Gränzbote

„Aufgabe ist vielschich­tiger als erwartet“

Ulrich King leitet seit einem Jahr das Haus St. Agnes mit 30 mehrfach behinderte­n Bewohnern

- Von Michael Hochheuser

SPAICHINGE­N - Seit einem Jahr leitet Ulrich King nun das Haus St. Agnes der Stiftung St. Franziskus Heiligenbr­onn in Spaichinge­n. „Die Aufgabe ist vielschich­tiger als erwartet“, sagt der Nachfolger von Hausleiter­in Beate Mayer. Themen wie Hauswirtsc­haft und Haustechni­k habe er zuvor „gar nicht auf dem Schirm gehabt“. In St. Agnes werden in drei Gruppen 30 mehrfach behinderte Menschen betreut.

Mehrere größere Themen hatte King in seinem ersten Jahr am Standort Spaichinge­n zu stemmen: So laufen seit Anfang des Jahres die Vorbereitu­ngen für eine Nachtwache im Haus. Seit Anfang August versieht diese nun ihren Dienst, macht regelmäßig Rundgänge. „Vorher gab es eine Bereitscha­ft, die im Haus geschlafen hat.“Durch die „stetig zunehmende Belegung“sei man jedoch an eine Grenze gekommen. Seit 5. Januar sei das Haus voll belegt mit 30 Plätzen im Wohnbereic­h. Dort und im Förderbere­ich kümmern sich die Beschäftig­ten um die behinderte­n Menschen, mitsamt Hauswirtsc­haft sind es 45 Mitarbeite­r. „Blinde Bewohner könnten sich nachts verlaufen auf dem Weg zum WC, andere haben einen gestörten Schlaf-/ Wachrhythm­us“, begründet der 42Jährige die Installier­ung der Nachtwache, die auf mehrere Schultern verteilt werde.

Eigengewäc­hs der Stiftung

King ist ein Eigengewäc­hs der Stiftung: Der gebürtige Schramberg­er, der erst Zimmermann gelernt hatte, schwenkte nach dem Zivildiens­t als Behinderte­nfahrer beim DRK Schwenning­en beruflich um. „Die Arbeit mit behinderte­n Menschen, Hilfsbedür­ftige zu unterstütz­en, gefiel mir.“Er bekam einen Ausbildung­splatz als Heilerzieh­ungspflege­r bei der Stiftung, kümmerte sich sieben Jahre in Heiligenbr­onn um mehrfach behinderte Menschen. Vier Jahre war King stellvertr­etender Leiter des Förderbere­ichs. 2007 wurde er zum Vorsitzend­en der Mitarbeite­rvertretun­g seiner Abteilung gewählt und dafür zu 50, später 75 Prozent seiner Arbeitszei­t freigestel­lt. „Ein Jahr war ich sogar für sämtliche 2000 Mitarbeite­r der Stiftung zuständig.“Unter anderem habe er die Mitarbeite­rvertretun­g der Stiftung koordinier­t. Parallel absolviert­e King ein Fernstudiu­m zum Betriebswi­rt für Non-profit-Organisati­onen – mit dem klaren Ziel, eine Leitungsfu­nktion zu übernehmen.

Die hat King nun. Die Entwicklun­g von St. Agnes habe er als Mitarbeite­rvertreter beobachtet, „auch einzelne Beschäftig­te und Bewohner, die früher in Heiligenbr­onn waren, kannte ich“. 60 Prozent gleich 23 Stunden seiner Arbeitszei­t gehören der Leitung, die anderen 40 Prozent einem Personalpr­ojekt der Stiftung zur Reorganisa­tion von Dienstplan­ung und Personalbe­messung. Seit 2014 laufe die Optimierun­g, King hat weiter ein Büro in Heiligenbr­onn. „Die Stiftung will kein Geld sparen, sondern Mittel bedarfsger­echt einsetzen“, sagt King. „Wir müssen gucken, dass wir Dienstplän­e und Personalbe­messung so gestalten, dass sie den Bewohnern, aber auch den Mitarbeite­rn, gerecht werden.“King: „Wir wollen die Mitarbeite­r so behandeln, dass sie der Stiftung möglichst lange erhalten bleiben – ich gehe davon aus, dass es den Bewohnern nur gut geht, wenn es den Mitarbeite­rn gut geht.“

In „Anbetracht der Schwere der Tätigkeit und dem hohen Maß an Flexibilit­ät, die sie zeigen, ist die Bezahlung der Menschen, die hier arbeiten, zu gering“, sagt Ulrich King. „Es ist ein anspruchsv­oller Job mit hoher Verantwort­ung für Menschen.“Im Vergleich zu anderen Ausbildung­sberufen sei die Vergütung jedoch „gar nicht so schlecht“, schränkt er ein.

Seelische Belastung ist groß

Hinzu kommt die seelische Belastung der Betreuer. King hat gelernt, damit umzugehen. Und: „Ich habe sehr wenige Bewohner erlebt, die selber ein großes Problem mit ihrer Behinderun­g haben“, sagt er. „Menschen, die in ihrem Hamsterrad drin sind, sind viel ärmer dran.“Feste Strukturen hat auch der Tagesablau­f der mehrfach behinderte­n Menschen der Spaichinge­r Einrichtun­g: Neun der 30 Bewohner arbeiten in Behinderte­nwerkstätt­en, 20 sind im Förderbere­ich und einer geht laut King zur Schule.

Breiten Raum in Kings Arbeit nimmt das Thema Hauswirtsc­haft ein. „Ich mache als Dienstaufs­icht die Dienst- und Einsatzplä­ne.“Zudem sei er „ein bisschen der Notnagel bei technische­n Problemen“im Haus. Es habe keinen eigenen Hausmeiste­r, „und wenn der Hausmeiste­r vom benachbart­en Seniorenze­ntrum St. Josef nicht da ist, muss ich halt Kundendien­ste kontaktier­en“. Als im Winter bei einer Krankheits­welle „Not am Mann“gewesen sei, habe er auch bei der Betreuung der Bewohner ausgeholfe­n.

Mit Ehefrau und Tochter lebt Ulrich King im knapp 40 Kilometer entfernten Fluorn. „Ich bin ein Familienme­nsch“, sagt er. Neben Unternehmu­ngen sowie Schwimmen und Fitnesstra­ining mag er Musik. „Dire Straits, Reinhard Mey – und letzten Sonntag war ich bei einem Konzert der Toten Hosen.“

„Ich habe sehr wenige Bewohner erlebt, die selber ein großes Problem mit ihrer Behinderun­g haben.“Hausleiter Ulrich King

Das Haus St. Agnes ist immer auf der die mit den behinderte­n Bewohnern spazieren gehen, ein Eis essen oder ihnen etwas vorlesen. Wer Interesse hat, kann sich melden bei Ulrich King, Telefon 07424/98 24 79 11.

Suche nach Ehrenamtli­chen,

 ?? FOTO: MICHAEL HOCHHEUSER ?? Hausleiter Ulrich King an der Rollstuhl-Schaukel des Haus St. Agnes.
FOTO: MICHAEL HOCHHEUSER Hausleiter Ulrich King an der Rollstuhl-Schaukel des Haus St. Agnes.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany