Gränzbote

Schluss mit Disneyland

Berliner Senat möchte dem ehemaligen Grenzüberg­ang Checkpoint Charlie einen angemessen­en Rahmen verpassen

- Von Stefan Kruse und Jutta Schütz

BERLIN (dpa) - Ein Berlin-Besuch ohne den Checkpoint Charlie ist für viele Touristen undenkbar. Doch an dem historisch­en Ort der deutschen Teilung scheiden sich die Geister. Nun plant der Senat gemeinsam mit einem privaten Investor, die historisch­e Dimension des Ortes angemessen zu präsentier­en.

Am Checkpoint Charlie in Berlin standen sich nach dem Mauerbau 1961 Panzer gegenüber, er war ein weltweit bekanntes Symbol der deutschen Teilung. Heute können Besucher die Bedeutung des einstigen Grenzkontr­ollpunkts an der Friedrichs­traße aber kaum nachvollzi­ehen. 57 Jahre nach dem Bau der Mauer und 28 Jahre nach ihrem Fall ist der Ort ein Touristenm­agnet. Doch originale Reste des DDRGrenzre­gimes gibt es nicht auf dem provisoris­ch wirkenden Areal irgendwo zwischen Geschichts­vermittlun­g, Touristenn­epp und Kommerz.

Vor einer nachgebaut­en Kontrollba­racke der US-Army posieren falsche Soldaten mit US-Fahne, kassieren drei Euro für ein Foto. Ein Schild warnt wie früher: „Sie verlassen jetzt den amerikanis­chen Sektor.“Eine Kopie. Das Original befindet sich im privaten Mauer-Museum wenige Meter entfernt, dessen Souvenirsh­op von Mauerrest bis Plastik-Trabi-Modell keine Wünsche offen lässt. Ein Straßenhän­dler versucht, Gasmasken und Militärmüt­zen loszuwerde­n.

Auf einer Brache gegenüber informiert eine Black-Box, die der Senat als „Gegenpol zur Banalisier­ung“aufstellte, an den Kalten Krieg. Daneben lädt „harlies Beach zum „Chill out“ein. Eingerahmt wird das Areal von Schautafel­n mit historisch­en Fotos und Erklärunge­n.

„Dem Ort fehlt seit 28 Jahren ein klares Gestaltung­skonzept“, beklagt der Direktor der Stiftung Berliner Mauer, Axel Klausmeier. Andere sprechen von einer Art Disneyland, 200 Meter vom Mahnmal für das erschossen­e Maueropfer Peter Fechter entfernt. Unzufriede­n mit dem IstZustand ist auch der Berliner Senat. „So wie der Checkpoint Charlie heute genutzt und erlebt wird, ist er zwar ein Ort, der Besucherma­ssen anzieht, aber in seiner provisoris­chen Gestaltung und überwiegen­d touristisc­hen Nutzung sehr zwiespälti­g beurteilt wird“, sagt Stadtentwi­cklungssen­atorin Katrin Lompscher (Linke). Er wirke „etwas chaotisch und teilweise überkommer­zialisiert“.

Erinnerung­sort geplant

Ist nun Besserung in Sicht? Womöglich, denn die Politik und ein privater Investor, der auf dem Areal nach mehreren Eigentümer­wechseln bauen will, haben sich nunmehr auf Eckpunkte für die Gestaltung verständig­t. Demnach soll das Ausmaß der Grenzüberg­angsstelle auch in Zukunft deutlich werden, ein „urbaner Platz mit Freifläche­n“entstehen. Zudem soll in einem der neuen Gebäude ein Museum als „Bildungs- und Erinnerung­sort“eingericht­et werden.

Die opposition­elle CDU spricht von „undurchsic­htigen Absprachen“, Stiftungsd­irektor Klausmeier dagegen von einer „großen gemeinsame­n Anstrengun­g“von Senat und Investor. Die Chance, die historisch­e Dimension des Ortes angemessen zu erklären, rücke damit in greifbare Nähe. Dass die Ausstellun­g im Untergesch­oss eines Bürobaus gezeigt werden soll, stört manche, nicht aber Klausmeier. Die Stiftung entwickelt ein Konzept für das Museum. Wann es gebaut und eröffnet wird, ist noch offen.

Seinen Namen verdankt der Checkpoint Charlie, den die DDR zum festungsar­tigen Bollwerk an ihrer Staatsgren­ze ausbaute, übrigens dem Nato-Alphabet: Für die Westalliie­rten war er nach Helmstedt (A) und Drewitz (B) der Kontrollpu­nkt C wie Charlie. Nur Ausländer, Diplomaten und alliiertes Militärper­sonal konnten die innerstädt­ische Nahtstelle zwischen Ost und West passieren.

Außer der Mauergeden­kstätte Bernauer Straße gehört die East Side Gallery zu den Erinnerung­sorten, auch der Mauerabsch­nitt am MartinGrop­ius-Bau – und eben der Checkpoint Charlie. Das dort geplante Museum zur Geschichte des Kalten Krieges ist das letzte noch offene Projekt des Berliner Konzepts zum Mauergeden­ken, das auf dezentrale Gedenkorte setzt.

„Wichtig ist, dass mit dem Museum am historisch bedeutende­n Ort hier zukünftig Geschichte sichtbar wird und auch vermittelt wird“, unterstrei­cht Kultursena­tor Klaus Lederer (Linke). Auch aus Sicht der Geschäftsf­ührerin der Bundesstif­tung zur Aufarbeitu­ng der SED-Diktatur, Anna Kaminsky, müssen Erinnerung­sorte mehr sein als reine Touristenm­agnete. Historiker Klausmeier stellt sich den Checkpoint künftig als „Vernetzung­sort“vor. Von hier aus könne auf weitere Orte der Teilungsge­schichte verwiesen werden. Schließlic­h sei Berlin „das größte zeithistor­ische Freilichtm­useum der Welt“.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Gegen Bares können sich Touristen am ehemaligen Grenzüberg­ang Checkpoint Charlie mit kostümiert­en Grenzbeamt­en fotografie­ren lassen. 200 Meter vom Mahnmal für ein erschossen­es Maueropfer halten viele diese Kommerzial­isierung für unangemess­en.
FOTO: IMAGO Gegen Bares können sich Touristen am ehemaligen Grenzüberg­ang Checkpoint Charlie mit kostümiert­en Grenzbeamt­en fotografie­ren lassen. 200 Meter vom Mahnmal für ein erschossen­es Maueropfer halten viele diese Kommerzial­isierung für unangemess­en.

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