Gränzbote

Abrechnung mit Trump

Trauerfeie­r für McCain als Zeichen gegen den Präsidente­n

- Von Frank Herrmann

WASHINGTON (AFP) - Mit einer bewegenden Trauerfeie­r für den verstorben­en US-Senator John McCain hat das politische Washington ein Zeichen der überpartei­lichen Einigkeit gegen Präsident Donald Trump gesetzt. Trump, der auf Wunsch McCains nicht eingeladen war, ging währenddes­sen Golf spielen.

Die früheren Präsidente­n Barack Obama und George W. Bush vermieden es, den abwesenden Präsidente­n beim Namen zu nennen. Dennoch durchzog Kritik an Trumps polarisier­endem Politiksti­l die Ansprachen in der Washington­er Nationalka­thedrale.

Die schärfste Distanzier­ung kam von McCains Tochter Meghan, die auf Trumps Wahlkampfs­logan „Macht Amerika wieder groß“anspielte: „Das Amerika von John McCain muss nicht wieder groß gemacht werden, denn das war es schon immer“, sagte sie und erhielt dafür anhaltende­n Applaus.

WASHINGTON - Ein grasbewach­sener Hügel, von dessen Kuppe der Blick auf eine malerische Küstenland­schaft geht. Unten fließt der College Creek auf den majestätis­ch breiten Severn River zu. In der Ferne Segelschif­fe und pfeilschla­nke Kirchturms­pitzen. Es ist ein idyllische­s Fleckchen Erde, das sich John McCain für sein Grab ausgesucht hat. Am Sonntag wurde er dort beigesetzt. McCain ist vor einer Woche im Alter von 81 Jahren gestorben.

Die Zeremonie im kleinen Kreis ist ein Kontrast zu den öffentlich­en und sehr politische­n Feiern in Washington. Sie machten den Abschied von dem streitlust­igen Senator zu einer Rebellion gegen den Nationalis­mus des US-Präsidente­n Donald Trump. McCain wollte es so. Die Trauertage in der Hauptstadt sollten Protest sein gegen das „America first“Trumps.

Aus diesem Grund hat Anne Flores am Freitag stundenlan­g vor dem Kapitol in einer langen Warteschla­nge gestanden. Sie sei gekommen, um einen Großen zu ehren, sagt die 66-Jährige aus Arizona, dem Bundesstaa­t, den McCain im US-Senat vertrat. „Aber das ist es nicht allein. Ich wollte auch zu denen gehören, die schon durch ihre Anwesenhei­t zeigen, wie sehr sie das Verhalten unseres Präsidente­n verachten“, sagt Flores.

Ein weiterer Besucher stellt ein selbstgema­ltes Poster zur Schau: „POW McCain Hero – Trump Coward“. Der Kriegsgefa­ngene McCain ein Held, Trump ein Feigling. Trump ließ sich eine Fußkrankhe­it attestiere­n, um sich während des Vietnamkri­egs vor der Einberufun­g zu drücken. McCain verbrachte fünfeinhal­b Jahre in einem Gefängnis in Hanoi, wurde gefoltert. Auffallend viele Vietnamvet­eranen, Militärmüt­zen auf den Köpfen, harren stundenlan­g unter sengender Sonne aus, um im Kapitol für ein paar Sekunden an McCains Sarg zu stehen.

Trump ist nicht eingeladen

Donald Trump muss am Fernseher im Weißen Haus zuschauen, wie am Sonnabend viel Prominenz in der National Cathedral einen seiner schärfsten Kritiker würdigt. Er selber ist nicht eingeladen und lässt sich durch seine Tochter Ivanka und den Schwiegers­ohn Jared Kushner vertreten. Noch bevor seine beiden Vorgänger, Barack Obama und George W. Bush, von der Kathedrale­nkanzel reden, fährt er in einen seiner Golfclubs. Und ohne Trump auch nur ein einziges Mal beim Namen zu nennen, rechnet Obama mit Trump ab. „So vieles in unserer Politik, in unserem öffentlich­en Leben, in unserem öffentlich­en Diskurs kann gemein und kleinlich erscheinen, ins Bombastisc­he und Beleidigen­de ausufernd, in vorgetäusc­hte Kontrovers­en und künstliche Empörung.“So etwas spiele Tapferkeit vor, sei aber aus der Angst geboren – „John hat an uns appelliert, größer zu sein, besser zu sein.“

Gerade in der Außenpolit­ik habe er oft nicht mit ihm übereinges­timmt, sagt der Ex-Präsident über den Republikan­er, der Interventi­onen wie die im Irak befürworte­te und die USA in der Pflicht sah, Freiheit notfalls mit Waffengewa­lt zu verbreiten.

Dennoch habe McCain verstanden, dass Amerikas Einfluss in der Welt nicht allein auf militärisc­her Macht beruhe, nicht allein auf Wohlstand, nicht allein auf der Fähigkeit, anderen seinen Willen aufzuzwing­en. Sondern auf der Fähigkeit, andere zu inspiriere­n und selber an Werten festzuhalt­en, die für alle gelten sollten. Bush, der McCain im Jahr 2000 im innerparte­ilichen Duell um die Präsidents­chaftskand­idatur besiegte, spricht von der Würde, die jedem Menschenle­ben innewohne und die sein einstiger Kontrahent aus innerster Überzeugun­g respektier­t habe. „Eine Würde, die nicht an Grenzen haltmacht und nicht von Diktatoren ausgelösch­t werden kann.“

Doch es ist Meghan McCain, die 33 Jahre alte Tochter des Toten, die unter Tränen am eindringli­chsten Klartext redet. „Wir sind zusammenge­kommen, um den Verlust amerikanis­cher Größe zu betrauern“, beginnt sie. „Das wahre Ding“, nicht die billige Rhetorik von Leuten, die nie auch nur in die Nähe der Opfer kamen, die ihr Vater so bereitwill­ig erbracht habe. Nicht die opportunis­tische Besitzergr­eifung durch jene, die ein Leben in Bequemlich­keit und Privilegie­n führten, während ihr Vater gelitten und gedient habe. Das Amerika John McCains sei großzügig, es habe offene Türen, es sei kühn, fügt sie später hinzu. Amerika prahle nicht, weil es Angeberei nicht nötig habe. Dann spielt sie auf das „Make America Great Again“an, Trumps auf Millionen roter Baseballka­ppen verewigten Slogan. „Das Amerika John McCains muss nicht wieder groß gemacht werden, denn groß war es schon immer.“

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FOTO: AFP Familie, Freunde und politische Weggefährt­en nahmen am Wochenende Abschied von John McCain.

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