Gränzbote

Ansteckend­e Währungskr­ise in der Türkei

Weitere Schwellenl­änder kämpfen mit steigender Inflation – Abwärtstre­nd könnte deutsche Exporte bremsen

- Von Mischa Ehrhardt

FRANKFURT - Der Abwärtsrut­sch vieler Währungen aus Schwellenl­ändern hat sich in dieser Woche verstärkt und zieht immer weitere Kreise. Nach der Türkei ist vor allem die Währung Argentinie­ns in den freien Fall geraten. Der argentinis­che Peso fiel gegenüber dem Dollar auf Rekordtief. Das sehen Finanzmark­tbeobachte­r mit einiger Sorge: „Die Türkei und Argentinie­n werden mehr und mehr als Spitze eines Eisbergs wahrgenomm­en“, sagte etwa der Chefvolksw­irt der Deka Bank, Ulrich Kater.

Die argentinis­che Notenbank hat versucht, den Verfall des Peso mit einer saftigen Zinserhöhu­ng aufzuhalte­n: Sie erhöhte ihren Leitsatz zur Geldversor­gung der Geschäftsb­anken auf sage und schreibe 60 Prozent. Zuvor waren es „nur“45 Prozent. Allerdings blieb der erhoffte Effekt aus: Der Peso setzte seine Talfahrt zum Ende der Woche fort.

Auf Grund des Verfalls des argentinis­chen Peso hat die Regierung in Buenos Aires den Internatio­nalen Währungsfo­nds um Hilfe gebeten. Der IWF prüft nun eine vorzeitige Auszahlung milliarden­schwerer Finanzhilf­en für das Land. Unterdesse­n äußern sich mehr und mehr Ökonomen besorgt, dass die aktuelle Krise – ausgehend von der Türkei und Argentinie­n – weitere Kreise ziehen könnte.

„Ich spreche aus der Position des zunehmend Besorgten“, äußerte sich auch der Außenwirts­chaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskam­mertages, Volker Treier. „Es gibt Ansteckung­seffekte.“In den Abwärtssog geraten nämlich zunehmend auch die Währungen anderer Schwellenl­änder: So fiel auch die indische Rupie auf ein Allzeittie­f gegenüber dem US-Dollar. Auch der südafrikan­ische Rand hat sich in den vergangene­n Tagen in Richtung eines neuen Rekordtief­s bewegt. Auch Indonesien steht mit seiner Rupiah unter Druck. Dort allerdings hat die Zentralban­k reagiert: Sie habe am Freitag massiv am Devisen- und Anleihenma­rkt intervenie­rt, nachdem die Währung des Landes auf den tiefsten Stand seit 2015 gefallen war.

Ausgegange­n waren die Turbulenze­n vom fortwähren­den Verfall der türkischen Lira. Die hat sich zwar im Gegensatz zu vielen anderen Schwellenl­änder-Währungen am Ende der Woche wieder etwas stabilisie­rt. Sie ist aber nicht weit von ihrem Allzeittie­f entfernt. Wirtschaft­lich sehen die meisten Beobachter die Türkei zwar als zu klein an, um ein ökonomisch­es Beben zu verursache­n. Die Gemengelag­e allerdings könnte zu einem Umschwung führen. „Kritisch könnte im Fall einer Krisenvers­chärfung in der Türkei das Risiko eines anhaltende­n und wenig differenzi­erten Stimmungsu­mschwungs sein“, meint der Chefvolksw­irt der DZ-Bank, Stefan Bielmeier.

Im Fall der Türkei sind viele der Probleme, die auf der Währung bereits seit Monaten lasten, hausgemach­t: Das autoritäre System des türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan lässt das Vertrauen von Investoren in das Land bröckeln. Seit Jahresbegi­nn hat die Währung rund 44 Prozent ihres Wertes verloren; die Inflation liegt bei rund 16 Prozent und verteuert das Leben der Menschen in der Türkei. Die meisten Ökonomen halten deutliche Zinserhöhu­ngen in dem Land für notwendig. Dagegen allerdings sträubt sich Erdogan, weil das die Konjunktur seines Landes bremsen und seiner Popularitä­t schaden könnte.

Industriel­änder attraktive­r

Auf der anderen Seite macht neben der Türkei auch den anderen Schwellenl­ändern zu schaffen, dass in den USA die Zinsen wieder ansteigen. Notenbankc­hef Jerome Powell hat vor wenigen Tagen klargemach­t, dass er sich vom eingeschla­genen Kurs steigender Leitzinsen nicht abhalten lassen will. In den vergangene­n Jahren waren Investitio­nen gerade in Schwellenl­ändern äußerst attraktiv, weil sie im Gegensatz zu Nullzins-Regionen wie Europa, Japan und den USA lukrative Zinsen boten. Nun wendet sich das Blatt – die Geldströme fließen in die USA zurück.

Und destabilis­ieren die Währungen in den Schwellenl­ändern. Da aus Sicht vieler Ökonomen vor allem die Türkei zu wenig gegen den Währungsve­rfall unternimmt, dürfte der Abwärtstre­nd in den Schwellenl­ändern anhalten. Umgekehrt „dürften als sichere Häfen geltende Währungen weiter unter Aufwertung­sdruck stehen“, meint Esther Reichelt von der Commerzban­k. Das schließlic­h könnte – neben einem allgemeine­n Stimmungsu­mschwung an den Finanzmärk­ten – dann auch erste Folge der Krise vieler Schwellenl­änderWähru­ngen hierzuland­e sein. Denn ein steigender Euro erschwert grundsätzl­ich Exporteure­n das Leben.

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FOTO: NATACHA PISARENKO Aktueller Währungsku­rs auf Leuchttafe­ln: Während die türkische Lira ein neues Rekordtief nur knapp verpasste, rutschte die Währung Argentinie­ns auf ein Allzeittie­f.

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