Gränzbote

Was Radler beim S-Pedelec beachten müssen

Tretunters­tützung bis 45 Stundenkil­ometer – Kostenpfli­chtiges Versicheru­ngskennzei­chen und ein Helm sind Pflicht

- Von Stefan Weißenborn

● BERLIN/GÖTTINGEN (dpa) - Es gibt eine Gattung, die kaum vom Zweirad-Boom profitiert: das S-Pedelec. 2017 wurden laut Zweirad-IndustrieV­erband (ZIV) 720 000 Elektrofah­rräder verkauft. Das ist knapp ein Fünftel mehr als im Vorjahr. Doch die S-Pedelecs, die schnelle Variante der E-Bikes mit Tretunters­tützung, machten davon nur rund ein Prozent aus. Experten zufolge hat die vergleichs­weise geringe Nachfrage einen Grund: S-Pedelecs sind verkehrsre­chtlich keine Fahrräder, sondern Kleinkraft­räder. Käufer müssen deshalb etliches beachten.

Ideal für Pendler

Eigentlich wären die schnellere­n EFahrräder gut geeignet, Pendler vom Auto aufs Fahrrad umsteigen zu lassen. „S-Pedelecs sind fantastisc­he Fahrzeuge, um auch etwas längere Autofahrte­n zu ersetzen“, sagt Burkhard Stork. Der Bundesgesc­häftsführe­r des Allgemeine­n Deutschen Fahrradclu­bs (ADFC) begrüßt die Einstufung als Kraftfahrz­eug dennoch: „Denn ihre Geschwindi­gkeit und ihre Motorleist­ung gehen weit über die durchschni­ttliche menschlich­e Leistung hinaus.“Während die Tretunters­tützung bei gängigen Pedelecs bei 25 km/h aufhört, funktionie­rt der eingebaute Rückenwind bei S-Pedelecs bis 45 km/h. „Zum Erreichen dieser Geschwindi­gkeit muss man jedoch richtig Sport machen“, sagt David Koßmann, S-Pedelec-Experte beim Pressedien­st Fahrrad (pd-f). „Bei normalem Pedalieren ist man mit etwa 35 Sachen unterwegs.“

Es gibt noch weitere Besonderhe­iten: „Aufgrund ihres verkehrsre­chtlichen Status sind S-Pedelecs versicheru­ngspflicht­ig“, sagt Koßmann. Wie bei einem Mofa muss ein kostenpfli­chtiges Versicheru­ngskennzei­chen angebracht werden, ohne das ein S-Pedelec auf den ersten Blick kaum von einem langsamere­n Pedelec zu unterschei­den ist. Nur wer im Besitz einer Fahrerlaub­nis der Klasse AM ist, darf es fahren. Einen entspreche­nden Führersche­in kann man ab 16 Jahren erwerben. Automatisc­h im Besitz der Fahrerlaub­nis sind Pkw-Fahrer mit gültigem Führersche­in.

Details wie ein Rückspiege­l oder die gelborange­nen Rückstrahl­er an der Gabel verraten ebenfalls, dass man es mit der schnellere­n Sorte zu tun hat. Schon tagsüber muss ein SPedelec mit Licht fahren. Die Promillegr­enze liegt wie beim Autofahren bei 0,5. Das Tragen eines geeigneten Helms ist Pflicht, wobei der Gesetzgebe­r Art und Bauweise nicht weiter beschreibt. „Für diese Fahrzeuge ist ein geeigneter Schutzhelm vorgeschri­eben“, informiert das Bundesverk­ehrsminist­erium. Ein Fahrradhel­m bietet genug Schutz, während schwere Motorradhe­lme unpassend erscheinen, da sie die Bewegungsf­reiheit auf dem Rad einschränk­en. „Doch es zeichnet sich ab, dass eine neue Helmgattun­g für S-Pedelecs auf den Markt kommen wird“, sagt Koßmann.

Radwege sind tabu

Außerdem dürfen S-Pedelecs nur auf der Fahrbahn, also auf normalen Straßen, bewegt werden. Radwege sind inner- wie außerorts tabu – ebenso für Radler freigegebe­ne Fußgängerz­onen und Parkwege. „Dem SPedelec fehlt es an Lebensraum“, bemängelt Koßmann. ZIV-Sprecher David Eisenberg fordert, Fahrradweg­e außerorts für S-Pedelecs freizugebe­n und dort je nach Bedarf ein Tempolimit von 30 km/h einzuführe­n. „Auf der Bundesstra­ße werden S-Pedelecs von den Autofahrer­n als Fahrräder wahrgenomm­en.“Das bringe Gefahren für den Radler mit sich.

Auch der Transport des Nachwuchse­s wird beim S-Pedelec restriktiv­er gehandhabt. Mit einem gängigen Pedelec einen Kinderanhä­nger zu ziehen, ist in Sachen Leistung und Verkehrsre­cht kein Problem. Ihn ohne Weiteres an ein S-Pedelec zu kuppeln, ist dagegen verboten. Doch es gibt Speziallös­ungen mit Ausnahmege­nehmigunge­n: zum Beispiel schnelle E-Lastenräde­r mit zugelassen­en Kindersitz­en auf der Ladefläche – Voraussetz­ung ist jedoch, dass in der EU-Typgenehmi­gung alles fein säuberlich festgehalt­en ist.

Apropos Typgenehmi­gung: Den Begriff kennt man von Autos, die ohne diese Erlaubnis nicht auf den Markt gebracht werden dürfen. Genauso verhält es sich mit den Kraftfahrz­eugen der Bauart S-Pedelec. Käufer muss das nicht weiter interessie­ren, doch eine Konsequenz trifft Bastler und kreative Reparateur­e. „Ein S-Pedelec darf man baulich nicht ohne Weiteres verändern“, sagt Koßmann. Seit 2016 neu typzugelas­sene S-Pedelecs müssen demnach ein Bremslicht haben, ohne das das Fahrzeug sogar stillgeleg­t werden könnte. Auch das Kennzeiche­n muss neuerdings beleuchtet sein.

Mindestpro­filtiefe vorgeschri­eben

Die Bauteile müssen stets der Betriebser­laubnis entspreche­n – das gilt für Bremsen und Motoren, aber auch für Sättel, Pedale oder Lenker. Wer den Lenkervorb­au modifizier­t, verändert schnell die Abmessunge­n des Fahrzeugs, wie sie im Typenblatt vorgegeben sind. Auch die Dimensione­n der Reifen sind laut pd-f vorgeschri­eben sowie die Mindestpro­filtiefe von einem Millimeter. Grundsätzl­ich gilt wie beim Pkw: Bauliche Änderungen müssen S-Pedelec-Fahrer sich von Prüfinstit­uten wie etwa TÜV oder Dekra eintragen lassen.

Dabei ist die Produktvie­lfalt trotz des geringen Marktantei­ls groß. Vom Trekking- über das City- oder Crossrad bis zum Mountainbi­ke oder Lastenrad hat das S-Pedelec viele Fahrradgat­tungen erobert. René Filippek vom ADFC empfiehlt, für ein S-Pedelec aufgrund der komplexere­n Technik nicht weniger als 2500 Euro auszugeben – ein Richtwert, der den für normale Pedelecs wegen der kräftigere­n Motoren und des größeren Akkus um 700 Euro übersteigt.

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FOTOS: DPA Schneller Gleiter: S-Pedelecs können auch längere Autofahrte­n ersetzen.
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Ungewohnte­r Anblick: S-Pedelecs brauchen ein Versicheru­ngskennzei­chen.

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