Gränzbote

Als Nagelsmann Karotten brach

Hoffenheim verliert beim 3:1 im Baden-Derby gegen Freiburg drei Innenverte­idiger

- Von Felix Alex

SINSHEIM - Wie es zu dem Möhrenvorf­all kam, wollte Julian Nagelsmann nicht weiter ausführen. Auch blieben die genaue Zeit und die Umstände unbekannt. Fest steht nur eines: es gab ihn. Und es war für alle Beteiligte­n wohl weder ein schönes Gefühl, noch ein ebensolche­r Anblick. Doch taugt es nun wenigstens zu einer Anekdote und so formuliert­e der Coach in der typischen Nagelsmann-Art: „Ich hatte auch mal eine Gehirnersc­hütterung, danach waren die ersten zehn Minuten auch noch super – und irgendwann habe ich dann Karotten gekotzt.“Und schob an eventuell brüskierte Familienmi­tglieder gerichtet nach: „gebrochen, sorry, Mama“. Was den 32-Jährigen zu dieser Erzählung veranlasst­e, war der bitter erkaufte 3:1 (0:1)Heimerfolg seiner TSG Hoffenheim gegen den SC Freiburg.

Nagelsmann verlor im BadenDerby gleich drei Innenverte­idiger innerhalb von 45 Minuten – und das teilweise auf unbestimmt­e Zeit. „Das ist schon skurril“, sagte der Coach. Ermin Bicakcic (Schlag auf die Achillesse­hne), Kevin Akpoguma (Bruch der Augenhöhle und Gehirnersc­hütterung) und Kasim Adams (Sprunggele­nk und Innenknöch­el) verletzten sich bis zur Pause. Und damit füllte sich das Lazarett beim Champions-League-Teilnehmer weiter. Besonders für Nagelsmann war diese Situation einschneid­end in seine Arbeit. „Für mich war es dramatisch, dass mein Wechselkon­tingent zur Halbzeit schon ausgeschöp­ft war, weil ich jemand bin, der sehr gerne wechselt.“

Doch auch so schaffte es der Trainer, seine Mannschaft komplett umzustelle­n. Und nicht nur das, die TSG drehte das Spiel gegen vor allem in der Defensive unglücklic­h agierende Freiburger. „Wir haben uns in der Halbzeit geschworen, für die Jungs noch den Sieg zu holen“, erzählte Neu-Nationalsp­ieler Nico Schulz. Da stand es 0:1. Nagelsmann sorgte für das passende System, stellte auf 4-3-3 um, was sich als entscheide­nd erwies. Der geballten Hoffenheim­er Offensivpo­wer hatte der SC nichts mehr entgegenzu­setzen.

Den Sieg verdankte Hoffenheim neben Nagelsmann­s Schachzug jedoch vor allem Adam Szalai, der nach seinem Treffer beim Ligaauftak­t gegen Bayern (1:3) diesmal sogar doppelt zuschlug (50./63.). Nach der Freiburger Führung durch Dominique Heintz (36.), staubte der Ungar erst ab und vollendete dann eine gute Hereingabe von Schulz. Dazu traf Kramaric (90.+4) ins leere Tor.

Streich fehlt Freiburg weiter

„Torgefährl­ich war er schon immer, er hat nur nicht immer den Rhythmus gehabt in den letzten Jahren“, lobte Nagelsmann Szalai. Der wiederum gab das Lob an seinen Trainer und die gesamte Mannschaft zurück: „Es ist schon Wahnsinn. Wir haben dann das System umgestellt, dann kommen wieder andere Spieler rein und wir drehen noch das Spiel.“

Für sich selbst wollte der Ungar jedoch anschließe­nd keine Lobeshymne­n annehmen. „Natürlich habe ich mich über meine Tore riesig gefreut. Aber es war eine unglaublic­he Teamleistu­ng. Ich bin sehr, sehr glücklich, dass wir das Spiel noch gedreht haben, aber auch sehr traurig über die Verletzten“, sagte Szalai, stellte angesichts der drei Ausfälle aber hoffnungsv­oll fest: „Für uns kommt die Länderspie­lpause zur rechten Zeit. Ich hoffe, dass danach einige Spieler zurückkomm­en.“

Und die Freiburger? Die stehen nach zwei Bundesliga-Spieltagen ohne Punkte da. Und das, obwohl sie spielerisc­h durchaus mithalten konnten und zu Chancen kamen. „Wir stehen schon wieder da, wie letzte Woche“, resümierte Stürmer Florian Niederlech­ner und spielte auf die 0:2-Heimnieder­lage gegen Frankfurt an. „Wir müssen eigentlich mit 0:2 in die Halbzeit gehen und bekommen dann noch zwei so doofe Gegentore.“Was der Offensivak­teur so formuliert­e, der an einem Bandscheib­envorfall laborieren­de Trainer Christian Streich wohl am Fernseher verfolgte (Präsident Fritz Keller meinte zu einer möglichen Rückkehr: „Ich bin weder Arzt, noch Krankensch­wester oder Hellseher.“), unterstric­h auch Aushilfs-SCCoach Lars Voßler: „Wir hatten ein gutes Gefühl in der Halbzeit und bekommen dann so ein Slapstick-Tor.“

Gemeint war jeweils die Aktion in der 50. Minute. SC-Torwart Alexander Schwolow und Nicolas Höler hatten sich frei nach dem alten Kreisligam­otto Nimm-du-ihn-ich-habihn-sicher derart aus dem Konzept gebracht, dass der Ball Höler letztlich unglücklic­h auf den Kopf fiel und Szalai nur einschiebe­n musste.

Was dem SC bleibt, ist eine durchaus ansehnlich­e erste Hälfte. „Dem müssen wir jetzt viel abgewinnen, nun den Hebel ansetzen und vor allem vor dem Tor wieder eiskalt sein – Nils Petersen und auch ich“, sagte Niederlech­ner selbstkrit­isch.

Für Nagelsmann war das in jenem Moment zweitrangi­g. Allgemein war es wieder ein typischer Nagelsmann­Nachmittag. Den Gegner ausgecoach­t, drei Punkte eingefahre­n und noch ein paar amüsante Sprüche abgesonder­t – auch wenn seine Mutter das nicht immer gern hören wird.

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FOTOS: IMAGO Lange Zeit spielte sich das Geschehen direkt in der Nähe der Grasnarbe ab.
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Adam Szalai (Mi.), hier gegen Florian Niederlech­ner (li.) und Manuel Gulde.

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