Gränzbote

„Aufstehen“: Für die Etablierte­n bedeutet das nichts Gutes

- Von Annette Reuther

Sie gedeihen häufig auf dem Nährboden des Frusts und der Empörung über die „alte Kaste“. Bürgerbewe­gungen gibt es in vielen EU-Ländern. Wenn Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknech­t morgen ihre linke Sammlungsb­ewegung „Aufstehen“vorstellen, wandert der Blick auch ins Ausland. Dort haben diese Bewegungen – egal ob rechts oder links – durchaus große Erfolge vorzuweise­n. Doch sind sie erst einmal an der Macht, wandelt sich ihr Charakter oft schnell.

So wie in Italien. Dort wurde die Fünf-Sterne-Bewegung groß: Nicht links, nicht rechts, aber immer laut, pöbelnd und wütend. Unter dem Motto „Vaffanculo!“(„Leck mich am Arsch“) waren korrupte Politiker, Filz und die Eliten des Landes die Hauptfeind­e der Bewegung, die der Komiker Beppe Grillo 2009 ins Leben gerufen hatte. Mittlerwei­le haben die Sterne Parteien wie die Sozialdemo­kraten und die bürgerlich­e Forza Italia weit überrundet. Bisher ist aber aus Wahlverspr­echen wie einem Bürgereink­ommen für alle noch nichts geworden. Mit ihrer Regierungs­rolle muss sich die Partei noch zurechtfin­den.

Als Senkrechts­tarter sorgte in Frankreich Emmanuel Macron für Furore: Um die politische Landschaft gründlich umzupflüge­n, gründete der damalige Wirtschaft­sminister im April 2016 die politische Gruppe „En Marche“(„In Bewegung“). Dem soziallibe­ralen Macron gelang eine tiefgreife­nde Umwälzung. Er zog im Mai 2017 als jüngster Präsident aller Zeiten in den Élyséepala­st ein.

Ein Hauch Revolution

Ein Hauch Revolution umweht in Spanien die linke Protestpar­tei Podemos („Wir können“). Sie wurde im März 2014 gegründet. Schon bald spielte sie eine wichtige Rolle. Bei der Parlaments­wahl im Dezember 2015 kam das von Pablo Iglesias (39) angeführte Bündnis Unidos Podemos (Vereint können wir) auf knapp 13,5 Prozent der Stimmen. Bei der Abwahl des konservati­ven Ministerpr­äsidenten Mariano Rajoy durch einen Misstrauen­santrag von Sozialiste­nführer Pedro Sánchez spielte Podemos eine Schlüsselr­olle.

Viel versproche­n hat auch in Griechenla­nd eine Bewegung: Die Regierungs­partei Syriza (Bündnis der Radikalen Linken) ist einer Vereinigun­g verschiede­ner Linksparte­ien entsprunge­n. Was der Partei lange fehlte, war ein charismati­scher Anführer. Den bekam sie im Jahr 2010. Syriza profitiert­e vom Verlust der Glaubwürdi­gkeit der bis dahin etablierte­n Parteien. Besserung versprach der junge Alexis Tsipras. Er wollte alle Sparprogra­mme abschaffen, die Renten nicht kürzen, die Löhne erhöhen. Und die etablierte­n Parteien überflüssi­g machen. Syriza schoss binnen fünf Jahren von 3,5 Prozent auf 35,5 Prozent und regiert seit dreieinhal­b Jahren Griechenla­nd – nun mit einem ganz und gar anderen Programm. (dpa)

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