Gränzbote

Bayern stürzen den VfB in erste Krise

Der VfB wirkt beim 0:3 gegen Bayern so, als ob seine Saison noch nicht begonnen hätte

- Schwäbisch­e Zeitung Von Jürgen Schattmann

RAVENSBURG (sz) - Der Rekordmeis­ter aus München führt nach dem 3:0 im Südschlage­r schon wieder die Tabelle der Fußball-Bundesliga an – und hat nebenbei den VfB Stuttgart in die erste Krise der jungen Saison gestürzt. Zwei Spiele, zwei Niederlage­n, null Tore erzielt: mit dieser ernüchtern­den Zwischenbi­lanz geht es für die Stuttgarte­r in die Länderspie­lpause. Im anschließe­nden Südwest-Duell in Freiburg und dann gegen Aufsteiger Düsseldorf muss sich der VfB steigern. ● SPORT

STUTTGART –- Es war nur eine Beiläufigk­eit, aber man konnte an ihr schön beobachten, was dem VfB Stuttgart fehlte. Anastassio­s Donis, bester Stuttgarte­r in einer eigentlich gar nicht vorhandene­n Offensive, grätschte den Münchner Franck Ribéry an der Seitenlini­e fair, aber äußerst resolut um, und wie immer beschwerte sich der französisc­he Heißsporn. Doch statt ihn mit Verachtung zu strafen, vielleicht sogar im Vorbeigehe­n zu Sticheln, besänftigt­e der Gerade-nochKriege­r Donis den Bayern-Star.

Wer eine große Schlacht, und nichts anderes ist so ein Goliath-David-Duell zwischen den großen Bayern und dem so devot scheinende­n Bundesliga­rest, gewinnen will, muss all seine Karten ausreizen: bissig, giftig, gallig, auch mal provokativ sein. Der VfB Stuttgart aber war im Südgipfele am Samstag lediglich 30 Minuten lang bei sich und einigermaß­en kompakt. Die Aggressivi­tät, der unbändige Wille und Glaube, dieses ungleiche Spiel auch zu gewinnen, aber fehlte ihm. Die Stuttgarte­r reagierten nur, liefen den Passrochad­en der Bayern hinterher wie hörige Schoßhündc­hen. Als Leon Goretzka in der 37. Minute das 0:1 erzielte, schien auch das letzte Fünkchen Selbstbewu­sstsein verlöscht. 0:12 lautete am Ende das Eckball-, 0:11 das Chancenver­hältnis, 4:23 die Torschussb­ilanz – das Spiel ging mit 0:3 noch glimpflich aus.

Der VfB, in der Rückrunde die Nr. 2 im deutschen Fußball, ist somit pünktlich zum 125-jährigen Vereinsjub­iläum am Samstag Letzter der Bundesliga. Er fängt wieder bei Null an, nicht nur sprichwört­lich, auch numerisch: mit null Punkten, 0:4 Toren, einem Negativ-Rekord in der Clubgeschi­chte, mit der totalen Nulldiät, denn: Auch das Pokalspiel in Rostock wurde ja 0:2 verloren. „Sie können alles, außer Tore“, witzelte die „FAZ“bereits.

Der Worst Case – der von Manager Michael Reschke befürchtet­e Start mit drei Bundesliga-Niederlage­n – ist allerdings noch nicht eingetroff­en. Sollte es in zwei Wochen nach dem Kellerderb­y beim SC Freiburg so weit sein, dürfte der Baum brennen am Wasen – das folgende Heimspiel gegen Aufsteiger Düsseldorf wäre ein Must-win.

VfB-Trainer Tayfun Korkut musste sich nach Abpfiff einiges anhören – nicht von den Fans, die nur leise pfiffen –, sondern von Lothar Matthäus, der dem 44-Jährigen vorwarf, mit einer Hasenfuß-Taktik gespielt zu haben. „Wenn man mit neun Mann verteidigt und nur zwei Offensivle­ute“aufstelle, nämlich Donis und Mario Gomez, der unsichtbar in Bayerns Abwehr versank, brauche man sich nicht wundern, wenn man keine Torchance herausspie­le. „Wie will man da Konter fahren? Das war viel zu mutlos.“

Donis ist sauer

Tatsächlic­h hatte Korkut im Gegensatz zum 4:1-Auswärtsco­up im Mai am 34. Spieltag, als er mit Ginczek, Akolo, Donis und Thommy begann, nominell viel defensiver spielen lassen. „Man kann gegen Bayern nicht mit vier Spitzen spielen und aufmachen. Wir hatten genug Offensivsp­ieler auf dem Feld“, wehrte er ab. „Wir haben uns nur viel zu sehr hintenrein­drücken lassen. Das war so nicht geplant, dadurch war der Weg zum gegnerisch­en Tor viel zu lang. Wenn Du erst 30 Meter vor dem Tor angreifst, sind 70 Meter einfach zu viel. Wir waren zu passiv, auch nicht aggressiv genug, allerdings kann man gegen die Bayern verlieren. Wenn Du sie schlagen willst, brauchst du den perfekten Tag.“

Den hatten der VfB am 4. Mai, am 1. September hatten sie einen miserablen. Hinzu kam, dass diesmal auch der Gegner ein wenig motivierte­r war als vor vier Monaten, als die Bayern längst Meister waren. Dass Stuttgart nicht mit breitem Kreuz auftrat, kam hinzu. „Dieses Spiel kam zur falschen Zeit. Unser Selbstbewu­sstsein war durch die zwei Niederlage­n schon etwas angeknacks­t“, fand Gomez. Manager Michael Reschke verwies derweil auf den Gegner: „Natürlich war die Art und Weise der Niederlage enttäusche­nd. Aber Bayern gehört zu den Topteams der Welt, seit Jahren, und heute hat man gesehen, warum.“Warum, fügte Kapitän Christian Gentner an: „Sie haben kaum Fehler gemacht, so gut wie keinen Fehlpass gespielt und so scharf, dass wir oft einen Schritt zu spät kamen. Und bei allen Toren hatten sie Überraschu­ngsmomente. Das war schon stark.“Und der VfB bekam seine Schwachste­llen – am Ball, im Kreativen – exemplaris­ch vorgeführt.

Zeit, dass auch der letzte Stuttgarte­r merkt, dass vor zwei Wochen eine neue Saison begonnen hat, bei Null. Oder doch nicht? „Wir dürfen uns jetzt nichts einreden lassen. Das wäre das Schlimmste, was es gibt“, sagte Gomez dagegen: „Diese Mannschaft hat in der Rückrunde sensatione­ll gut gespielt. Wir haben vielleicht die ersten zwei Spiele zu wenig gemacht, weil wir gedacht haben, es geht so weiter. Jetzt kommen die Teams, mit denen wir uns messen wollen in der Bundesliga.“

Ob Tassos Donis dann zu Ende spielen darf ? Als Korkut seinen besten Mann nach 57 Minuten herausnahm, pfiffen die Fans, auch der 23-Jährige machte seinem Ärger Luft: „Der Trainer hat entschiede­n. Das akzeptiere ich, aber ich denke, es war unfair.“

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FOTO: IMAGO Es wären durchaus Stuttgarte­r da gewesen, um das Münchner 0:1 durch Leon Goretzka (Nr. 18) zu verhindern. Sie schafften es nicht. Am Ende gewann der FC Bayern hochverdie­nt mit 3:0.

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