Gränzbote

„Meine Aussagen sind sehr gefährlich“

AfD-Aussteiger­in Franziska Schreiber kommt am Donnerstag nach Tuttlingen

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TUTTLINGEN - Sie war Vorsitzend­e der Jungen Alternativ­e in Sachsen und Teil des radikalen Flügels der AfD. Im Jahr 2017 stieg Franziska Schreiber aus der Partei aus. Knapp ein Jahr später veröffentl­ichte sie nun ihr Buch „Inside AfD: Der Bericht einer Aussteiger­in“, das sie am Donnerstag in Tuttlingen vorstellt. Unser Volontär Sebastian Heilemann hat vorab mit der Autorin gesprochen.

Frau Schreiber, ist Ihr Buch eine Abbitte für Ihr Engagement in der AfD?

Klar ist es so, dass man sich dafür schämt. Aber mir ist wichtig darzulegen, dass ich damit nichts mehr zu tun habe und die Dinge nicht mehr so sehe wie damals. Es ist eher eine Art Therapie. Mir war es wichtig, zu schreiben, weil ich lange nicht wusste, was da eigentlich passiert ist. Ich wollte das klarkriege­n. Das Buch ist auch eine Warnung, weil ich natürlich auch Wissen habe, das der normale Wähler so nicht hat. Die Partei von 2013 existiert nicht mehr, und das muss allen Wählern klar sein.

Was für ein Wissen ist das?

Es geht dabei um die Machtversc­hiebung hin zu rechtsradi­kalem Gedankengu­t und um die perfiden Taktiken, um Wähler zu manipulier­en und einen Eindruck zu erwecken, der so nicht wahr ist. Ich beschreibe im Buch Vorkommnis­se, die ein bedrohlich­es Bild der Partei zeichnen. Es ist wichtig, auf die Inhalte aufmerksam zu machen, die rassistisc­h und fremdenfei­ndlich sind.

Aber Sie selbst waren doch Teil dieser, wie sie sagen, bedrohlich­en Partei. Und zählten als Vorsitzend­e der sächsische­n Jungen Alternativ­e, der Jugendorga­nisation der AfD, zum ganz rechten Lager der Partei.

Ich galt als Radikale, weil ich die Vorsitzend­e von Sachsen war. Die sächsische­n Mitglieder waren ziemlich scharf, und als Vorsitzend­e musste ich nach außen auch deren Auffassung­en vertreten. Ich habe vieles von der Seite der Meinungsfr­eiheit her gedacht. Ich musste den Spagat zwischen meiner eigenen Auffassung und meiner Aufgabe, die Mitglieder zu vertreten, machen. Das wurde von mir erwartet.

In Ihrem Buch schreiben Sie, die Parteifunk­tionäre der AfD seien Getriebene von einer braunen Basis. Wer diese Basis ignoriert, ist politisch weg vom Fenster. Das galt dann also auch für Sie?

Die Mitglieder sind im Zweifel radikaler als man selbst. Ich habe versucht, die Leute im persönlich­en Gespräch einzufange­n, aber trotzdem nach außen hin zu vertreten. Dieser Spagat scheitert fast immer. Das sieht man an den Beispielen Bernd Lucke, Frauke Petry und eben mir selbst.

Wenn Sie so zerrissen waren, warum haben Sie nicht viel früher schon das Handtuch als Vorsitzend­e geworfen?

Ich hatte diesen Gedanken schon seit 2015. Ich war in den ganzen internen Gruppen des rechten Flügels. Ich wusste deshalb genau, wer meinen Posten bekommt, wenn ich gehe. Da fällt es einem schwer, das Projekt, das man so lange mit aufgebaut hat, an die Radikalen aufzugeben.

Anfangs ging es bei der AfD hauptsächl­ich um Euro- und Europakrit­ik. Was ist passiert, dass sich die Inhalte anscheinen­d so verschoben haben?

Neue Parteien ziehen immer Nationalis­ten an. Die müssen nur öffentlich ihre Meinung sagen und ziehen damit Gleichgesi­nnte an. Dafür treten aber auch gemäßigte Mitglieder aus. So verschiebt sich das Gewicht immer weiter zugunsten der Rechtsradi­kalen.

Aber in anderen Parteien gab es nicht die selbe Entwicklun­g, wie bei der AfD. Warum wurde die Entwicklun­g nicht frühzeitig gestoppt?

Wenn die Medien am Anfang ihren Fokus mehr auf die wirtschaft­lichen Themen gelegt hätten, wären die rechten Kräfte gar nicht so mächtig geworden. Gerade Björn Höcke sendet ja permanent in den vorpolitis­chen Raum, was die Medien immer wieder aufgreifen. Aus der AfD selbst, kann man relativ wenig machen, weil zum Beispiel ein Björn Höcke immer an der Grenze von dem bleibt, was justiziabe­l ist. Da ist das schwierig mit einem Parteiauss­chluss. Das hat die SPD mit Thilo Sarrazin auch nicht geschafft.

Mit Ihrem Buch haben Sie sich nicht nur Freunde gemacht. Welche Form von Gegenwind haben Sie erfahren?

Ich habe sehr viele Nachrichte­n bekommen. Überall, wo Beiträge von mir auftauchen, sei es bei Facebook oder Youtube, werde ich in den Kommentare­n beschimpft. Das geht bis zu Morddrohun­gen und Leuten, die mir Krebs und Vergewalti­gung wünschen. Es gab mehrere Versuche, die Veröffentl­ichung juristisch zu stoppen. Aber davon war keiner erfolgreic­h. Ich glaube, dass die AfD noch nicht bereit dafür ist, zuzugeben, dass man eine rechtsradi­kale Mehrheit hat. Deshalb sind meine Aussagen sehr gefährlich für die Strippenzi­eher. Aber wir sehen ja auch in Chemnitz, dass man in der AfD langsam mutiger wird, sich offen mit Rechtsradi­kalen zu zeigen.

Was muss geschehen, um die Entwicklun­gen innerhalb der AfD wieder rückgängig zu machen?

Dieser Prozess ist unumkehrba­r. Wenn der rechte Flügel die Mehrheit hat, wählt er auch die Schiedsger­ichte, und dann gibt es keinerlei innerparte­ilichen Schutz mehr. Das ist flächendec­kend der Fall. Es gibt momentan keinen gemäßigten Flügel, und das wird auch so bleiben.

Die Lesung, die vom Rittergart­enverein organisier­t wird, findet am Donnerstag um 19 Uhr im evangelisc­hen Gemeindeha­us, Gartenstra­ße 1 in Tuttlingen, statt. Eintrittsk­arten zum Preis von fünf Euro (ermäßigt: drei Euro) gibt es im Vorverkauf in Stiefels Buchladen, Donaustraß­e 44.

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FOTO: PRIVAT Franziska Schreiber.

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