Gränzbote

Jetzt noch länger auf den Handwerker warten

Fachkräfte­mangel im Handwerk bremst auch Wohnungsba­u – Kostenfrei­e Meisterprü­fung in der Diskussion

- Von Andreas Hoenig und Friederike Marx

BERLIN (dpa) - Der Fachkräfte­mangel im Handwerk nimmt zu – mit wachsenden Folgen für Kunden. „Das Problem hat sich noch weiter verschärft“, sagte Handwerksp­räsident Hans Peter Wollseifer der Deutschen Presse-Agentur. „Das hat zur Folge, dass unsere Kunden immer länger warten müssen. Darüber sind natürlich auch unsere Betriebe gar nicht froh, denn die wollen ihre Aufträge schnell und gut erledigen. Betroffen sind inzwischen auch Stammkunde­n.“Gebremst durch Fachkräfte­mangel wird zunehmend auch der Bau neuer Wohnungen, wie es in einer Studie der staatliche­n Förderbank KfW heißt.

Die Auftragsbü­cher der Bauunterne­hmen sind prall gefüllt, doch weil Fachkräfte fehlen, können sie nicht schnell genug abgearbeit­et werden. Während das Bauhauptge­werbe, zum Beispiel Hochbauunt­ernehmen, den Angaben zufolge die Lücke bislang mit Mitarbeite­rn aus dem Ausland füllt, fehlen im Bauhandwer­k zunehmend qualifizie­rte Kräfte. Die KfW rechnet damit, dass in diesem Jahr mehr als 300 000 neue Wohnungen (2017: 285 000) fertiggest­ellt werden. Das wären zwar so viele wie seit der Jahrtausen­dwende nicht mehr. Doch um die Wohnungsno­t wirksam zu bekämpfen, müssen Prognosen zufolge bis 2020 jährlich 350 000 bis 400 000 Einheiten gebaut werden.

Der Studie zufolge mangelt es an Fachkräfte­n im Klempner-, Sanitär-, Heizungs- und Klimahandw­erk. Das zeige die hohe Zahl und die lange Dauer gemeldeter offener Stellen bei der Bundesarbe­itsagentur, sagte KfW-Chefvolksw­irt Jörg Zeuner. Vor allem Meister seien schwer zu bekommen, aber zunehmend auch andere qualifizie­rte Mitarbeite­r. „Der Fachkräfte­mangel wird allmählich zum größten Risiko für eine Ausweitung der Bautätigke­it in Deutschlan­d“, warnte der Ökonom.

Die Bundesagen­tur für Arbeit habe festgestel­lt, dass im Handwerk rund 150 000 Fachkräfte fehlten, sagte Wollseifer. Aber viele Betriebe meldeten gar keine offenen Stellen mehr. „Deshalb schätzen wir die Zahl der fehlenden Fachkräfte im Handwerk auf 200 000 bis 250 000.“Bei Notfällen wie Sturm- oder Wasserschä­den kämen Handwerker weiter schnell. „Wenn man aber ein neues Dach will, weil es erneuert werden soll, dann kann es sein, dass man zehn bis zwölf Wochen warten muss. Und es gibt auch keine Entwarnung: Das Problem wird sich in den nächsten 18 bis 24 Monaten nicht verbessern.“

Nachwuchsp­robleme

Das Handwerk habe zu wenig Nachwuchs. „Das verschärft sich immer mehr, weil es einerseits immer weniger Schulabgän­ger und anderersei­ts den Drang zum Studium gibt.“Obwohl die Zahl neu abgeschlos­sener Ausbildung­sverträge steige, werde das Handwerk auch dieses Jahr nicht alle Ausbildung­splätze besetzen können, so Wollseifer. „Zurzeit sind mehr als 30 000 Ausbildung­splätze allein im Handwerk weiter offen – und das trotz sehr guter Zukunftsun­d Berufspers­pektiven. Das wird sich bis Ende September reduzieren, aber wir rechnen damit, dass dann immer noch um die 20 000 Ausbildung­splätze nicht besetzt sind.“Um Jugendlich­e zu begeistern, seien Anerkennun­g für das Handwerk und Wertschätz­ung für berufsprak­tische Ausbildung und Arbeit nötig.

Wollseifer forderte zudem, dass die Meisteraus­bildung und -prüfung künftig vollständi­g kostenfrei sei – genauso wie auch das Studium bis zum Examen kostenfrei sei. Um den Meister kostenfrei zu stellen, wären etwa um die 60 Millionen Euro nötig. „Das sollte es unserer Gesellscha­ft schon wert sein, meisterlic­hes Können auch für die Zukunft zu sichern.“

Zudem brauche das Handwerk ausländisc­he Fachkräfte. „Ein Einwanderu­ngsgesetz muss vor allem beruflich Qualifizie­rte in den Blick nehmen. Wir wollen junge Facharbeit­er aus dem Ausland anwerben, dafür müssen aber die Verfahren deutlich einfacher werden. Unser Vorschlag ist, Migrations­abkommen mit all den Ländern abzuschlie­ßen, die ein vergleichb­ares Ausbildung­ssystem und -niveau haben.“

Kritik an einem Einwanderu­ngsgesetz für Fachkräfte übte die LinkeBunde­stagsfrakt­ionschefin Sahra Wagenknech­t. „Deutschlan­d muss seine Fachkräfte selbst ausbilden“, sagte sie der „Frankfurte­r Allgemeine­n Sonntagsze­itung“. Schuld am Arbeitskrä­ftemangel sei vor allem ein unterfinan­ziertes Bildungssy­stem. „Internatio­nalismus bedeutet nicht: Abwerbung der Mittelschi­cht aus armen Ländern, um hier Lohndumpin­g zu betreiben.“

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FOTO: DPA Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralver­bandes Deutsches Handwerk, schätzt die Zahl der fehlenden Fachkräfte im Handwerk auf bis zu 250 000 – trotz bester berufliche­r Aussichten.

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