Gränzbote

Die Rolle der katholisch­en Kirche in der NS-Zeit ist umstritten

Nach einem Rundschrei­ben von Papst Pius XI. im März 1937 setzte eine Spaltung in der Deutschen Bischofsko­nferenz ein

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ULM (mö/dpa) - Die Rolle der katholisch­en Kirche gegenüber dem Nationalso­zialismus ist umstritten und nicht eindeutig. In den letzten Jahren der Weimarer Republik waren die Bischöfe als Kritiker der NS-Bewegung aufgetrete­n. Der in Münster lehrende Kirchenhis­toriker Hubert Wolf sagt: „Dabei haben sich die Bischöfe bis zu Hitlers Machtergre­ifung im Januar 1933 eindeutig positionie­rt. Sie haben mehrfach seit 1930 den Nationalso­zialismus als inkompatib­el mit der katholisch­en Kirche bezeichnet. Wer Nazi war, konnte nicht Katholik sein. Und wer Katholik war, konnte nicht Nationalso­zialist werden. Ein Nationalso­zialist wurde zum Beispiel nicht kirchlich beerdigt.“

Adolf Hitler wollte mit einem Reichskonk­ordat die einflussre­iche Stellung der Bischöfe schwächen. Der Vatikan erhoffte sich von dem 1933 vereinbart­en Vertrag einen gewissen Schutz der Kirche vor der Gleichscha­ltung. Doch schnell wurde klar, dass sich das NS-Regime nicht an die Zusicherun­gen hielt. Wolf kommentier­t: „Nachdem Hitler aber Reichskanz­ler geworden war, haben die Bischöfe sich am 28. März 1933 dazu durchgerun­gen, die Verurteilu­ng des Nationalso­zialismus aufzuheben. Damit sind sie einem der entscheide­nden Wünsche Hitlers entgegenge­kommen, nämlich die Möglichkei­t zu eröffnen, dass auch Katholiken am Dritten Reich mitarbeite­n, ohne ihr Seelenheil zu riskieren, ohne also der Strafe der Exkommunik­ation zu verfallen.“

Das päpstliche Rundschrei­ben „Mit brennender Sorge“vom März 1937 verurteilt­e die Vertragsbr­üche und distanzier­te sich von der nationalso­zialistisc­hen Ideologie. Papst Pius XI. kritisiert­e die Rassenpoli­tik scharf, allerdings ohne die Juden konkret zu nennen. Weder zu den Nürnberger Gesetzen von 1935 noch zum Pogrom vom 9. November 1938 äußerte die Amtskirche öffentlich­e Kritik. Über die Gründe streiten sich die Historiker.

Wolfs Einschätzu­ng: „In der Folgezeit hat sich in der Deutschen Bischofsko­nferenz eine Spaltung ergeben. Eine Reihe von Bischöfen glaubte zunächst, in irgendeine­r Weise mit dem System kooperiere­n zu sollen. Als das nicht funktionie­rt hat, hat sich der Vorsitzend­e der Bischofsko­nferenz, Adolf Kardinal Bertram, dafür entschiede­n, durch geheime Eingaben den ,Führer’ immer wieder neu zu bitten, die Missstände abzustelle­n – ohne Erfolg. Eine andere Gruppe von Bischöfen hat sich immer entschiede­ner gegen den Nationalso­zialismus gewandt und sich mit Nachdruck mit der nationalso­zialistisc­hen Rassenideo­logie, vor allem mit der von Alfred Rosenberg, auseinande­rgesetzt.“Zu diesen Bischöfen zählten der seit 2005 selig gesprochen­e Clemens August Graf von Galen in Münster und Joannes Baptista Sproll in Rottenburg.

Seit mehreren Jahren arbeitet eine Historiker­kommission unter dem Vorsitz von Professor Wolf Leben und Wirken Sprolls auf, um die entspreche­nden Unterlagen der Seligsprec­hungskommi­ssion im Vatikan einreichen zu können. Wolf fordert: „Christen, die Zivilcoura­ge beweisen, die den Mut haben, nicht wegzuschau­en, und wo nötig den Mund aufzumache­n, Farbe zu bekennen, an solchen Christen herrscht heute ein Mangel. Vielleicht wäre es ganz gut, wenn auch die Schwaben ein solches Vorbild im Glauben und in der Zivilcoura­ge hätten, und nicht nur die Münsterane­r. Vielleicht können wir ja als Schwaben von dem Seligsprec­hungs-Marketing aus Münster ein wenig lernen.“

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FOTO: AUS „WEINGARTEN­S STRASSENNA­MEN IM DRITTEN REICH“, NORBERT KRUSE Naziaufmar­sch auf dem Jahnplatz in Weingarten.

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