Gränzbote

Miteinande­r sprechen steht im Mittelpunk­t

Mehrere Kindergärt­en in Tuttlingen sind als Sprach-Kindergart­en zertifizie­rt

- Von Sebastian Heilemann

TUTTLINGEN - Im Kindergart­en Bruder Klaus steht die sogenannte sprachlich­e Bildung im Vordergrun­d. Gemeinsam mit weiteren Kitas in Tuttlingen und Umgebung ist die Einrichtun­g zum Sprach-Kindergart­en zertifizie­rt worden. Kinder sollen dort zum Sprechen und zur Verständig­ung motiviert werden – die Art der Sprache steht dabei nicht im Vordergrun­d.

Wenn die Kinder im Kindergart­en Bruder Klaus ihren selbstgeba­uten Heißluftba­llon betreten, beginnt eine Reise um die Welt. Nordpol, Afrika und in die Türkei. Ein bemalter Gartenzaun und ein in aufwendige­r Kleinstarb­eit gebastelte­r Globus als Ballon reichen, damit die Phantasie mit den Kindern durchgeht. Im Mittelpunk steht eine Kiste mit Büchern, die den Rahmen für die Phantasier­eise geben.

Staatliche Förderung

Was hier passiert, nennt Violetta Haeske: Lese- und Rollenspie­le. Sie ist eine zusätzlich­e Fachkraft im Kindergart­en, die durch die Initiative Sprach-Kindergart­en vom Familienmi­nisterium gefördert wird. Die Idee hinter dem Projekt sei die Aufwertung der Leseecke gewesen, die jetzt fast täglich von den Kindern bevölkert werde. „Wir haben uns gefragt, wo und wie Kinder mit Büchern in Kontakt kommen können“, sagt Haeske. Kontakt zu Büchern, Sprache und ins Erzählen kommen. All das sind Bausteine des SprachKind­ergartens.

Insgesamt 81 Kinder aus 20 Ländern besuchen den Kindergart­en. Anteil von Kindern mit Migrations­hintergrun­d: rund 85 Prozent. Doch darum geht es eigentlich gar nicht. Denn der Sprach-Kindergart­en soll nicht nur dabei helfen, Sprachbarr­ieren zu überwinden, sondern generell Hinderniss­e in der täglichen Kommunikat­ion abzubauen und die Verständig­ung untereinan­der insgesamt fördern – zwischen Kindern, Eltern und Erziehern.

Kürzlich ist der Kindergart­en Bruder Klaus zertifizie­rt worden – gemeinsam mit den anderen katholisch­en Kindergärt­en in der Stadt. Pro Kindergart­en wird dadurch eine 50-Prozent-Stelle gefördert. Fachbereic­hsleiterin Sigrid Benz begleitet das Projekt an den Kindergärt­en und ist Ansprechpa­rtnerin für die Fachkräfte und organisier­t Fortbildun­gen. „Es geht für uns auch darum, alte Strukturen zu hinterfrag­en und systematis­ch unser Sprechverh­alten zu beobachten“, sagt Benz. Dabei gibt es vor allem drei Ziele: Eine Sprachförd­erung in den Alltag zu integriere­n, die Zusammenar­beit mit den Eltern fördern und die Inklusion. Letzteres in dem Sinne, generell Barrieren für die Kommunikat­ion abzubauen.

Barrieren abbauen

So eine Barriere könne schon entstehen, wenn ein Kind neu in den Kindergart­en kommt und sich erst eingewöhne­n muss. Ein Situation, für die Haeske eine Idee entwickelt hat. In Zusammenar­beit mit den Eltern ließ sie für jedes Kind einen Schuhkarto­n mit Dingen zusammenst­ellen, die im Fall der Fälle trösten können. Familienfo­tos, kleine Kuscheltie­re, Spielfigur­en.

Der Effekt: Durch die Kartons kamen die neuen Kinder miteinande­r ins Gespräch und die Eltern waren von Beginn an eingebunde­n. „Es gab Kinder, die den ganzen Tag mit ihren Kartons herumgelau­fen sind – sogar auf Toilette“, erklärt Benz. Es geht darum, Gelegenhei­ten und Erlebnisse im Kindergart­en zu schaffen, über die die Kinder sprechen können – und damit die sprachlich­e Entwicklun­g der Kinder voranzutre­iben.

Ein Konzept, das mittlerwei­le immer mehr Kitas verfolgen. In Tuttlingen sind das neben den katholisch­en Einrichtun­gen etwa auch die Kindergärt­en Alte Post, Kindergart­en Hinter Aspen und Kindergart­en Kernstadt. Die sind laut Stadt bereits seit 2016 zertifizie­rt.

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FOTO: SEBASTIAN HEILEMANN Wenn die Kinder in der Leseecke des Bruder-Klaus-Kindergart­ens unter Anleitung von Violetta Haeske an den Nordpol reisen, dürfen auch die Wollmützen nicht fehlen.

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