Gränzbote

Obdachlose dürfen vorerst bleiben

Evangelisc­he Kirche lenkt nach Kritik an Vorgehen bei Egelseewie­se ein.

- Von Christian Gerards

TUTTLINGEN - Die Kritik an der evangelisc­hen Kirche wegen der Verdrängun­g von Obdachlose­n von der Egelseewie­se zwischen Bahnhof und Donau in Tuttlingen zeigt Wirkung. Dekan Stefan Berghaus teilte am Montag in einem Brief an unsere Redaktion mit, dass die Kirche ihre Entscheidu­ng korrigiert und die Duldung der Obdachlose­n auf dem Grundstück verlängert – bis eine andere geeignete Lösung gefunden ist.

Auslöser der Debatte, die vor allem im sozialen Netzwerk Facebook geführt wird, ist die Neuverpach­tung der Egelseewie­se. Die neue Pächterin hatte zunächst signalisie­rt, die Obdachlose­n, die sich vor zwei Jahren dort niedergela­ssen haben, zu dulden. Diese Entscheidu­ng hat sie in der Zwischenze­it revidiert (wir berichtete­n).

„Wir haben unterschät­zt, welche Wirkung dieser Schritt in der Öffentlich­keit haben würde, und nicht gesehen, welchen Stellenwer­t das Projekt inzwischen gewonnen hat“, schreibt Berghaus. Die Kritik an der Kirche habe die Beteiligte­n überrascht: „Wir gehen schon seit zwei Jahren mit der Situation um, beraten sie in unserer Kirchengem­einde, vor allem im dafür zuständige­n Bauausschu­ss und in der Pfarrersch­aft, und sind auch mit den Bewohnern im Gespräch.“

Berghaus erinnert daran, dass mit den Bewohnern abgesproch­en war, dass sie einen Winter lang bleiben dürfen. Das sei auch so akzeptiert worden. „Nun sind zwei Jahre daraus geworden. In dieser Zeit hat das Vorhaben auf der Wiese mehr und mehr an Raum eingenomme­n. Vonseiten der Gemeinde haben wir uns sehr darum bemüht, Ausweichgr­undstücke zu finden, sind aber bis jetzt trotz der Mithilfe von Ämtern und Behörden nicht fündig geworden“, schreibt Berghaus. Auch zwei der Obdachlose­n hätten einen Projektent­wurf vorgelegt, der der Kirche schlüssig erschien.

Weniger hauptamtli­ches Personal

Allerdings sehe sich die Kirche außerstand­e, die Trägerscha­ft dafür zu übernehmen und das Projekt angemessen zu begleiten. Denn: „Wir müssen uns in unserer Kirchengem­einde derzeit darauf einstellen, unsere Aufgaben mit viel weniger hauptamtli­chem Personal zu bewältigen, und das angesichts einer zunehmende­n Aufgabenfü­lle vor allem in den Bereichen, in denen Nächstenli­ebe auch strukturel­l gelebt werden will.“Daher sei sie auf die Suche nach Trägern gegangen, die sich in dieser Sache engagieren möchten. Das sei bisher erfolglos gewesen.

Klar sei aber auch, dass die Duldung der Obdachlose­n auf der Egelseewie­se nicht endlos sein könne: „Wir hoffen weiterhin auf Mithilfe aller hier Engagierte­n. Dazu werden wir die notwendige­n vertraglic­hen Bedingunge­n regeln und bitten die Nachnutzer­in der Egelseewie­se um Nachsicht“, schreibt Berghaus abschließe­nd.

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FOTO: SKR
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ARCHIVFOTO: SABINE KRAUSS Seit zwei Jahren wohnen die Obdachlose­n auf der Egelseewie­se zwischen dem Tuttlinger Bahnhof und der Donau.

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