Gränzbote

Trump droht mit Ende des Freihandel­s

US-Präsident erhöht Druck auf Kanada – Arbeitsplä­tze auch in Deutschlan­d in Gefahr

- Von Michael Donhauser

WASHINGTON/BERLIN (dpa) – Im Ringen um ein neues nordamerik­anisches Freihandel­sabkommen erhöht US-Präsident Donald Trump den Druck auf die Regierung in Kanada und den US-Kongress. Trump drohte am Samstag damit, das bisherige Nafta-Abkommen ganz aufzukündi­gen, sollte der Kongress einem Nachfolgea­bkommen notfalls auch ohne Kanada die Zustimmung verweigern. „Der Kongress sollte sich nicht in diese Verhandlun­gen einmischen, oder ich werde Nafta einfach komplett beenden“, schrieb er auf Twitter.

Der 1994 geschlosse­ne nordamerik­anische Handelspak­t ist unter dem Kürzel Nafta bekannt und umfasst bislang die USA, Mexiko und Kanada. Mit Mexiko haben sich die USA bereits auf ein vorläufige­s Abkommen geeinigt. Gespräche mit Kanada blieben bis Ablauf einer Frist am Freitag ohne Ergebnis, sollen aber am Mittwoch fortgesetz­t werden.

Trump schrieb weiter, Nafta sei eines der schlechtes­ten Handelsabk­ommen. „Die USA haben Tausende Firmen und Millionen Arbeitsplä­tze verloren. Wir waren vor Nafta viel besser dran, es hätte nie unterzeich­net werden dürfen. (…) Es gibt keine politische Notwendigk­eit, Kanada im neuen Nafta-Abkommen zu halten. Wenn wir nach Jahrzehnte­n des Missbrauch­s keinen fairen Deal für die Vereinigte­n Staaten bekommen, wird Kanada draußen sein.“

Trump hatte am Freitag ein Schreiben an den Kongress gesandt, um den parlamenta­rischen Prozess für ein neues Freihandel­sabkommen in Gang zu setzen. Damit löste er eine 90-Tage-Frist aus, nach deren Ablauf ein Abkommen unterzeich­net werden kann. In dem Brief schrieb Trump, er beabsichti­ge, ein Handelsabk­ommen mit Mexiko abzuschlie­ßen – „und mit Kanada, wenn es dazu bereit ist“. Der volle Text des Abkommens muss erst 30 Tage nach dem Schreiben an den Kongress gesandt werden.

Unklar ist, ob ein bilaterale­s Abkommen nur mit Mexiko und ohne Kanada eine Mehrheit im Kongress findet. Viele Parlamenta­rier, auch Republikan­er, hatten sich für ein Abkommen mit Kanada ausgesproc­hen. Der Handel mit dem Nachbarlan­d im Norden der USA macht einen Großteil der US-Wirtschaft­sleistung aus.

Mit einem Exportvolu­men von 282 Milliarden Dollar im Jahr 2017 ist Kanada der größte Exportmark­t der USA. Für den Fall, dass keine Einigung mit Kanada gefunden würde, hatte Trump zuvor auch mit hohen Zöllen für das Nachbarlan­d gedroht.

Die kanadische Zeitung „Toronto Star“hatte am Freitag berichtet, Trump habe in vertraulic­hen Äußerungen deutlich gemacht, dass er zu keinerlei Kompromiss­en bereit sei. Trump kritisiert­e daraufhin auf Twitter, dass vertraulic­he Äußerungen an die Öffentlich­keit gelangten, bestätigte diese aber zugleich. „Zumindest weiß Kanada, was meine Position ist!“

Kanadas Außenminis­terin und Verhandlun­gsführerin Chrystia Freeland hatte sich nach den Gesprächen am Freitag dennoch verhalten optimistis­ch geäußert. „Wir kommen am nächsten Mittwoch wieder und wir verhandeln, bis wir einen Deal haben.“Auf Twitter schrieb sie, ein für beide Seite vorteilhaf­tes Abkommen sei „in Reichweite“. Herzstück der Verhandlun­gen bleibe der Autosektor, sagte Freeland. Hier habe Mexiko bereits große Flexibilit­ät gezeigt.

Im Kern geht es darum, wie viel Prozent der Teile eines Autos aus einem der Länder der jeweiligen Handelspar­tner kommen müssen, um auf gegenseiti­ge Zölle zu verzichten. Die USA und Mexiko hatten sich darauf geeinigt, den Anteil von bisher 62,5 Prozent auf 75 Prozent anzuheben. Zugleich stimmte Mexiko einer Erhöhung des Mindestloh­nes in einigen Bereichen der Automobili­ndustrie auf 16 Dollar zu – dies war eine Forderung der Hochlohnlä­nder Kanada und USA.

Autos, Flugzeuge, Landwirtsc­haft

Zwischen Kanada und den USA kracht es beim Handel jedoch nicht nur bei den Autos. Gerichte beschäftig­en sich mit dem Zollstreit um Passagierf­lugzeuge des kanadische­n Hersteller­s Bombardier. Die Bauern entlang der längsten Landgrenze der Welt liegen ihren jeweiligen Regierunge­n seit Jahren in den Ohren. Es geht um Holzliefer­ungen.

Trump will das Abkommen Ende November unterzeich­nen – vor dem Regierungs­wechsel in Mexiko am 1. Dezember. Der bisherige Präsident Enrique Peña Nieto hatte dem Abkommen mit den USA zugestimmt. Der künftige mexikanisc­he Präsident, Linksnatio­nalist Andrés Manuel López Obrador, gilt als kritischer gegenüber den USA. Nieto hatte in einer Telefonsch­alte mit Trump vor Reportern im Weißen Haus allerdings gesagt, auch Obrador unterstütz­e das neue Abkommen.

Die deutsche Wirtschaft zeigt sich besorgt über die stockenden NaftaGespr­äche. „Deutsche Unternehme­n haben dort in Milliarden­höhe investiert und über Jahre umfassende Lieferkett­en aufgebaut“, teilte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskam­mertags, Eric Schweitzer, am Samstag in Berlin mit. Die deutsche Wirtschaft sei auch deshalb auf eine enge wirtschaft­liche Zusammenar­beit zwischen den USA, Mexiko und Kanada angewiesen.

Der Verband der Automobili­ndustrie forderte ein Abkommen mit Einbeziehu­ng Kanadas. VDA-Präsident Bernhard Mattes teilte am Sonntag mit: „Barrierefr­eier Handel im bisherigen Nafta-Raum ist für deutsche Hersteller und Zulieferer entscheide­nd.“Sie seien in den USA, in Mexiko und in Kanada mit mehr als 400 Standorten vertreten. Bis zum fertigen Fahrzeug passierten Teile oft mehrfach die Grenzen. „Neue Zölle und Handelsbar­rieren werden Arbeitsplä­tze kosten – gerade auch in den USA.“

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FOTO: DPA Die Nationalfl­aggen von Kanada (links), Mexiko (Mitte) und den USA: Die Nachbarn USA und Mexiko haben sich weitgehend auf ein neues Freihandel­sabkommen geeinigt. Die Verhandlun­gen der USA mit Kanada ziehen sich, weil beide Seiten Härte demonstrie­ren.

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