Gränzbote

„Mein Vater war nicht naiv“

Pavol Dubcek, Sohn der Symbolfigu­r Alexander Dubcek, glaubt nicht an den gewöhnlich­en Unfalltod seines Vaters

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WIEN - Alexander Dubcek, Symbolfigu­r des Prager Frühlings, versuchte nach der Wende 1989 ein Comeback als Präsident der demokratis­chen Tschechosl­owakei, musste aber dem neuen Nationalhe­lden Vaclav Havel den Vortritt lassen. Dubcek starb Ende 1992 bei einem Verkehrsun­fall. Pavol Dubcek (Foto: Teraz.sk), 70 Jahre alt und Chirurg in Bratislava, sieht beim Tod seines Vaters auch politische Umstände im Spiel, wie er Rudolf Gruber sagte.

Wie erlebten Sie die ersten Stunden des Einmarschs der Warschauer-Pakt-Truppen?

Es war ein riesiger Lärm, ganz Bratislava war voll mit Panzern. Die Angst war groß, dass wir alles verlieren würden. Es gab Tote. Uns wurde sofort klar, das die demokratis­chen Reformen mit Waffengewa­lt zerstört werden sollten.

Fühlten sich die Tschechosl­owaken von der freien Welt im Stich gelassen?

Wir haben vor allem von den USA am meisten Hilfe erwartet, weniger von den Nachbarlän­dern.

Was sagen Sie Kritikern, die Ihrem Vater Naivität vorwerfen, weil er den Kommunismu­s reformiere­n wollte?

Mein Vater war nicht naiv, er hat die Menschen geliebt, dafür ist er das Risiko eingegange­n. Er war überzeugt, dass keine Macht auf Dauer ohne moralische Grundlage Bestand habe.

Wie erlebten Sie als Sohn – Sie waren damals etwa 20 Jahre alt – die Rückkehr Ihres in Moskau gedemütigt­en Vaters?

Er hat eisern geschwiege­n, hat nichts erzählt. Aber er ist sehr gebückt und nachdenkli­ch zurückgeko­mmen. Dass der Prager Frühling vorbei sein sollte, wollte er der Familie nicht sagen. Er hat mit uns grundsätzl­ich über Politik nie gesprochen, er wollte uns nicht belasten. Dann hat ihn die Partei als Botschafte­r in die Türkei abgeschobe­n, in der Erwartung, er würde sich dort absetzen, so dass man ihn als Landesverr­äter verurteile­n kann. Aber mein Vater war nicht feige, er kehrte heimlich zurück in die Tschechosl­owakei.

Sie deuten in Interviews an, dass Ihr Vater 1992 bei einem inszeniert­en Verkehrsun­fall ums Leben gekommen sei. Was haben Sie für Gründe?

Ich denke, es war kein gewöhnlich­er Unfall, denn an einer seriösen Untersuchu­ng war man nicht interessie­rt. Er hatte sich Feinde geschaffen, weil er nach 1989 scharf die Profiteure der wilden Privatisie­rung kritisiert­e. Mein Vater war nicht gegen die Privatisie­rung, er war gegen Diebstahl am öffentlich­en Vermögen.

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Pavol Dubcek

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