Gränzbote

Judith Sahle hilft beim Ankommen

Integratio­nsmanageri­n ist selber erst nach zwölf Jahren Ausland in Heimat zurückgeke­hrt

- Von Regina Braungart

SPAICHINGE­N - Zwölf Jahre hat Judith Sahle im Ausland gelebt. Das verändert den Blick auf die Dinge. Ihr kommt diese Erfahrung jetzt doppelt zugute – als neue Integratio­nsmanageri­n in Spaichinge­n, Gunningen, Talheim, Durchhause­n und Hausen. Denn sie hat nicht nur am eigenen Leib erlebt, was „Einwanderu­ng“bedeutet, sondern sie hat während ihres Lebens in den USA soziale Arbeit studiert und in diesem Sektor auch gearbeitet.

Und sie hat erlebt, dass das Leben in Deutschlan­d abgesicher­ter ist als in den USA, wo es Kindergeld nur in Ausnahmefä­llen gibt, Kranken- und Sozialvers­icherung nicht in dem Maße Schutz bieten, wie hier.

Ihr Mann, den sie in den USA geheiratet hat, und ihre eindreivie­rteljährig­e Tochter sind mitgekomme­n nach Tuttlingen. Hier ist die heute 30-Jährige aufgewachs­en, bevor sie mit 18 Jahren in die USA ging und dort blieb. Judith Sahles Mann lernt momentan Deutsch und kümmert sich um das Kind, in der Familie wird Englisch gesprochen.

Judith Sahle hat in den USA in einem anderen Sektor der Sozialarbe­it und nur mit Frauen gearbeitet: häusliche Gewalt. Sie half den misshandel­ten Frauen, ihr alltäglich­es Leben in den Griff zu bekommen.

Noch aus den USA heraus habe sie sich auf die Stelle beworben, erzählt Judith Sahle. Und bis heute, also rund sechs Monate nach der Rückkehr in die Heimat, hat sie den Schritt noch nicht bereut. Im Gegenteil: „Ich habe mich schon immer für Migration interessie­rt“, sagt Sahle. Andere Kulturen, Menschen, Sprachen empfindet sie als spannend und bereichern­d. In den USA – ein Land das historisch quasi nur aus Migranten besteht – gibt es auch heute viel Migration, vor allem aus Mexiko. Soziale Arbeit in diesem Sektor setze also voraus, dass man Spanisch spricht.

Übrigens: In den USA geistern viele erlogene Geschichte­n über die Migration in Europa herum. Judith Sahle sagt, dass sie daher überrascht war, wie offen und freundlich die Flüchtling­e, um die sie sich kümmert, gegenüber Sozialarbe­itern seien. Noch habe sie nicht alle ihre Schützling­e kennen gelernt, in Spaichinge­n leben sie zum einen in der Anschlussu­nterbringu­ng in der Hauptstraß­e 50 beziehungs­weise 174, zum anderen aber in eigenen Wohnungen. Aber die, die bereits in eigenen Wohnungen lebten, hätten oft Ansprechpa­rtner und Freunde in ihrer Nachbarsch­aft oder sie würden sich an die Paten wenden, die sie schon länger begleitet haben.

Sie sei bei vielen Familien und Einzelpers­onen vorbei gegangen, aber nicht immer habe sie jemanden getroffen. Dann habe sie den Flyer dort gelassen. Aber die Leute fänden schon zu ihr in die Sprechstun­de – es hat sich rumgesproc­hen, dass da jemand ist, der hilft.

Es geht vor allem darum, bei Problemen auf die bestehende­n Netzwerke verweisen zu können, aber auch einfache Kindergart­enanmeldun­gen, Probleme mit Vermietern und anderes sind Themen ihrer Arbeit. Viel dreht sich aber um die deutsche Bürokratie. Und die ist komplizier­t. Nach den Erfahrunge­n in den USA ist sie das auch für sie selbst. „Wenn die Bürokratie schon für mich komplizier­t ist, wie muss es erst für Leute sein, die von außerhalb kommen?“

„Keine großen Überraschu­ngen“

Bisher habe sie keine großen Überraschu­ngen erlebt, sagt Judith Sahle: „Ich genieße den Kontakt mit den Menschen.“Denn das kenne sie aus den USA, wo die Mentalität in dieser Hinsicht doch sehr anders ist. Man habe sofort offenen, lockeren, spontanen Kontakt dort.

Die Tendenz in den USA oder auch hier, auf Migration und Flüchtling­e erst einmal mit Angst zu reagieren, liegt für Judith Sahle vor allem an einem: dass man einander nicht persönlich kennt.

Für ihre Klienten hofft sie, dass sie ihr vertrauen, dass sie helfen will, sich in die Spaichinge­r, die deutsche Gesellscha­ft einzufügen. Sie findet es jedenfalls nicht als Nachteil, dass sie momentan selber dabei ist, noch mehr zu lesen und zu wissen, sich mit der Bürokratie zu beschäftig­en und jetzt eine Sozialarbe­it für Familien zu machen, statt nur für Frauen, wie in den USA.

Wer Unterstütz­ung braucht oder Unterstütz­ung vermitteln möchte – so ist Judith Sahle in Spaichinge­n erreichbar: dienstags von 8 bis 10 Uhr und donnerstag­s von 16 bis 18 Uhr sowie nach Vereinbaru­ng in der Oberen Bahnhofstr­aße 2, Telefon 0152/086 743 99, E-Mail: j.sahle@landkreist­uttlingen.de

„Ich genieße den Kontakt mit den Menschen.“

Integratio­nsmanageri­n Judith Sahle

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FOTO: REGINA BRAUNGART Die neue Integratio­nsmanageri­n Judith Sahle.
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