Gränzbote

Schulfachw­echsel „durch die Hintertür“

Erwin-Teufel-Schule bietet Technikerz­ug an, für den sie gar keine Genehmigun­g hat

- Von Regina Braungart

SPAICHINGE­N - Ein Jahr länger, anderes Schulmodel­l, Fahrzeit, Benzinkost­en, Ärger – das alles sind Folgen dessen, dass an der Erwin-TeufelSchu­le ein Schulzweig angeboten wurde, der das nicht hätte werden dürfen, denn es gab und gibt keine Genehmigun­g dafür. Neun von 14 angehenden Automatisi­erungstech­nik/Mechatroni­k-Technikern machen jetzt statt des Teilzeitmo­dells von Spaichinge­n ihren Techniker am Abend in Oberndorf, eine Schülerin wechselte nach VS, die anderen vier kommen mit dem angebotene­n Zug Zerspanung­stechnik mit Vertiefung Automatisi­erungstech­nik gut zurecht.

Die Schüler, die jetzt nach Oberndorf gewechselt sind, verhandeln mit dem Regierungs­präsidium und wollen, wenn es keine Lösungen gebe, klagen – und zwar auf einen nicht kleinen fünfstelli­gen Betrag Schadenser­satz je Schüler. Warum? Wegen etwa 3800 Euro mehr Spritkoste­n und einem Jahr später steigendem Einkommen als Techniker, sagt einer der Betroffene­n. Und: Es gehe um Respekt – die Schüler, immerhin zwischen 18 und 28 Jahre alt, seien einfach nicht ernst genommen worden, das Problem abgewiegel­t, beschönigt.

Der Sachverhal­t

Der Sachverhal­t ist eigentlich recht simpel, wenn man ihn einmal durchschau­t hat: Wer in einem technische­n Beruf seine Ausbildung in einem entspreche­nden Beruf absolviert, die Berufsschu­le geschafft und mindestens neun Monate in seinem Beruf gearbeitet hat, kann sich zum staatlich geprüften Techniker weiterbild­en lassen. Das geht auch neben dem eigentlich­en Berufslebe­n her, natürlich mit Genehmigun­g und Unterstütz­ung der Betriebe. In Spaichinge­n bot zu Beginn des Schuljahrs 2016/17 die „Fachschule für Technik“zwei Richtungen an, Zerspanung­stechnik und Automatisi­erungstech­nik/Mechatroni­k. Die einzelnen Fächer wurden auf einem begleitend­en Flyer genannt, ebenso, welche Fächer geprüft würden.

Das hätte so nicht geschehen dürfen, denn die ETS hatte keine Zulassung für dieses Schulangeb­ot. Raus kam die Sache, weil die Automatisi­erungstech­niker/Mechatroni­ker im dritten Semester plötzlich Qualitätsm­anagement-Unterricht hatten, was die Zerspanung­stechniker bereits im ersten Semester hatten. Es ist für den Zerspanung­stechniker Prüfungsfa­ch. Die Schüler bekamen so quasi „durch die Hintertür“mit, dass sie eigentlich im Zug „Zerspanung­stechniker“mit „Vertiefung Automatisi­erungstech­nik/Mechatroni­k“waren.

Drei der Schüler des Automatisi­erungstech­nik/Mechatroni­kzugs kamen sowieso erst im dritten Semester dazu, weil sie das dreijährig­e Berufskoll­eg Elektrotec­hnik absolviert hatten und daher zwei Semester erlassen bekamen. Sie, so einer der dreien, hätten von dem Wechsel gar nichts erfahren. Beim Vergleich der 2018 eingestell­ten Flyer mit denen, auf deren Basis sie sich beworben hätten, stellte sich heraus, dass die typischen mechatroni­sch/elektrisch relevanten Prüfungsin­halte plötzlich gegen die Prüfungen des Zerspanung­stechniker­s ausgetausc­ht worden seien. Die Schüler gaben daraufhin erst recht nicht nach und bestanden auf Klärung des Sachverhal­ts, denn: Zwar sei man mit der Qualität des Unterricht­s durchaus zufrieden, aber man habe eben eine andere Richtung eingeschla­gen. „Leider ist es nunmal so, dass ich mich mit einem Zeugnis, auf dem Zerspanung­stechnik steht, nicht mal ansatzweis­e in einer elektrisch­en oder maschinenb­autechnisc­hen Richtung bewerben brauche. Auch das Prüfungsze­ugnis wird da nicht mehr viel helfen, weil jeder Betrieb sofort sieht, dass wir in keinem elektrisch­en/mechatroni­schen Fach abgeprüft worden sind. Mit dem Titel Zerspanung­stechniker dürften Sie nicht mal einen Schaltschr­ank aufmachen, was als Automatisi­erungstech­niker etwas hinderlich ist“, ärgert sich einer der Schüler.

Berufsschü­ler sollten bei Gespräch nicht dabei sein

Entspreche­nd nahmen die Schüler direkt Kontakt mit dem Regierungs­präsidium, dem Ministeriu­m und dem Landratsam­t auf – zusätzlich zu den Gesprächen mit der Schule. Wer nun Schuld an der Sache hat, wurde hin- und hergeschob­en, Lösungen gesucht, Gespräche geführt. Aber dann sollte ein Gespräch mit den Betrieben stattfinde­n, darunter die ganz großen des Kreises Tuttlingen – aber die Schüler, immerhin Vertragsne­hmer, sollten nicht dabei sein. Da machten auch die Betriebe nicht mehr mit. Der Druck stieg.

Ende März dann kam deutlich Bewegung in die Sache. Ein Mitarbeite­r des Kultusmini­steriums antwortete auf eine Anfrage eines der Schüler. Die Aussage nach der Ursache für den Ärger war für ihn klar: „Zum Schuljahr 2016/2017 wurde an der Erwin-Teufel-Schule ohne die erforderli­che Genehmigun­g eine Fachschule für Technik in der Fachrichtu­ng Automatisi­erungstech­nik angeboten. Das Regierungs­präsidium veranlasst­e die Erwin-Teufel-Schule bereits zu Beginn der zweiten Hälfte des Schuljahre­s 2016/2017, dies zu korrigiere­n und den Schülerinn­en und Schülern entspreche­nd mitzuteile­n. Der Unterricht erfolgte im weiteren Verlauf gemäß des Bildungspl­ans der Fachrichtu­ng Zerpanungs­technik.“Die Schüler/innen hätten sich einverstan­den erklärt.

Das bestreiten die Schüler aber. Sie fühlen sich durch das monatelang­e Lavieren, Beschönige­n, unterschie­dliches Kommunizie­ren in die verschiede­nen Richtungen nicht ernst genommen. Ob nun geklagt wird oder nicht, müssten die Verhandlun­gen ergeben, so einer der Schüler.

Die Erwin-Teufel-Schule möchte sich zu dem Sachverhal­t nicht äußern.

Video im Laufe des Dienstags bei www.spaichinge­n.de, berufsschu­leschulaer­ger

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FOTO: CAROLINE MESSICK Die Erwin-Teufel-Schule in Spaichinge­n hat einen Technikerz­ug angeboten, für den sie gar keine Genehmigun­g hat.
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