ein sanfter Übergang möglich“, hatte die Stadt Tuttlingen im Januar 2017 eine Pressemitteilung formuliert, nachdem sie die beiden Mediziner miteinander in Kontakt gebracht hatte.
Verpflichtung, fünf Jahre in Möhringen zu praktizieren
Die Erwartungen waren hoch: Die Braun’sche- und Susann’sche-Stiftung Möhringen, die sich vor Ort um die Unterstützung von kranken und alten Menschen kümmert, ließ 12 000 Euro springen, damit Niehoff im Jahr 2017 in Anz’ Praxis seine Facharztausbildung zum Allgemeinmediziner beenden konnte. Die Bedingung sei gewesen, dass sich Niehoff verpflichte, mindestens fünf Jahre in Möhringen zu praktizieren, sagt Herwig Klingenstein, Stiftungsrat und Möhringer Ortsvorsteher. Diese Art der finanziellen Unterstützung sei nicht unüblich, so Klingenstein. „Man muss einmal sehen, was andere Gemeinden alles machen, um Mediziner anzulocken.“
Ebenfalls 12 000 Euro schoss die Stadt Tuttlingen als Sonderförderung zu. „In den Stadtteilen wird es immer schwieriger, die medizinische Daseinsvorsorge zu gewährleisten. Umso wichtiger ist es, dass die Stadt dies aktiv unterstützt“, hatte sich Erster Bürgermeister Emil Buschle damals geäußert. Beide Zuschüsse wurden vertraglich festgehalten und unterzeichnet. In einem Vorvertrag hielten die beiden Mediziner zudem untereinander die Übergabe-Absicht der Praxis fest.
Warum die Zusammenarbeit dann jedoch scheiterte, dazu gibt es verschiedene Ansichten. Im Raum stehen Finanzielles, Vorwürfe und Anschuldigungen bei internen Vorgängen, Fehlzeiten. Kurzum, über die Monate wurde aus einem Miteinander ein Gegeneinander. „Es hat viele Schwierigkeiten gegeben“, sagt Anz im Gespräch mit unserer Zeitung. So entschloss er sich, die Praxis doch nicht abzugeben, sondern lieber selbst weiterzumachen. Bei einem Gespräch mit der Stadt Tuttlingen wurde Niehoff im August 2017 darüber informiert, dass die geplante Übernahme wohl doch nicht zustande komme.
Klingenstein und Buschle boten Alternativen an
Laut Ortsvorsteher Klingenstein und Erstem Bürgermeister Buschle habe man Niehoff daraufhin mehrere Alternativen angeboten: eine zweite Möhringer Praxis im Gebäude des ehemaligen Drogeriemarkt „Schlecker“zu eröffnen oder die seit rund vier Jahren verwaiste Nendinger Praxis wiederzubeleben. Auch mit der Arzt-suchenden Gemeinde Rietheim-Weilheim stand der Mediziner in Kontakt. Richtig geeignet erschien jedoch nichts. „Wir wollten nichts Neues gründen, sondern etwas Altes übernehmen“, sagt Niehoff, dessen Frau Christine als Praxis-Mitarbeiterin ebenfalls in Möhringen mitarbeitete. Auch mit einigen Tuttlinger Ärzten älteren Semesters habe er Gespräche geführt, „doch die waren eher überrumpelt, als wir uns als Nachfolger anboten“, erzählt er.
Für die Stadt Tuttlingen steht fest: Da Niehoff sich voraussichtlich nicht in Möhringen, Tuttlingen oder einem anderen Ortsteil niederlassen wird, muss er das Geld zurückzahlen. Auch Stiftungsrat Klingenstein will seinen Teil zurückfordern. Etwas, das Niehoff jedoch nicht einsieht. „Wir sind nicht vertragsbrüchig geworden“, sagt er, „wir sehen Herrn Anz in der Pflicht, das Geld zurückzuzahlen.“
Entscheiden wird letztendlich einmal mehr das Gericht – so wie bei mehreren weiteren Angelegenheiten zwischen den beiden, die entweder bereits ausgetragen worden sind oder noch anstehen.
Den Möhringer Bürgern bleibt solange zumindest eines: Die Praxis Dr. Anz wird vorerst weiterbestehen. Auch wenn er bald 81 Jahre alt werde, so Anz: „Ich mache noch eine Weile weiter.“