Der fast vergessene Meisterspieler
Zum 125. Geburtstag des Trossinger Akkordeonisten Hermann Schittenhelm
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TROSSINGEN - In den 1930er-Jahren und auch noch in den Jahren nach dem Weltkrieg war er der populärste Akkordeonvirtuose Deutschlands: Hermann Schittenhelm, der 45 Jahre bei der Trossinger Firma Hohner beschäftigt war.
Die zahlreichen Quellen lassen nur einen Schluss zu: Der Vollblutmusiker hatte den Rang eines „Superstars“der Handharmonika-Szene. Als Gründer und Leiter des Hohner AkkordeonOrchesters 1927 und ebenso als Virtuose – gleichermaßen auf der kleinen Handorgel wie auf dem großen Akkordeon – war Schittenhelm die Galionsfigur der damals mächtig aufblühenden Orchesterbewegung.
Schon als Kind musizierte der am 10. September 1893 in Boll bei Oberndorf geborene Sohn eines Bauern und Gastwirts zusammen mit seinen Brüdern recht viel. Die Buben sorgten für die Unterhaltung der Gäste. An eine musikalische Profi-Karriere dachte der junge Hermann zunächst nicht. Er absolvierte eine Ausbildung zum Mechaniker. Als solcher landete er Anfang der 1920er-Jahre in der Firma Hohner. Dort wurde sein überragendes musikalisches Talent schnell erkannt. Fabrikdirektor Ernst Hohner förderte Schittenhelm nach Kräften – zum großen Vorteil des Unternehmens. Bereits ab 1924 machte der junge Schittenhelm Furore, als sein Akkordeonspiel immer wieder live vom Radiosender Zürich ausgestrahlt wurde. Schnell entwickelte er sich zum Berufsmusiker.
Die Festanstellung beim Harmonika-Weltmarktführer und die aufkommende Begeisterung für das Handharmonikaspiel im Verein waren Schittenhelms Glück. Er gehörte ab 1931 zu den Mitbegründern des heutigen Hohner-Konservatoriums, einem Ausbildungsinstitut für Harmonikalehrer. Das „Schittenhelm-Orchester“und sein Dirigent spielten als Werbelokomotive für Hohner und die Harmonikaszene eine entscheidende Rolle; sogar über Deutschlands Grenzen hinaus.
Um 1950 /1955 entfaltete das Schittenhelm-Orchester nochmals eine rege Konzertreise-Tätigkeit im In- und Ausland. „Sein“Hohner-Orchester leitete der volkstümliche Meisterspieler über vier Jahrzehnte lang, es wurde einfach „Schittenhelm-Orchester“genannt.
Doch die Zeit ging auch über ihn hinweg. Polkas, Märsche und Ländler waren Mitte der 1960er-Jahre nicht mehr „up to date“. Altmeister Schittenhelm mochte den Dirigentenstab jedoch nicht beiseite legen. 1968 wurde der 75-Jährige kurzerhand durch den moderneren Rudolf Würthner abgelöst. In solchen Fällen machte man bei Hohner „kurzen Prozess“.
Der Nimbus blieb. Dem Pionier der Harmonika wurde von treuen Fans bis ins hohe Alter gehuldigt. Wenige Monate nach seinem 85. starb Meisterspieler Hermann Schittenhelm am 20. Februar 1979.