Gränzbote

„Das Abenteuer hat mich gereizt“

Die Spaichinge­rin Tamara Stoll meldet sich zum Freiwillig­endienst in Albanien

- Von Caroline Messick

SPAICHINGE­N - Von Zuhause rauskommen, die Welt sehen, sich weiterentw­ickeln – ein Ziel, das viele Jugendlich­e für die Zeit nach der Schule haben. Tamara Stoll aus Spaichinge­n hat einen solchen Tapetenwec­hsel gewagt – beim Freiwillig­endienst in Albanien.

„Ich wollte schon immer mal ins Ausland, das war schon immer ein Traum von mir“, sagt die junge Spaichinge­rin. Dass sie ihre ersten eigenen Erfahrunge­n fernab von Zuhause in Albanien machen würde, war aber eher Zufall. Im Internet suchte die Abiturient­in nach seriösen Organisati­onen und stieß auf „Kulturweit“, ein Freiwillig­endienst des Auswärtige­n Amts, der in Zusammenar­beit mit der Deutschen Unesco-Kommission eingericht­et wurde. Stoll bewarb sich, die Organisati­on schlug ihr Albanien vor, wo sie an einer Schule beim Deutschunt­erricht assistiere­n sollte. „Dann konnte ich nur noch ja oder nein sagen“, sagt Stoll – und sie entschied sich dafür, obwohl die erste Internetre­cherche über das Balkanland nicht gerade vielverspr­echende Ergebnisse geliefert habe: „Es gab nicht allzu viel über Albanien, außer Drogenprob­leme und Korruption.“Abschrecke­n ließ sie sich davon nicht: „Das Abenteuer hat mich dann doch gereizt.“

Knapp 2000 Kilometer

Und so kehrte die damals frisch gebackene Abiturient­in Spaichinge­n für ein halbes Jahr den Rücken und machte sich auf in ein knapp 2000 Kilometer entferntes Land – ohne sich vorher groß über ihr Reiseziel informiert zu haben. „Ich bin schon ein bisschen naiv an die Sache rangegange­n“, räumt die 20-Jährige ein. Erst während des Vorbereitu­ngsseminar­s mit anderen Mitreisend­en hätte sie gemerkt, dass sie vorab noch besser hätte recherchie­ren können; über das Land, die Leute und deren Gepflogenh­eiten.

Vom ersten Eindruck ihrer neuen Heimat Tirana, der Hauptstadt Albaniens, war sie erst einmal etwas erschlagen – und zwar vom Verkehr. „Es ist wirklich schwer zu beschreibe­n. Man kennt das ja von südlichen Ländern, Italien oder so, dass es da chaotisch zugeht, aber Albanien hat nochmal eins draufgeset­zt.“

Es dauerte auch nicht lang, bis Stoll in das erste Fettnäpfch­en trat. In ihrer ersten Woche sei sie mit dem Ansprechpa­rtner der Schule und dessen Frau essen gegangen. Als sie sich setzten, stellte die Spaichinge­rin ihre Handtasche neben sich auf den Boden. Anders als in Deutschlan­d kommt das in Albanien einem Fauxpas gleich: Dort stelle man wohl die Tasche immer auf den Stuhl neben sich; ob aus Tradition, Aberglaube oder einfach nur, um dem Schmutz des Bodens zu entgehen, weiß Stoll nicht genau; da habe es mehrere Versionen gegeben.

Der Empfang an ihrer Schule lief dafür umso besser. „Das Kollegium hat mich freundlich empfangen und die Schüler waren alle echt nett“, erinnert sich Stoll. Wobei es ihr am Anfang schwer gefallen sei, den richtigen Draht zu ihren Schülern zu finden, denen sie Deutsch beibrachte: „Ich wusste erst noch nicht genau, welche Rolle ich spiele: Lehrerin oder Freundin.“Am Ende sei es irgendetwa­s dazwischen geworden.

Eines ihrer schönsten Erlebnisse hatte Stoll mit anderen Reisenden, die ebenfalls über „Kulturweit“einen Freiwillig­endienst im Balkan absolviert­en. „Bei einem Zwischense­minar in Serbien haben sich alle Kulturweit-Leute getroffen. Dort haben wir über unsere jeweilige Situation vor Ort reflektier­t, was gut läuft und was man dort verbessern kann.“Außerdem erkundete sie mit einer Freundin Belgrad, machte einen Urlaub in Budapest und war sogar kurz im Kosovo.

Trotz der vielen neuen Eindrücke – Heimweh war selbst für die damals reiselusti­ge 19-Jährige ein Thema. Unter anderem über ihren Blog hielt sie Kontakt zu ihrer Familie in Spaichinge­n. Darin berichtete sie von Beginn der Reise an über einzelne Erlebnisse und schrieb ihre Gefühle nieder. „Das hat mir geholfen, zu reflektier­en.“Die fleißigste­n Leser seien natürlich die Eltern und ihre Freunde gewesen. Auch den Abschied hat sie in ihrem Blog festgehalt­en.

Der sei ihr am Ende schwerer gefallen als gedacht: „Ich dachte, die Vorfreude auf Zuhause ist größer als die Trauer, dass ich gehe.“Überwunden hat sie diese Trauer mithilfe ihrer zukünftige­n Reisepläne „Ich will nochmal dorthin, meine Freunde besuchen und mir noch den Süden Albaniens ansehen und das Land an sich noch mehr erleben.“Der Abschied von Albanien war also kein Abschied für immer.

„Das Kollegium hat mich freundlich empfangen und die Schüler waren alle echt nett.“Tamara Stoll über Albanien

 ?? FOTO: TAMARA STOLL ?? Viel herumgekom­men: Tamara Stoll bereiste während ihres Freiwillig­endienstes in Albanien auch andere Teile des Balkan. Hier steht sie am Bahnhof in Sremski Karlovci, Serbien.
FOTO: TAMARA STOLL Viel herumgekom­men: Tamara Stoll bereiste während ihres Freiwillig­endienstes in Albanien auch andere Teile des Balkan. Hier steht sie am Bahnhof in Sremski Karlovci, Serbien.
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