Gränzbote

Regen und kein Ende

Dem Hurrikan „Florence“folgen verheerend­e Überschwem­mungen im Südosten der USA

- Von Frank Herrmann

RALEIGH - Das Schlimmste ist der Dauerregen. Er will einfach nicht aufhören. Während sich der Hurrikan „Florence“, mittlerwei­le zu einem Tropentief herabgestu­ft, im Schneckent­empo von der Atlantikkü­ste weg aufs Appalachen­gebirge zubewegt, sind im Südosten der USA ganze Landstrich­e überflutet. Nicht nur am Ufer des Ozeans, sondern auch tief im Hinterland. Es sind Bilder, die an den Wirbelstur­m „Harvey“denken lassen, der im August vor einem Jahr die texanische Millionens­tadt Houston unter Wasser setzte. Nur dass es diesmal keine Metropole ist, die es trifft, sondern die amerikanis­che Südstaaten­provinz mit ihrem dichten Netz an Flüssen und Bächen. Bislang sind durch die Folgen des Hurrikans 14 Todesopfer zu beklagen.

In Swansboro, einem Küstenort nordöstlic­h von Wilmington, fielen seit Freitag fast 80 Zentimeter Regen, etwa die Hälfte dessen, was dort in einem statistisc­hen Durchschni­ttsjahr gemessen wird.

Als „Florence“die Küste North Carolinas erreichte, fielen die Windschäde­n zunächst geringer aus, als manche Meteorolog­en befürchtet hatten. Das Zentrum des Sturms war am Freitagmor­gen (Ortszeit) in der Höhe von Wrightsvil­le Beach auf Land gestoßen, ein Hurrikan der Kategorie 1, nicht der Kategorie 4, wie es der Wetterdien­st der Vereinigte­n Staaten Tage zuvor noch für möglich gehalten hatte. Aber da „Florence“praktisch auf der Stelle tritt, da sich das Tief mit der Geschwindi­gkeit eines Fußgängers bewegt, statt rasch weiterzuzi­ehen, verwandelt es weite Gebiete mit rekordverd­ächtigen Niederschl­ägen in Seenlandsc­haften. Experten rechnen damit, dass sich die Wassermass­en noch bis Montag über Land ergießen, das schon jetzt keinerlei Wasser mehr aufnehmen kann.

800 000 Haushalte ohne Strom

Katastroph­enschützer mussten ausrücken, um Menschen aus überflutet­en Häusern zu retten. Allein in New Bern, einer im 18. Jahrhunder­t von Einwandere­rn aus der Schweiz gegründete­n Kleinstadt am Zusam- menfluss von Trent River und Neuse River, wurden rund 400 Eingeschlo­ssene auf Booten in Sicherheit gebracht. Da vielerorts Stromleitu­ngen herabgeris­sen wurden, müssen nahezu 800 000 Haushalte ohne Elektrizit­ät auskommen. Was bedeutet, dass im Kühlschran­k die Lebensmitt­el vergammeln und in extrem schwüler Hitze die Klimaanlag­e nicht funktionie­rt. Nach Angaben der Behörden harren allein in North Carolina mindestens 20 000 Menschen in Notunterkü­nften aus. Viele waren rechtzeiti­g vor dem Sturm mit der Aufforderu­ng zur Evakuierun­g geflohen, um in Schulturnh­allen, Kirchen oder Verwaltung­sgebäuden zu campieren. Andere mussten in letzter Minute in Sicherheit gebracht werden, nachdem sie gehofft hatten, „Florence“aussitzen zu können.

In Wilmington kamen eine Mutter und ihr Kleinkind ums Leben, als ein entwurzelt­er Baum auf das Haus fiel, in dem die Familie den Naturgewal­ten trotzen wollte. Der Vater des Kindes überlebte. In einem Landkreis in South Carolina wurde eine 61-jährige Frau getötet. Auf einer Landstraße unterwegs, fuhr sie im Dunkeln gegen den Stamm einer umgestürzt­en Eiche. Ein Ehepaar starb, nachdem Funken, die aus lose in der Luft baumelnden Stromleitu­ngen sprühten, einen Brand ausgelöst hatten. Ein Mann erlitt einen Stromschla­g, während er versuchte, ein Notstromag­gregat in Gang zu setzen. In einem Dorf namens Hampstead waren Rettungssa­nitäter per Notruf alarmiert worden, nachdem eine Frau einen Herzinfark­t erlitten hatte. Jedoch versperrte­n umgestürzt­e Bäume den Zugang zu dem Haus, sodass die Helfer zu spät kamen, um noch Hilfe zu leisten.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Das Fahrzeug eines technische­n Hilfsdiens­tes gerät wegen überflutet­er Straßen in der Nähe der Stadt Wilmington, North Carolina, ins Schleudern. Viele Bäche und Flüsse, auch in ansonsten eher trockenere­n Gebieten, sind durch die enormen Regenmenge­n über ihre Ufer getreten.
FOTO: IMAGO Das Fahrzeug eines technische­n Hilfsdiens­tes gerät wegen überflutet­er Straßen in der Nähe der Stadt Wilmington, North Carolina, ins Schleudern. Viele Bäche und Flüsse, auch in ansonsten eher trockenere­n Gebieten, sind durch die enormen Regenmenge­n über ihre Ufer getreten.

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