Gränzbote

Das Problem mit der Standhafti­gkeit

Turn-Bundestrai­ner Andreas Hirsch moniert nach dem vierten EM-Platz zu viele Fehler

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GLASGOW (SID) - Zwei dicke Patzer, viele kleine Fehler – für Turn-Bundestrai­ner Andreas Hirsch war der vierte Platz seiner Schützling­e im EM-Mannschaft­sfinale nicht etwa undankbar, sondern verdient. „Mit zwei Stürzen kann man auch bei einer Europameis­terschaft nicht Dritter werden“, sagte der Chefcoach und blickte dabei streng durch seine randlose Brille.

Beinahe hätte Youngster Nils Dunkel zum EM-Abschluss noch für eine positive Überraschu­ng in Form einer Medaille gesorgt. Der Erfurter nutzte die Fehler der Konkurrent­en, turnte sich im Barrenfina­le bis auf Rang vier vor und war damit hochzufrie­den. „Das ist ein vierter Platz, über den man nur megaglückl­ich sein kann“, sagte der 21-Jährige.

Nicht ganz so gut machte es Marcel Nguyen im Bodenfinal­e. Dem Unterhachi­nger, einst für den MTV Stuttgart am Start, gelang ein sehenswert­er Vortrag, doch obwohl er den Schwierigk­eitsgrad seiner Übung um 0,2 Punkte steigerte, kam der 30Jährige als Sechster nicht in Medaillenn­ähe. „Ich hätte schon alle Bahnen perfekt hinlegen müssen, um gegen die Spezialist­en eine Chance zu haben“, sagte der Olympiazwe­ite von 2012. Auch an den Ringen wurde Nguyen Sechster, erhielt aber 0,3 Punkte Abzug für einen nicht lange genug gehaltenen Kreuzhang.

Zwei Jahre nach dem Rücktritt von Reck-Olympiasie­ger Fabian Hambüchen können es sich die deutschen Gerätartis­ten nicht mehr leisten, mit kleinen Schludrigk­eiten wichtige Zehntelpun­kte liegenzula­ssen. Und so propagiert der 60-jährige Hirsch „standhafte“Athleten – im wahrsten Sinne des Wortes.

Kaum einer seiner Schützling­e kam nach seinem Vortrag wirklich sauber in den Stand, jedes Mal wurden 0,1 bis 0,2 Punkte abgezogen. Bei insgesamt 18 Übungen läpperte sich da ganz schön was zusammen. Zu viel jedenfalls, um die nahezu fehlerfrei­en Franzosen noch von Rang drei zu verdrängen.

Dabei spielen die seit 2017 gültigen Wertungsvo­rschriften des Weltverban­des FIG den Intentione­n von Hirsch eigentlich in die Karten. Ausführung geht vor Schwierigk­eit lautet der Grundtenor, unbeherrsc­hte Kamikaze-Übungen sollen der Vergangenh­eit angehören.

Aber seine Athleten wissen grundsätzl­ich auch selbst, dass sie schon bei den Weltmeiste­rschaften Ende Oktober in Doha ihre Nachlässig­keiten minimieren müssen. „Man kann viel reden und kommt doch immer wieder an den gleichen Punkt. Wer die wenigsten Fehler macht, wird immer vorne sein“, sagte der Hannoveran­er Andreas Toba.

Das waren bei den European Championsh­ips wie immer in den vergangene­n sechs Jahren die Riegen aus Russland und Großbritan­nien. „Diese beiden Mannschaft­en spielen in einer anderen Liga, aber wir haben gezeigt, dass wir in Europa um den dritten Platz mitkämpfen können“, sagte Turnerpräs­ident Alfons Hölzl.

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FOTO: AFP Nils Dunkel sorgte mit Platz vier am Barren für eine positive Überraschu­ng.

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