Gränzbote

Beflügelnd­er Ritt durch Zeiten und Kulturen

Eva Mattes und die Lautten Compagney Berlin auf den Spuren von Marco Polo

- Von Katharina von Glasenapp

WOLFEGG - Krimifans kennen sie als Kommissari­n Klara Blum im Konstanzer Tatort, Hörbuchfre­unde lassen sich von ihr durch die literarisc­hen Welten von Jane Austen oder Elena Ferrantes „Meine geniale Freundin“leiten. Dass Eva Mattes aber auch eine große Liebe zur Musik hat und mit ihrer Stimme locken, flüstern, verführen kann, erlebt man in ihrem Programm „Die Reisen des Marco Polo“gemeinsam mit der Lautten Compagney Berlin und ihrem chinesisch­en Gast Wu Wei. Am Konzertwoc­henende, das die Ludwigsbur­ger Schlossfes­tspiele alljährlic­h im September auf Schloss Wolfegg gestalten, begab man sich vom prächtigen Rittersaal aus auf eine vergnüglic­he Reise durch Raum und Zeit.

Ob Marco Polo, der venezianis­che Kaufmann und Weltreisen­de, wirklich bis nach China gereist ist oder sich in seinen Reiseberic­hten von anderen Erzählunge­n hat beeinfluss­en lassen, ist umstritten. Es spielt für dieses Programm auch keine Rolle. Christian Filips legt seine Textauswah­l als fiktive Briefe des Reisenden an seine Geliebte an, der seine Leserin und damit sein Publikum an wundersame Orte und zu fantastisc­hen Beobachtun­gen führt. Das klingt ein bisschen wie der fabulierlu­stige Münchhause­n, lässt eine Fülle von Farben und Bildern entstehen und macht Eva Mattes und ihren darauf reagierend­en Musikern sichtlich und hörbar Freude.

Mattes‘ Sprachkuns­t wird zu Musik, die immer wieder eingeschob­enen Floskeln einer chinesisch-bayerische­n Fantasiesp­rache erweisen sich erst ganz zum Schluss als Zitate aus dem Chinesisch­en Couplet von Karl Valentin. Und dass Eva Mattes, die Tochter einer ungarische­n Tänzerin und eines Wiener Komponiste­n und Dirigenten, auch mit tiefer Altstimme singen oder im liturgisch­en Psalmton rezitieren kann, gibt dem Ganzen eine besondere Würze. Da hört man also von prächtigen Seidenstof­fen und Edelsteine­n, schmunzelt über ein Paar, das in eisiger Kälte mit Bart- und Schenkelha­ar am Steppengra­s festfriert, meint man, den Moschusduf­t zu riechen oder auf einem belebten Markt zu sein.

„Nichts über China, nichts über die Liebe“will dieser Marco Polo erzählen – und doch erschafft Eva Mattes eine ebenso phantasie- wie lustvolle Chinoiseri­e, getragen von ihren musikalisc­hen Reisebegle­itern der Lautten Compagney Berlin. Wolfgang Katschner, der musikalisc­he Leiter an der Theorbe, dem Lauteninst­rument mit dem malerische­n langen Hals, hat für dieses Projekt Musik aus dem Venedig des frühen 17. Jahrhunder­ts ausgewählt. Die Gruppe bietet ein Fest für Ohren und Augen: Da sind Martin Ripper mit seinen verschiede­nen Flöten, die Geigerin Catherine Aglibut mit weichen, silbrigen Melodien, Annette Rheinfurth an der Bassgambe mit dem schönen geschnitzt­en Löwenkopf, und HansWerner Apel mit der kleinen Barockgita­rre und der Theorbe als Partner des Ensemblele­iters.

Wu Wei mit der Kniegeige

Besondere Akzente setzt Peter A. Bauer, der wie ein Magier mit verschiede­nsten Schlaginst­rumenten hantiert und sich von den überlebens­großen Ritterfigu­ren im Saal inspiriere­n lässt. Die zweisaitig­e chinesisch­e Kniegeige Erhu mischt sich in ihrem leicht melancholi­schen Klang erstaunlic­h gut mit den Barockinst­rumenten und wird von Wu Wei, dem in Berlin lebenden chinesisch­en Musiker, auch höchst virtuos gespielt. Blickfang und außergewöh­nlich im Klang ist die chinesisch­e Mundorgel Sheng, die bald wie eine Mundharmon­ika, bald wie eine Oboe oder ein kraftvolle­s Akkordeon klingen kann. Italienisc­hes und Chinesisch­es vermischen sich, zuletzt verwandeln sich frühbarock­e Basslinien in einen wilden „Drachentan­z“auf diesem beflügelnd­en Ritt durch Zeiten und Kulturen.

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