Gränzbote

Jeder Funke bedeutet jetzt eine Gefahr

In Bayerisch-Schwaben halten Ehrenamtli­che der Luftrettun­g Ausschau nach Waldbrände­n

- Von Ludger Möllers

ILLERTISSE­N - „Ist dort, auf zwei Uhr, eine Rauchsäule?“Siegfried Möst, der an diesem heißen Sommertag an Bord eines viersitzig­en Flugzeugs als Luftbeobac­hter Dienst tut und Wälder, Äcker, Dörfer und Straßen Bayerisch-Schwabens aus 500 Meter Höhe mit seinen Augen absucht, will Gewissheit: Sieht er Rauch? Staub? Kalk? Sofort ändert Pilot Philipp von Criegern den Kurs der Maschine. Wenig später ist klar: Ein Bauer erntet sein Feld ab und zieht eine kilometerw­eit zu sehende Staubfahne hinter sich her. Eine für einen Waldbrand typische Rauchsäule würde Möst schnell entdecken: „Wir sind die fliegenden Augen.“

Von Criegern und Möst engagieren sich seit Jahren ehrenamtli­ch für die Waldbrandü­berwachung. Von Criegern ist Vorsitzend­er des Luftsportv­ereins lllertisse­n, Möst – auch er hat 20 Jahre Erfahrung als Pilot – koordinier­t die Flüge und arbeitet als örtlicher Stützpunkt­leiter der Luftrettun­gsstaffel Bayern und des Deutschen Flugbeobac­htungsdien­stes. „Die Luftrettun­gsstaffel Bayern ist die jederzeit einsatzfäh­ige Gruppe für die Luftbeobac­htung in Bayern. Die Luftsportv­ereine der Stützpunkt­e stellen dafür ehrenamtli­ch Piloten und Flugzeuge zur Verfügung.“

Neben der Waldbrandü­berwachung übernimmt die Staffel Aufgaben im Katastroph­enschutz, für den Umweltschu­tz, den Landschaft­sund Naturschut­z. Möst ergänzt: „Und wir sind für Sonderaufg­aben, bei Verkehrsüb­erwachung in besonderen Fällen, bei der Suche nach vermissten Personen oder Flugzeugen, bei der Lawinenbeo­bachtung und bei Hochwasser­lagen aktiv.“

Heute aber halten von Criegern und Möst Ausschau nach Waldbrände­n. Der deutsche Wetterdien­st ordnet die Waldbrandg­efahr in nahezu ganz Schwaben auf die Stufen vier von insgesamt fünf ein. Und der sogenannte Grasland-Feuerindex zeigt überall Stufe vier an. Ein Ende der Gefahr scheint nicht in Sicht. „Wir fliegen so lange, bis es wieder ein paar Tage lang regnet“, sagt Möst. Das könne laut Wetterberi­cht noch dauern.

Bei bester Sicht steuert von Criegern die Maschine nach Süden, bald ist der Flughafen Memmingen in Sicht. Er dreht in Richtung Kaufbeuren ab. Über Fabriken am Waldrand oder über Grillplätz­en im Wald – möglichen Brandherde­n – schaut der Luftbeobac­hter besonders genau hin, von Criegern dreht eine Extrarunde. Auch Eisenbahns­trecken verfolgt Möst: Gerade erst hat wahrschein­lich ein vorbeifahr­ender Zug im nordrhein-westfälisc­hen Siegburg durch Funkenflug ein verheerend­es Feuer, durch das mehrere Häuser zerstört wurden, verursacht.

Immer wieder funkt das Team die Rettungsle­itstelle in Krumbach an, meldet „Keine besonderen Vorkommnis­se“. Ähnlich berichten die Flugretter aus Donauwörth und Kempten, so dass die Regierung von Schwaben in Augsburg, die bei der derzeit herrschend­en Waldbrandg­efahr die Flüge anordnet und koordinier­t, ein genaues Lagebild erstellen kann.

In Baden-Württember­g sieht die Landesregi­erung keine Notwendigk­eit für eine eigene Luftrettun­gsstaffel: „Wir haben eine ganz andere Infrastruk­tur und Topographi­e, so dass die normalen Meldewege ausreichen­d sind“, sagt ein Sprecher des Stuttgarte­r Innenminis­teriums. Man habe gute Erfahrunge­n mit Wanderern, Radfahrern oder Autofahrer­n gesammelt, die über ihre Smartphone­s Brände melden: „Und es gibt die Polizeihub­schrauber-Besatzunge­n, die bei besonderen Lagen besonders aufmerksam sind.“

Die bayerische­n Behörden führen dagegen an, dass Teams wie Philipp von Criegern und Siegfried Möst Feuerwehre­n aus der Luft heraus den Weg zum Waldbrand weisen könnten: „Wir würden über dem Brandherd sehr viele, sehr enge Kurven fliegen und den Kameraden direkt sagen, wohin sie fahren müssen“, erklärt Möst, „viele Waldwege sind auf Karten gar nicht verzeichne­t.“Und sie könnten über Erfolge oder Gefahren – Ausdehnung des Brandes – der Einsatzlei­tung taktische Hinweise geben. Diesen Vorteil könnten nur die „fliegenden Augen“ausspielen.

Ausbildung privat finanziert

Doch bis die ehrenamtli­ch tätigen Piloten in der Luftrettun­gsstaffel eingesetzt werden können, haben sie eine lange Ausbildung hinter sich – und mussten privat tief in die Tasche greifen: „Heute kostet der Pilotensch­ein für diese Maschine 13 000 Euro“, weiß Philipp von Criegern, „dann muss der Pilot 200 Flugstunde­n nachweisen“. 133 Euro pro Flugstunde auf der viersitzig­en Maschine berechnet der Luftsportv­erein Illertisse­n seinen Piloten, so dass 40 000 Euro anfallen können, bis der Pilot erstmals zur Waldbrandb­eobachtung starten kann. Günstiger ist die Ausbildung der Beobachter, viele gehören den Freiwillig­en Feuerwehre­n an und betreiben die Fliegerei als Hobby: Die bayerische Feuerwehrs­chule hat für sie ein dreistufig­es Ausbildung­skonzept erarbeitet.

Der einstündig­e Rundflug über Bayerisch-Schwaben neigt sich dem Ende zu. Philipp von Criegern landet in Illertisse­n. Möst meldet auch aus Mindelheim, Tannhausen, Burgau und Ichenhause­n „Keine besonderen Vorkommnis­se“. In einer Stunde geht es wieder los.

 ?? FOTO: MÖLLERS ?? Siegfried Möst, Stützpunkt­leiter der Luftrettun­gsstaffel Bayern in Illertisse­n (Landkreis Neu-Ulm) beobachtet aus 500 Metern Höhe die Wälder über Bayerisch-Schwaben: Bei der derzeit herrschend­en Waldbrandg­efahr setzt Bayern Beobachtun­gsflugzeug­e ein, deren Besatzunge­n mögliche Brandherde aus der Luft schnell erkennen können. In Baden-Württember­g setzen die Behörden auf Spaziergän­ger mit Handys, die warnen sollen.
FOTO: MÖLLERS Siegfried Möst, Stützpunkt­leiter der Luftrettun­gsstaffel Bayern in Illertisse­n (Landkreis Neu-Ulm) beobachtet aus 500 Metern Höhe die Wälder über Bayerisch-Schwaben: Bei der derzeit herrschend­en Waldbrandg­efahr setzt Bayern Beobachtun­gsflugzeug­e ein, deren Besatzunge­n mögliche Brandherde aus der Luft schnell erkennen können. In Baden-Württember­g setzen die Behörden auf Spaziergän­ger mit Handys, die warnen sollen.

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