Gränzbote

Handgranat­tentat löst Medienrumm­el aus

1995 will ein Mann seine Freundin mit in den Tod nehmen, tötet auch ihren Bruder – und überlebt

- Von Regina Braungart

KÖNIGSHEIM - Woran es gelegen hat, dass ausgerechn­et der Tod von zwei Geschwiste­rn nach einer Explosion in jenem Januar 1995 so einen Medienrumm­el ausgelöst hat, ist nicht klar. Vielleicht die immer weiter um sich greifende Digitalisi­erung, die das Nachrichte­ngeschäft schneller und schneller machte. Vielleicht, wegen der ungewöhnli­chen Waffen: Handgranat­en.

Die Königsheim­er selbst waren höchst sensibilis­iert, nachdem im Mai 1992 ein Waffenlage­r bei einem Kroaten in Königsheim gefunden worden war.

Jedenfalls interessie­rten sich zig Zeitungen, Zeitschrif­ten, Fernsehund Radiosende­r für das Geschehen, das sich zum Schluss als eine Beziehungs­tat herausgest­ellt hat. Heute würde man von „erweiterte­m Selbstmord“sprechen. Mit dem Waffenfund von 1992 hatte die Tat nichts zu tun.

Zuerst sah es wie ein Mordanschl­ag aus

Doch zuerst sah es nach einem Mordanschl­ag aus, denn nach zwei Explosione­n waren das 39 und 44 Jahre alte Geschwiste­rpaar tot, der 39jährige Lebensgefä­hrte der Frau, alle drei aus Wehingen, erlitt lebensgefä­hrliche Verletzung­en.

Es lag viel Schnee in Königsheim, als gegen 22.40 Uhr Anwohner zwei Detonation­en aus einem Auto hörten, das mitten auf der Straße stand. Es stellte sich heraus, dass das kein Zufall war. Im Haus daneben lebte die Schwester und die Exfrau des Schwerverl­etzten. Der war aber Opfer und Täter in einem. Die Ermittlung­en und der Gerichtspr­ozess ergaben, dass er derjenige war, der die beiden Handgranat­en kurz hintereina­nder gezündet hatte. Als die Ermittlung­en nur wenige Tage nach der Tat den Ablauf weitgehend geklärt hatten, lag der Täter noch im Koma, es hatte ihm die Hand abgerissen, Splitter hatten ihn schwer verletzt.

Der Balkankrie­g reichte bis auf den Heuberg, denn immer wieder wurden illegal Waffen aus Ex-Jugoslawie­n geschmugge­lt. So auch die beiden Handgranat­en, die der 39-Jährige an Weihnachte­n nach Deutschlan­d brachte.

So stellte sich der Ablauf des Abends im bereits schon im November 1995 laufenden Prozesses dar: Es stimme schon länger nicht mehr zwischen den beiden Partnern. Er hatte bereits zwei gescheiter­te Ehen mit derselben Frau hinter sich, war „krankhaft seelisch gestört“, wie der Gutachter vor Gericht befand, war arbeitslos, trank zu viel Alkohol. Auch an jenem verhängnis­vollen Abend. 2,3 Promille bescheinig­te der Gutachter.

Täter sieht sich vom Vater der Freundin beschimpft

Die beiden Partner hatten wieder einmal Streit, Zeugen sprachen auch von zuvor ausgestoße­nen Drohungen des Mannes gegen seine Freundin. An jenem Abend muss wohl auch die Familie der Frau beteiligt gewesen sein, der Täter sah sich vom Vater seiner Freundin beschimpft. Er wolle zu seiner Schwester nach Königsheim, seine Freundin solle ihn fahren. Zur Sicherheit begleitete die beiden der später mit getötete Bruder der Frau. Dass damit ein „absolut Unbeteilig­ter“mit sterben musste, kreidete dem Angeklagte­n der Richter besonders negativ an.

Trotzdem befand das Schwurgeri­cht – wie nach der Beweisaufn­ahme auch die Staatsanwa­ltschaft – nicht auf Mord. Der Mann habe keine feste Tötungsabs­icht gehabt, sondern die Handgranat­en aus einer „Unbestimmt­en Gedanken- und Gefühlslag­e heraus“gezündet. Er wollte dann vor Ort seine Freundin und sich töten.

Zehn Jahre Gefängnis wegen Totschlags bei vermindert­er Schuldfähi­gkeit befand am Ende das Schwurgeri­cht.

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SYMBOLFOTO: DPA/

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