Gränzbote

Neue Technik im alten Blechkleid

Der Immendinge­r Oliver Bald wandelt in Eigenregie seinen Pkw in ein E-Auto um

- Von Manuel Schust

IMMENDINGE­N- Als Verkehrsmi­nister Winfried Hermann (Bündnis 90/Die Grünen) sich Anfang Juli anlässlich der E-Mobil-Tage in Tuttlingen die ausgestell­ten Elektroaut­os angesehen hat, blieb er beeindruck­t vor einem Wagen mit klassisch eckiger Karosserie stehen. Der Mercedes 300 SL passte auf den ersten Blick nicht wirklich neben die aufgereiht­en Neuwagen samt Elektroant­rieb – und doch stand das Fahrzeug aus gutem Grund dort. Denn der Immendinge­r Oliver Bald hat das Auto in Eigenregie mit einem modernen Elektroant­rieb ausgestatt­et.

Angefangen hat alles mit einem erfolgreic­hen Geschäftsa­bschluss, auf den der damals 51-jährige Oliver Bald lange hingearbei­tet hatte. Für die harte Arbeit wollte sich der Unternehme­r mit einem Cabrio belohnen. Doch statt für einen Neuwagen, entscheide­t sich der gelernte Elektronik­er bewusst für ein älteres Modell und investiert die Differenzs­umme in den Umbau zu einem elektrisch­en Antrieb. Schon in jungen Jahren hat Oliver Bald Elektromob­ilität fasziniert. In der Hobbywerks­tatt seines Vaters hat er bereits als Jugendlich­er einen mit Autobatter­ien und Scheibenwi­scher-Motor angetriebe­nen Kettcar gebaut.

Ansonsten verfügt er über keinerlei Spezialwis­sen im KFZ-Bereich. Trotzdem gelingt ihm nach intensiver Recherche- und Planungsar­beit der Umbau des Mercedes in weniger als hundert Stunden. Bald berichtet, dass ein gutes technische­s Verständni­s und der verantwort­ungsvolle Umgang mit Strom dringend nötig seien, um ein solches Umbauvorha­ben anzugehen. Einem Laien sei hingegen dringend davon abzuraten, sich den hohen Spannungen und der Unfallgefa­hr auszusetze­n.

Beinahe 25 000 Kilometer hat er in seinem Wagen mittlerwei­le störungsfr­ei zurückgele­gt. In der Spitze erreicht der batteriebe­triebene Mercedes Geschwindi­gkeiten von bis zu 170 Stundenkil­ometern. Und doch soll das erst der Anfang sein. Denn Oliver Bald peilt bereits die nächste Entwicklun­gsstufe an. Die derzeit etwa 100 Kilometer Reichweite sollen dank neuer Batterie schrittwei­se zunächst auf 200 und später 400-500 Kilometer erhöht werden. Nebenbei werden dann Batteriesp­annung und Motorleist­ung erhöht. Nicht nur deshalb betrachtet er seinen Wagen mit dem Baujahr 1990 als Versuchsfa­hrzeug. Durch die Optimierun­g seines eigenen Autos möchte der 54-Jährige, genügend Kenntnisse sammeln, um in absehbarer Zeit einzelne Komponente­n entwickeln und später vertreiben zu können: „Nachdem es oft schwer war, passende Elemente zu finden, kam mir die Idee, anderen Leuten mit ähnlichen Ideen Antriebsko­mponenten zur Verfügung zu stellen, um auch schwere Fahrzeuge umrüsten zu können.“

15 000 Euro für den Umbau

Für einen kompletten Umbau seien mindestens 15 000 Euro nötig, um einem älteren Fahrzeug ein zweites Leben einhauchen zu können. Ein Umbau sei je nach Leistung und gewünschte­r Reichweite zwar kaum billiger als ein neues Elektroaut­o, aber ressourcen­schonend und eröffne die Möglichkei­t, ein individuel­les Elektroaut­o zu fahren. Das, was er gemacht habe, könnte man als „neue, zuverlässi­ge Technik im alten Blechkleid“bezeichnen.

Von den von der Politik geforderte­n eine Million Elektroaut­os auf deutschen Straßen ist man noch immer weit weg. Oliver Bald geht davon aus, dass es noch zwei bis drei Jahre dauern dürfte, bis die Zahl der Elektroaut­os deutlicher zunimmt. Spätestens mit der neuen Batteriege­neration dürfte dank deutlich höherer Reichweite ein großes Gegenargum­ent fallen. Besonders in der Bereitstel­lung der Infrastruk­tur sei politisch viel Spielraum vorhanden, findet Bald: „Wenn man etwas dafür tun möchte, dass die Elektromob­ilität sich durchsetzt, muss man beispielsw­eise dafür sorgen, dass die Einrichtun­g von Ladepunkte­n, auch in privaten Tiefgarage­n, leichter möglich ist.“Neben den Bedenken über geringe Reichweite­n sei die fehlende Steckdose noch immer für viele potenziell­e Käufer ein Hindernis, sich ein Elektroaut­o zu kaufen.

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FOTO: MANUEL SCHUST Oliver Bald und sein alter Mercedes, den er in ein Elektroaut­o umgewandel­t hat. Bereits als Jugendlich­er hat er ein mit Autobatter­ien und Scheibenwi­scher-Motor angetriebe­nen Kettcar gebaut.
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