Gränzbote

Kritik am Vorgehen des Pflegedien­stes

Nachträgli­ch geänderte Leistungsn­achweise sorgen für Irritation­en

- Von Marc Eich

VILLINGEN-SCHWENNING­EN (sbo) - Nachträgli­ch geänderte Leistungsn­achweise eines Pflegedien­stes aus der Doppelstad­t sorgen bei der Familie einer Patientin für reichlich Irritation­en. Auch die zuständige Krankenkas­se hält das Vorgehen nicht für korrekt.

Die Seniorin ist 87 Jahre alt, stark dement, kann nicht mehr laufen und auch nicht mehr sprechen. Sie wohnt zwar noch im Haus der Familie in Marbach und wird von ihrem Sohn sowie dem Enkel mitbetreut – doch ohne einen Pflegedien­st kommt die Familie, angesichts der höchsten Pflegestuf­e, nicht aus. „Mein Vater kann sich nur am Wochenende und am Abend um seine Mutter kümmern“, berichtet Enkel Timo (31).

Eine schwierige Situation für die gesamte Familie – die sich angesichts eines Streits mit dem zuständige­n Pflegedien­st zugespitzt hatte. Denn neben mehreren Streitigke­iten bei der Pflege stößt dem Enkel noch ein ganz anderer Umstand auf. Der 31Jährige zeigt mit seinem Finger auf handschrif­tliche Änderungen beim Leistungsn­achweis. Was hat es damit auf sich? Er erklärt, dass die Leistungsn­achweise nach jedem Monat von einem Angehörige­n, in dem Fall dem Sohn der Patientin, unterschri­eben werden.

Dort wird von den Pflege- und Hilfskräft­en abgezeichn­et, wie groß die zeitlichen Aufwendung­en für die Pfleger tatsächlic­h waren. „Irgendwann ist uns auf den Rechnungen aufgefalle­n, dass die Zahlen nachträgli­ch geändert wurden“, beschreibt der 31-jährige Enkel das in seinen Augen fragwürdig­e Vorgehen des Pflegedien­stes. Sprich: Nachdem die Angehörige­n die Leistungen mit der Unterschri­ft bestätigt hätten, seien die zeitlichen Aufwendung­en plötzlich nach oben geschraubt – und dann von der Krankenkas­se bezahlt worden. Für die Familie ein Skandal. „Wir haben kein Problem, dass alle ihr Geld bekommen, aber die Arbeit sollte auch gemacht werden“, betont der Enkel.

Beim betroffene­n Pflegedien­st Diakonie ambulant Schwarzwal­dBaar, der allein in Villingen rund 300 Patienten betreut, weiß man um die nicht einwandfre­ien Vorgänge im Zusammenha­ng mit den Leistungsn­achweisen – und versucht sich zu erklären.

Günter Sänger, der kaufmännis­che Vorstand, erläutert, dass man „möglichst früh das Geld benötigt“und deshalb zeitnah eine Unterschri­ft der Angehörige­n einholt, um die Nachweise bei der Krankenkas­se einzureich­en. Man bedauert, dass die Pflegekräf­te nicht sofort die korrekten zeitlichen Aufwendung­en auf dem Leistungsn­achweis notiert hätten, „für uns ist das aber erst mal ein Plan, der sieht am Ende des Monats natürlich anders aus“, erklärt die zuständige Leiterin der Sozialstat­ion, Karola Masino. Man habe deshalb reagiert und einen Mitarbeite­r abgemahnt. Doch: Wie kamen die Änderungen letztendli­ch zustande? „Die Leistungsn­achweise werden von mir kontrollie­rt und auch geändert“, gibt Masino zu. Über Monate hinweg hätten diese Änderungen ohne Konsequenz­en stattgefun­den – erst die Kritik der Familie habe bewirkt, dass die Vorgehensw­eise geändert wird. „Das war unser Fehler“, geben der kaufmännis­che Vorstand Sänger und die Leiterin der Sozialstat­ion Masino unumwoben zu. Sie betont aber gleichzeit­ig: „Die Leistungen sind erbracht worden.“

Das kann die zuständige Krankenkas­se AOK auf Anfrage bestätigen. Allerdings sieht man auch dort die Vorgehensw­eise als nicht korrekt an. Pressespre­cherin Elke Rauls erklärt: „Gibt es Abweichung­en von dem Leistungsp­lan zu den tatsächlic­h erbrachten Leistungen, muss das der Kunde entspreche­nd bestätigen.“Diese Bestätigun­g habe es jedoch nie gegeben. Laut Rauls habe man daraufhin das Gespräch mit den Verantwort­lichen gesucht. „Die Diakonie will die Verfahrens­weise ändern und zukünftig erst nach Vorlage aller Leistungsd­aten den Leitungsna­chweis zur Unterschri­ft vorlegen“, bestätigt die Pressespre­cherin das Bestreben der Diakonie, die Vorgehensw­eise zu ändern. Irritation­en oder gar der Verdacht eines Betrugs könne man somit vorbeugen. Konsequenz­en haben die Vorgänge nun übrigens auch für die betroffene Familie. Der Pflegedien­st hat den Pflegevert­rag gekündigt. Grund hierfür soll vor allem das „große Misstrauen“der betroffene­n Familie gegenüber den Pflegekräf­ten gewesen sein.

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FOTO: EICH Für Irritation­en hat die nachträgli­che Korrektur von Leistungsn­achweisen durch einen Pflegedien­st in VillingenS­chwenninge­n gesorgt.

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