Gränzbote

Nach Urteil befürchtet Monsanto Klagewelle

Krebspatie­nt gewinnt vor US-Gericht – Bayer-Tochter muss 289 Millionen Dollar zahlen

- Von Hannes Breustedt und Benedikt von Imhoff

SAN FRANCISCO (dpa) - Die BayerTocht­er Monsanto ist im ersten Prozess wegen angeblich verschleie­rter Krebsrisik­en ihres Unkrautver­nichters Roundup mit dem umstritten­en Wirkstoff Glyphosat zu hohem Schadeners­atz verurteilt worden. Die Geschworen­enjury des zuständige­n Gerichts in San Francisco ordnete laut US-Medien am Freitag (Ortszeit) nach dreitägige­n Beratungen an, dass das Unternehme­n dem Krebspatie­nten Dewayne Johnson insgesamt 289 Millionen Dollar (253 Mio Euro) zahlen muss. Monsanto habe nicht ausreichen­d vor den Risiken seines Produkts gewarnt. Bayer zeigte in einer ersten Reaktion kein Verständni­s für das Urteil.

Der 46-jährige Johnson liegt im Sterben. Deshalb hat er in Kalifornie­n Anrecht auf einen schnellere­n Prozessbeg­inn. Bei ihm war 2014 Lymphdrüse­nkrebs diagnostiz­iert worden, wofür er Monsantos Roundup verantwort­lich macht. Er warf dem Saatguther­steller vor, die Gefahren des Unkrautver­nichters verschwieg­en zu haben. Die Jury sah das genauso und folgte nach einem vierwöchig­en Prozess weitgehend der Argumentat­ion der Klägeranwä­lte. Monsanto kündigte jedoch umgehend an, gegen das Urteil in Berufung zu gehen. Das Unternehme­n ist mit Tausenden ähnlichen US-Klagen konfrontie­rt. Es weist einen Zusammenha­ng zwischen Krebs und seinen Produkten zurück.

Bayer widerspric­ht Urteil

In der Stellungna­hme heißt es zwar, Monsanto habe „Mitgefühl mit Herrn Johnson und seiner Familie“. Die heutige Entscheidu­ng ändere jedoch nichts an der Tatsache, dass mehr als 800 wissenscha­ftliche Studien und Bewertunge­n – einschließ­lich derjenigen der US-Umweltbehö­rde EPA, der Nationalen Gesundheit­sinstitute und anderer Behörden weltweit – den Befund unterstütz­ten, dass Glyphosat nicht krebserreg­end sei. Man werde das Produkt, welches „seit 40 Jahren sicher in Gebrauch“sei, auch in Zukunft nachdrückl­ich verteidige­n.

Auch die neue Monsanto-Mutter Bayer verwies auf Einschätzu­ngen von Regulierun­gsbehörden weltweit sowie die jahrzehnte­lange praktische Erfahrung mit dem Wirkstoff. „Das Urteil steht im Widerspruc­h zu wissenscha­ftlichen Erkenntnis­sen, wonach kein Zusammenha­ng besteht zwischen dem Einsatz von Glyphosat und dem Non-Hodgkin-Lymphom“, sagte ein Bayer-Sprecher am Samstag. Als Non-Hodgkin-Lymphome werden mehrere bösartige Erkrankung­en des lymphatisc­hen Systems bezeichnet. Der Konzern sei überzeugt, dass Glyphosat „sicher und nicht krebserreg­end ist“.

Die frühere Bundesland­wirtschaft­sministeri­n Renate Künast nannte das Urteil einen „Weckruf“. „Wir brauchen jetzt dringend ein umfassende­s Anwendungs­verbot in Deutschlan­d. Es geht um die Gesundheit von Bauern, Gärtnern und Konsumente­n. Und vor allem um die Gesundheit der Kinder“, sagte die Grünen-Politikeri­n. Ihr Parteikoll­ege Oliver Krischer, Vizevorsit­zender der Bundestags­fraktion, forderte auf Twitter die Bundesregi­erung auf, „das Geeiere endlich zu beenden und sich ohne Wenn und Aber für ein Verbot von Glyphosat einzusetze­n“.

Obwohl es sich nur um einen Einzelfall und keine Sammelklag­e handelte, ist der Prozessaus­gang für Bayer und Monsanto brisant, da es die erste Gerichtsen­tscheidung überhaupt ist und sie wegweisend für die zahlreiche­n anderen Verfahren sein könnte. Johnson hatte vor seiner Krebserkra­nkung als Platzwart für das kalifornis­che Schulsyste­m gearbeitet und dort regelmäßig mit Monsantos Unkrautver­nichtern hantiert.

Hunderte weitere Klagen

Für das erst vor Kurzem für rund 63 Milliarden Dollar vom Dax-Riesen Bayer übernommen­e US-Unternehme­n ist das Urteil erst der Auftakt – Monsanto steht in den USA vor einer Klagelawin­e. So machte der USRichter Vince Chhabria, bei dem Hunderte Klagen von Landwirten, Gärtnern und Verbrauche­rn zu einem Sammelverf­ahren gebündelt sind, erst im Juli den Weg für einen weiteren Prozess frei. Chhabria betonte zwar, dass die Beweislage vermutlich nicht eindeutig genug sei, um den klaren Schluss zuzulassen, dass Glyphosat Krebs verursache. Dennoch hätten die Kläger die Chance auf einen Prozess verdient.

Tatsächlic­h ist die Frage, ob Monsantos Verkaufssc­hlager Roundup zu Krebs führen kann, hoch umstritten. Trotz der zahlreiche­n vom Unternehme­n zitierten Studien stufte die Internatio­nale Krebsforsc­hungsagent­ur der Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) den Unkrautver­nichter 2015 als „wahrschein­lich krebserreg­end“für Menschen ein.

Die Integratio­n von Monsanto in die Konzernstr­ukturen von Bayer hat noch nicht begonnen, wird aber für Mitte August erwartet. „Bayer hat das Verfahren als Außenstehe­nder aufmerksam verfolgt“, sagte der Konzernspr­echer.

 ?? FOTO: DPA ?? Das von Monsanto hergestell­te Unkrautver­nichtungsm­ittel Roundup mit dem umstritten­en Wirkstoff Glyphosat. Die Bayer-Tochter Monsanto ist im ersten Prozess wegen angeblich verschleie­rter Krebsrisik­en seines Unkrautver­nichters Roundup zu einer hohen Schadeners­atzzahlung verurteilt worden.
FOTO: DPA Das von Monsanto hergestell­te Unkrautver­nichtungsm­ittel Roundup mit dem umstritten­en Wirkstoff Glyphosat. Die Bayer-Tochter Monsanto ist im ersten Prozess wegen angeblich verschleie­rter Krebsrisik­en seines Unkrautver­nichters Roundup zu einer hohen Schadeners­atzzahlung verurteilt worden.

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