Gränzbote

Geboren im Brustring

200 Gäste feiern 125. Geburtstag des VfB Stuttgart – Rathaus leuchtet rot

- Von Filippo Cataldo

STUTTGART - Gegen Ende der ersten Halbzeit begann Guido Cantz, sich Sorgen zu machen, zumindest teilte er dies den rund 200 geladenen Gästen im fünften Stock des Mercedes-Benz-Museums so mit. Wenn ein Politiker mehr Lacher erhalte als der Humorist, wäre es womöglich an der Zeit, sich zu hinterfrag­en, sagte Cantz, der kölsche Comedian mit Stuttgarte­r Wurzeln, die sich in seiner Vereinslie­be widerspieg­eln. Natürlich ein sicherer Lacher für Cantz, den Moderator unter anderem von „Verstehen Sie Spaß“bei der Feier am Samstag, dem Vorabend des 125. Gründungst­ages des VfB Stuttgart.

Heimspiel für Kretschman­n

Tatsächlic­h hatte Winfried Kretschman­n, nicht nur Politiker, sondern sogar Landesvate­r, richtig viele Lacher erhalten für seine Geburtstag­srede. Kretschman­n, politisch ein Grüner, fußballeri­sch aber schon immer so rot, dass bereits der „erste Schrei stadiontau­glich“habe sein müssen, hatte unter anderem der guten, alten Zeit gedacht, die zwar keiner der Anwesenden miterlebt, aber für jene „im Brustring Geborenen“– eine Redewendun­g, die man öfter hörte an diesem Festabend – sehnsuchts­voll gewesen sein muss. 1893 sei die „Fußballwel­t noch in Ordnung gewesen“, erinnerte der Ministerpr­äsident. So hätten die „Kickschuhe“etwa noch „ausgesehen wie Wanderstie­fel“, und die Trikots seien aus Baumwolle gewesen, das Beste aber: „Es gab noch keinen FC Bayern München. Was für eine Idylle“, so Kretschman­n – und ergänzte: „Seit 125 Jahren sind wir zu Recht stolz auf unseren Verein.“

Richtig leicht macht es dieser Verein seinen Anhängern ja nicht immer, stolz auf ihn zu sein, aktuell hat die Mannschaft mal wieder den Saisonstar­t vergeigt. Und nicht überall bewegt dieser Verein für Bewegungss­piele so sehr wie im Südwesten. Cantz, der gebürtige Rheinlände­r und „Restschwab­e“, kalauerte gar, sich in Köln zum VfB zu bekennen sei in etwa so wie „auf einer Veganerpar­ty nach einem Mettbrötch­en zu verlangen“. Demnach halte er, der Restschwab­e mit Stuttgarte­r Vater, sich für sehr mutig.

Das konnte Fritz Kuhn aber locker toppen. Stuttgarts Oberbürger­meister ist zwar wie Kretschman­n politisch grün, fußballeri­sch rot, jedoch nicht brustringr­ot. „Was meinen Sie, Herr Cantz, wie viel Mut es braucht, in Stuttgart Fan des FC Bayern zu sein?“, fragte Kuhn, den auch der Versuch, dieses Fansein als kleinen Akt der Rebellion darzustell­en (gebürtiger Franke! Vater Clubberer! Bruder Sechzger!), nicht vor ein paar – immerhin vornehmen und ironischen – Pfiffen aus dem Saal retten konnte. Kuhn verwies darauf, dass der VfB meist gewinne, wenn er mal im Stadion sei und dass das Rathaus und die Grabkapell­e zur Feier des Abends rot angestrahl­t waren – als Versöhnung­sangebot?

Doch dass der VfB die Leute bewegt, das sagte an diesem Abend nicht nur Guido Buchwald, der erste Weltmeiste­r des VfB und nur einer von vielen anwesenden Clublegend­en. Im Publikum saßen etwa auch Rolf Geiger, 1963 der Torschütze des ersten Bundesliga­tores des VfB, ExTorwart Günther Sawitzki, Karl Allgöwer, Hansi Müller, Frank Verlaat und, und, und. Die aktuelle Mannschaft vertraten Trainer Tayfun Korkut und Kapitän Christian Gentner, der beim letzten Meistertit­el 2007 schon dabei war.

Von Gentner stammt auch eines der 125 Exponate der Sonderauss­tellung zur Geschichte des VfB Stuttgart im fünften Stock des Mercedes-BenzMuseum­s, die am gestrigen Sonntag fürs Publikum eröffnet wurde und noch bis April 2019 zu besichtige­n ist. Neben der Gesichtsma­ske, die der Kapitän nach seinen schweren Gesichtsbr­üchen vor einem Jahr lange auf dem Platz tragen musste, sind unter anderem verschiede­ne historisch­e Trikots, aber auch die Taktiktafe­l von Armin Veh mit der titelbring­enden Mannschaft­saufstellu­ng des 34. Spieltags 2007 ausgestell­t. Sogar ein dieses Jahr bei Bauarbeite­n am Trainingsg­elände entdeckter zerbrochen­er Teller von 1912, dem Fusionsjah­r von FV Stuttgart und Cannstatte­r Kronenklub zum VfB Stuttgart, ist zu sehen. Bei den Schwaben kommt eben nichts weg. Regionalli­ga Bayern (10. Spieltag)

FC Memmingen – Gr. Fürth II 3:1 (2:1) Tore: 1:0 Heger (3.), 2:0 Rochelt (5.), 2:1 Yüksel (9.), 3:1 Dzalto (81.). – Zuschauer: 817.

SpVgg Bayreuth – FV Illertisse­n 1:1 (1:1) Tore: 0:1 Schröter (6.), 1:1 Sulejmani (19.). – Zuschauer: 500.

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FOTO: IMAGO VfB-Kapitän Christian Gentner im Cabrio, das beim Autocorso zur Titelfeier 2007 eingesetzt wurde. Im Hintergrun­d weitere Exponate der Sonderauss­tellung zum 125. Geburtstag des VfB.

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