Obdachlose dürfen vorerst bleiben
Evangelische Kirche lenkt nach Kritik an Vorgehen bei Egelseewiese ein.
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TUTTLINGEN - Die Kritik an der evangelischen Kirche wegen der Verdrängung von Obdachlosen von der Egelseewiese zwischen Bahnhof und Donau in Tuttlingen zeigt Wirkung. Dekan Stefan Berghaus teilte am Montag in einem Brief an unsere Redaktion mit, dass die Kirche ihre Entscheidung korrigiert und die Duldung der Obdachlosen auf dem Grundstück verlängert – bis eine andere geeignete Lösung gefunden ist.
Auslöser der Debatte, die vor allem im sozialen Netzwerk Facebook geführt wird, ist die Neuverpachtung der Egelseewiese. Die neue Pächterin hatte zunächst signalisiert, die Obdachlosen, die sich vor zwei Jahren dort niedergelassen haben, zu dulden. Diese Entscheidung hat sie in der Zwischenzeit revidiert (wir berichteten).
„Wir haben unterschätzt, welche Wirkung dieser Schritt in der Öffentlichkeit haben würde, und nicht gesehen, welchen Stellenwert das Projekt inzwischen gewonnen hat“, schreibt Berghaus. Die Kritik an der Kirche habe die Beteiligten überrascht: „Wir gehen schon seit zwei Jahren mit der Situation um, beraten sie in unserer Kirchengemeinde, vor allem im dafür zuständigen Bauausschuss und in der Pfarrerschaft, und sind auch mit den Bewohnern im Gespräch.“
Berghaus erinnert daran, dass mit den Bewohnern abgesprochen war, dass sie einen Winter lang bleiben dürfen. Das sei auch so akzeptiert worden. „Nun sind zwei Jahre daraus geworden. In dieser Zeit hat das Vorhaben auf der Wiese mehr und mehr an Raum eingenommen. Vonseiten der Gemeinde haben wir uns sehr darum bemüht, Ausweichgrundstücke zu finden, sind aber bis jetzt trotz der Mithilfe von Ämtern und Behörden nicht fündig geworden“, schreibt Berghaus. Auch zwei der Obdachlosen hätten einen Projektentwurf vorgelegt, der der Kirche schlüssig erschien.
Weniger hauptamtliches Personal
Allerdings sehe sich die Kirche außerstande, die Trägerschaft dafür zu übernehmen und das Projekt angemessen zu begleiten. Denn: „Wir müssen uns in unserer Kirchengemeinde derzeit darauf einstellen, unsere Aufgaben mit viel weniger hauptamtlichem Personal zu bewältigen, und das angesichts einer zunehmenden Aufgabenfülle vor allem in den Bereichen, in denen Nächstenliebe auch strukturell gelebt werden will.“Daher sei sie auf die Suche nach Trägern gegangen, die sich in dieser Sache engagieren möchten. Das sei bisher erfolglos gewesen.
Klar sei aber auch, dass die Duldung der Obdachlosen auf der Egelseewiese nicht endlos sein könne: „Wir hoffen weiterhin auf Mithilfe aller hier Engagierten. Dazu werden wir die notwendigen vertraglichen Bedingungen regeln und bitten die Nachnutzerin der Egelseewiese um Nachsicht“, schreibt Berghaus abschließend.