CDU-Ministerpräsident Günther schielt auf die Linkspartei
Landeschef von Schleswig-Holstein bringt neue Koalitionsvarianten ins Spiel – Strobl: „völlig unmöglich“
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BERLIN - Empörung und Entsetzen, Unverständnis und Fassungslosigkeit – die Linke als Koalitionspartner der CDU? Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther hält das für kein Tabu mehr, fordert von seinen CDU-Kollegen einen pragmatischeren Umgang mit der Linkspartei und das Ablegen der Scheuklappen. Die Reaktionen sind heftig. Für die Gedankenspiele des 45-jährigen Senkrechtstarters der Christdemokraten, der als einer der Hoffnungsträger gilt, hagelt es Kritik. Günthers Empfehlung, vor allem in Ostdeutschland über Bündnisse mit der Linkspartei nachzudenken, sorgt für Aufregung. CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer beeilte sich mit einer Klarstellung und ging auf Distanz zu Günther: „Wir lehnen eine Zusammenarbeit mit Linken und AfD weiterhin klar ab. Es reicht nicht, wenn da der eine oder andere pragmatische Kopf dabei ist“, schrieb sie im Nachrichtendienst Twitter.
Zwingen die Veränderungen der Parteienlandschaft dazu, über neue Bündnisse nachzudenken und Tabus zu brechen? Schließlich wird die Regierungsbildung angesichts der Schwäche der Volksparteien und der Zuwächse kleiner Parteien immer schwieriger. CDU-Ministerpräsident Günther jedenfalls sieht Handlungsbedarf, stößt mit seinen Gedankenspielen aber weder in den eigenen Reihen noch bei den Linken auf Gegenliebe. „Wenn Wahlergebnisse es nicht hergeben sollten, dass gegen die Linke eine Koalition gebildet wird, muss trotzdem eine handlungsfähige Regierung gebildet werden. Da muss die CDU pragmatisch sein“, forderte Günther am Wochenende in einem Interview. „Wenn da vernünftige Menschen in der Linkspartei am Werk sind, vertut man sich nichts damit, nach vernünftigen Lösungen zu suchen“, sagte der CDUPolitiker und empfahl, „auf Scheuklappen zu verzichten“. Brandenburgs CDU-Chef Ingo Senftleben hatte sich zuletzt offen für Gespräche mit der Linkspartie wie mit der AfD gezeigt. Ministerpräsident Günther zeigte Verständnis dafür.
Strobl verspricht Widerstand
Pragmatismus gegenüber der Linkspartei frei von Scheuklappen bis hin zu Regierungskoalitionen – da laufen andere CDU-Spitzenpolitiker Sturm. „Mit Extremisten von links oder rechts koalieren, kooperieren oder kollaborieren Christdemokraten nicht“, erklärte der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende und Baden-Württembergische Innenminister Thomas Strobl gegenüber der „Schwäbischen Zeitung“. „Das zu tun, wäre übrigens nicht pragmatisch, sondern es ist völlig unmöglich – darüber ist sich die Spitze der CDU Deutschlands einig.“Er werde sehr dafür eintreten, „dass wir als Christliche Demokraten exakt dabei bleiben“, so Strobl. „Das hat etwas mit unserer Geschichte, mit unseren Werten, mit unserem politischen Koordinatenkreuz, mit unserem uneingeschränkten Eintreten für unsere Demokratie zu tun“, sagte er. Er werde das Thema auch bei der nächsten Sitzung des CDU-Präsidiums am 20. August ansprechen, kündigte er an.
Kopfschütteln auch bei SPD, FDP und CSU: Früher habe die CDU eine Rote-Socken-Kampagne gegen die SPD geführt und vor eine Regierungsbeteiligung der Linken gewarnt, „heute aus purem Machterhalt inhaltliche Beliebigkeit bis zum Abwinken“, twittere SPD-Vizechef Ralf Stegner. „Wenn die Partei von Adenauer und Kohl mit der Partei des ‚demokratischen Sozialismus‘ koaliert, verliert sie ihre Seele“, warnte FDP-Chef Christian Lindner. Der CSU-Politiker und Bundestagsvizepräsident Hans-Peter Friedrich reagierte mit klarer Ablehnung auf die Aussagen Günthers: „Teile der CDU scheinen völlig die politische Orientierung zu verlieren“, twitterte er.