Weiter Weg nach Tuttlingen
Nach seiner Flucht aus Nigeria packt Devine Musa bei der Stadtreinigung mit an
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TUTTLINGEN - Jeder, der gelegentlich durch die Tuttlinger Fußgängerzone in der Bahnhofstraße läuft, hat ihn schon mal zu Gesicht bekommen. Mit einer Kehrmaschine säubert der Nigerianer Devine Musa täglich Gehsteige und Straßen rund um das Stadtzentrum. Der 39-jährige hat für jeden ein Lächeln übrig und ist mittlerweile stadtbekannt. Doch kaum jemand kennt seine Geschichte.
Jeden Morgen um Punkt 7 Uhr tritt Devine seinen Dienst an. Bei gutem Wetter kann er mit einer Kehrmaschine ausgerüstet durch die Straßen laufen. Ist es regnerisch oder nass, muss er ganz klassisch zu Besen und Zange greifen. Und er geht seiner Arbeit gerne nach: „Man hat mir gesagt, dass Tuttlingen eine saubere Stadt ist. Ich will mein Bestes geben, damit das so bleibt“, erzählt Musa mit einem Lächeln. Vor vier Jahren ist der Nigerianer nach Tuttlingen gekommen. Nachdem er zunächst in einer Flüchtlingsunterkunft untergebracht worden war, bemühte er sich um Arbeit.
Vor drei Jahren trat er dann zunächst eine Stelle auf 1-Euro-Basis bei der Stadtreinigung an. Da er sich durch Fleiß und Zuverlässigkeit auszeichnete und auch die schwierigsten Arbeiten tadellos erledigte, wurde das Beschäftigungsverhältnis unlängst in ein festes Arbeitsverhältnis umgewandelt. Der Betriebsleiter des Bauhofs Gerd Rudolf erinnert sich daran, dass Devine vom ersten Tag an tatkräftig und fleißig anpackte: „Devine Musa hat sich richtig gut eingebracht und kommt mit allen gut aus. Er war auch schon mit Arbeitskollegen Motorradfahren und bei Grillpartys eingeladen. Im Grunde ist er ein lebendes Beispiel gelungener Integration.“
Musa erzählt, dass er hofft, sich durch gute Leistungen unersetzbar zu machen und nennt mit breitem Grinsen im Gesicht sein großes Vorbild: „Ich möchte bei meiner Arbeit so gut sein wie Christiano Ronaldo beim Fußball.“Das ansteckende Lachen auf seinem Gesicht weicht erst dann, als Musa von seinem Weg nach Europa erzählt. Mehr als 6000 Kilometer hat er auf seiner Flucht aus einem Dorf im Südosten Nigerias zurückgelegt.
Flucht vor dem Tod
Der Grund: In seiner Heimat trachtet man ihm nach dem Leben. Überstürzt flüchtet er von einem Tag auf den anderen, muss seine Frau und drei Kinder zurücklassen. Auf einem Flüchtlingsboot gelingt es Devine, von Marokko aus das europäische Festland zu erreichen. Wenn Musa heute von der gefährlichen Bootsfahrt erzählt sind seine Augen weit aufgerissen: „15 Stunden sind wir über das offene Meer gefahren. Insgesamt sind wir über 40 Menschen in einem viel zu kleinen Schlauchboot gewesen. Ich habe die spitzen Steine und große Fische unter Wasser gesehen, an denen wir ganz knapp vorbeigefahren sind. Einen Zusammenstoß hätte das Boot nicht überstanden und wir wären alle ertrunken.“Musa sieht es als göttliche Fügung, dass er die Überfahrt nach Europa überlebt hat.
Seine Familie vermisst er sehr und versucht sie nach besten Möglichkeiten zu unterstützen. Fünf Jahre sind mittlerweile vergangen, seit er seine Frau und Kinder das letzte Mal gesehen hat. Nur über Internettelefonie könne der Kontakt aufrechterhalten bleiben. Doch die Gespräche mit Frau und Kindern seien immer wieder tränenreich und schmerzhaft. Eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung hat Musa bislang noch nicht erhalten. Der 39-jährige hofft darauf, in Deutschland bleiben zu können. Am liebsten würde er seine Familie nachholen. Doch das, so sagt Musa aus voller Überzeugung, liege alles in Gottes Hand.
Wichtige Arbeit in Tuttlingen
Ohne die wichtige Arbeit der Stadtreinigung würden sich in Tuttlingens Straßen schnell Müll und Dreck stapeln: Neben jährlich 100 Tonnen Abfall, die die Arbeiter von Gehsteigen und Straßen einsammeln, kommt nochmal eine Menge von 400 Tonnen Straßenkehricht zusammen. Jeder kann Devine Musa und seine Kollegen bei Ihrer Arbeit unterstützen: Anfallender Müll sollte in einem der rund 200 Abfallbehälter entsorgt werden, anstatt einfach auf den Gehsteig geworfen zu werden.