Dorfverein goes Königsklasse
Im elften Erstliga-Jahr geht es für Hoffenheim erstmals um Champions-League-Punkte
Ex-Nationalspieler
Per Mertesacker
(Foto: imago) kann die Kritik am Führungsstil von Bundestrainer Joachim Löw nicht teilen. „Löw braucht niemanden, der ihm irgendwas sagt oder seinen Führungsstil kommentiert. Er ist ein ehrgeiziger Typ und wird sich ganz unabhängig von irgendwelchen Ratschlägen ohnehin überdenken“, sagte er spox.com. Der Weltmeister von 2014 antwortete damit auch auf die Ausführungen von Ex-Kapitän Philipp Lahm, der nach dem WMAus forderte, Löw müsse seinen Führungsstil ändern. (dpa) CHARKIW (dpa/SID) - Julian Nagelsmann hatte sein obligatorisches Lächeln aufgesetzt, doch gab es diesmal auch keinen Grund, nicht zu strahlen: voller Stolz und Vorfreude ist der nun auch jüngste Trainer der Champions-League-Geschichte mit dem kleinsten Dorfverein zum Debüt in der Königsklasse aufgebrochen. Die TSG Hoffenheim und der 31-jährige Nagelsmann, ebenfalls jüngster Bundesliga-Trainer aller Zeiten, fordern zum Auftakt der Gruppenspiele den ukrainischen Meister und Tabellenführer Schachtjor Donezk. „Mein erstes Champions-League-Spiel ist natürlich historisch und schon eine schöne Sache“, ist sich auch Nagelsmann sicher. Und alle Sorgen sind gerade weit weg: der Bundesliga-Frust, die Verletzungssorgen, die verpatzte Generalprobe. „Die Freude ist sehr groß“, verkündete Sportchef Alexander Rosen vor der heutigen Partie (18.55 Uhr/ DAZN) in Charkiw ungeachtet der schlechten Nachrichten: „Wir treten nicht an, um die Hymne zu hören. Wir wollen gewinnen. Es warten große Herausforderungen.“
Den englischen Meister Manchester City mit Startrainer Pep Guradiola, den die TSG im ersten Heimspiel am 2. Oktober in Sinsheim erwartet, sieht Rosen als Topfavoriten. Gegen Olympique Lyon und Donezk rechnet sich das Team aus dem 3200Einwohner-Ort im Kraichgau aber etwas aus. „Platz vier wäre in der Gruppe schon eine Enttäuschung, Platz drei wäre wunderbar und Platz zwei ein Traum“, sagt Mehrheitseigner Dietmar Hopp. Dass die Generalprobe gegen den Aufsteiger Fortuna Düsseldorf (1:2) verloren ging, soll nun keine Rolle mehr spielen.
Abschneiden geraderücken
„Wir haben genug Selbstvertrauen, um es nun besser zu machen“, sagte Nationalspieler Nico Schulz, der von seinen (offensiven) Mitspielern allerdings mehr Kaltschnäuzigkeit einforderte. Und die scheinen die Botschaft auch verstanden zu haben. „Wir wollen ganz Europa zeigen, für welchen Fußball wir stehen und zu was wir in der Lage sind“, so VizeWeltmeister Andrej Kramaric.
Mit erfrischenden und spektakulären Auftritten hatte es die Mannschaft von Julian Nagelsmann in der vergangenen Saison auf den dritten Platz der Bundesliga geschafft. Der Lohn dafür sind nun die Auftritte in der europäischen Königsklasse.
Dabei helfen soll ausgerechnet die Erfahrung aus dem Vorjahr, als die TSG in der Europa League nur Gruppenletzter wurde und ausschied. „Wir wollen das ein wenig gerade rücken“, sagte Rosen. Allerdings weiß er um die Schwere der Aufgabe beim elfmaligen Champion und zwölfmaligen Pokalsieger der Ukraine: „Gegen Donezk haben sich schon viele Mannschaften schwergetan. [...] Wir wissen, was das für eine besondere Herausforderung wird.“
Auch in modischer Hinsicht: Der nicht uneitle Nagelsmann würde ja zur Feier des Tages gerne einen Anzug tragen, gab aber kürzlich zu bedenken, dass man darin so schwitze. Welche Kleidung er nun dabei habe? „Relativ viel. Die Absprache erfolgt noch im Trainer-Team“, erklärte der Trainer. So viel vorab: „Es wird kein bunter Anzug.“
Und noch etwas bereitet dem Trainer Kopfzerbrechen, muss er doch sein Team wieder umbauen. Ihm fehlen die verletzten Benjamin Hübner, Lukas Rupp, Nadiem Amiri, Kasim Adams, Ermin Bicakcic und Dennis Geiger. Zudem verzichtet die TSG auf Joshua Brenet und Ishak Belfodil. „Sie wären normalerweise im Kader. Aufgrund einer disziplinarischen Maßnahme haben wir uns aber entschlossen, beide nicht zu nominieren“, berichtete Rosen. Dafür sind Kevin Vogt und Florian Grillitsch sowie Kevin Akpoguma und auch Kerem Demirbay wieder im EM-Stadion von Charkiw dabei, in dem Schachtjor bereits die zweite Saison spielt, nachdem der Heimclub Metalist pleite ging.
Der Umzug fiel den OrangeSchwarzen nicht schwer, hatten sie doch in Lwiw seit dem Abschied aus ihrem Heimatstadion wegen des Kriegsausbruchs 2014 einen schweren Stand. Zu stark wurde ihr Verein mit den prorussischen Separatisten aus dem Donbass assoziiert. Aber die mit etwa 1,5 Millionen Einwohnern zweitgrößte ukrainische Stadt lockte nicht nur mit einem leeren Stadion. Die räumliche Nähe zum heimatlichen Industrierevier Donbass – nur etwa 200 Kilometer entfernt befindet sich die Frontlinie – machte die Großstadt zur ersten Anlaufstelle für viele Flüchtlinge aus dem von Aufständischen kontrollierten Donezk. Der Rückhalt für die Mannschaft ist daher größer als in der Westukraine.
Für die TSG und Nagelsmann soll Charkiw dennoch der Startschuss für eine Erfolgeschichte werden.
2. Bundesliga
Dynamo Dresden – Hamburger SV 0:1 (0:0) Tor: 0:1 Hwang (68.). – Zuschauer: 31 000. – Besonderes Vorkommnis: Schubert hält Foulelfmeter von Lasogga (90.+4).
„Platz vier wäre in der Gruppe schon eine Enttäuschung, Platz drei wäre wunderbar und Platz zwei ein Traum.“