Wolkenkratzer aus Schuhschachteln
Seit fast 65 Jahren baut Karl Sperber eine Großstadt aus Karton – Die Miniaturwelt ist im Ausstellungsraum eines ehemaligen Möbelhauses zu sehen
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BAMBERG (lby) - Man könnte sie als Papp-New-York bezeichnen oder als Karton-Chicago – doch eigentlich ist es Sperber City. Rentner Karl Sperber baut in Bayern eine Miniaturmetropole aus Pappe, die an die weltberühmten Großstädte erinnert. Hochhäuser faszinieren den 78-Jährigen seit seiner Jugend. In einer Bastelstube im fränkischen Örtchen Burgebrach bei Bamberg verwandelt er Schuhschachteln in Wolkenkratzer – und das seit fast 65 Jahren.
Sein Lebenswerk kann sich sehen lassen. Mehr als 4000 Häuser sind in den Jahrzehnten entstanden, im Maßstab 1:500. Auf mehr als 40 Quadratmeter ist die Megacity im Miniaturformat im Ausstellungsraum eines ehemaligen Möbelhauses zu sehen. „Ich bräuchte aber 100 Quadratmeter“, sagt Sperber. Viele Häuser habe er aus Platzmangel gar nicht aufbauen können.
Dass er ein außergewöhnliches Hobby hat, ist Sperber bewusst. „Manche meiner Freunde sagen, ich bin verrückt“, sagt der Rentner, der früher in der Möbelbranche gearbeitet hat. Doch beim Konstruieren und Bauen seiner Papphäuser, da habe er schon immer einfach abschalten können. Ob mit 14 oder 41 Jahren. „Es ist wie Angeln.“
Langlebige Konstruktionen
Bis zu drei Stunden am Tag verbringt der gebürtige Franke heute damit, ein Haus herzustellen. Mehr als Lineal, Bleistift, Klebstoff und Pappe braucht er nicht dafür. So seien auch schon seine ersten Konstruktionen vor mehr als sechzig Jahren entstanden – „und sie halten immer noch.“
„Manches Jahr habe ich über 100 Häuser gebaut“, sagt Sperber. Jedes Haus nehme seine eigene Bauzeit in Anspruch. „Es kommt immer auf die Machart, auf den Baustil an.“Moderne Bauten würden relativ schnell gehen, Häuser aus früheren Epochen seien wegen vieler Details aufwendiger.
Sperber City ist angelehnt an USamerikanische Vorbilder wie Chicago und New York, die berühmt für ihre Wolkenkratzer sind. Die Städte besucht hat der Rentner aber nicht. „Ich hab’s nicht so mit dem Fliegen“, sagt er. Eins zu eins baue er die Großstädte auch nicht nach, betont Sperber. Seine Metropole sei aus Fantasiegebäuden in dem Stil entstanden.
Doch bei aller Fantasie: „So große Häuser wie in Dubai mag ich nicht, die sind mir zu unrealistisch“, sagt Sperber mit Blick auf die Wolkenkratzer mit mehr als 160 Stockwerken in der Wüstenstadt. Sein höchstes Haus habe 90 Stockwerke und sei 70 Zentimeter hoch. Eine Zeit lang habe er aber auch gerne Plattenbausiedlungen gebaut. Auch Fabriken, Parkhäuser, Schulen und Kirchen seien Teil seiner Metropole. „Muss ja alles da sein.“
Bewohner hat Sperber City aber nicht. Er konzentriere sich lieber auf die Häuser im Miniaturformat, sagt der 78-Jährige. Die locken im Schaufenster des Möbelhauses immer wieder Schaulustige an. Doch was ist so faszinierend an solchen Miniwelten? Das Miniatur-Wunderland in Hamburg etwa gilt als eine der Topattraktionen und zieht jährlich mehr als eine Million Besucher an.
„Ich denke, dass die Faszination vielfältige Gründe hat“, sagt Wahrnehmungsforscher Christian Wallraven vom Tübinger Max-Planck-Institut. Einer davon könne die Kontrolle sein, die eine solche Miniaturwelt suggeriere. Es sei eine Paradieswelt ohne Chaos oder unvorhergesehene Geschehnisse. „Miniaturisierung erlaubt es auch, viele verschiedene Eindrücke auf einen kleinen Raum zu bringen“, sagt Wallraven.
Inspiration Frankfurt
„Mich haben einfach Häuser fasziniert“, sagt Sperber. „Ich fahre heute noch häufig nach Frankfurt, um mir die Wolkenkratzer anzuschauen.“In einer Großstadt wie seiner Pappmetropole will er aber nicht leben. „Ich möchte mein Dorf nicht tauschen, da bin ich geboren und da möchte ich auch bleiben“, sagt er. Und was Sperber City betrifft – die werde sicher noch um ein paar Häuser wachsen. „Ich expandiere weiter, so lange ich lebe.“