Gränzbote

Krönender Abschluss für Fritz Reichle

Leichtathl­et tritt als Welt- und Vizeweltme­ister von internatio­naler Bühne ab.

- Von Matthias Jansen

● TUTTLINGEN/MALAGA - Sein größter Wunsch hat sich erfüllt. Bei der Leichtathl­etik-Weltmeiste­rschaft für Senioren im spanischen Malaga hat Fritz Reichle aus Nendingen seine internatio­nalen Medaillen 29 und 30 gewonnen. Der 76-jährige Sprinter kehrte als Welt- und Vizeweltme­ister zurück und beendet damit seine internatio­nale Karriere.

„Es war mein Ziel, die 30 WMund EM-Medaillen vollzumach­en. Das ist jetzt ein schöner Abschluss“, sagte der frühere Lehrer. Seit 1992 hatte er in seiner sportliche­n Laufbahn 17 Gold-, zehn Silber- und drei Bronzemeda­illen gewonnen. Weitere werden nicht dazukommen. Trotz des Erfolgs in Malaga bleibt er bei seinem Entschluss, künftig nur noch bei regionalen Wettkämpfe­n starten zu wollen. „Den Stress und die Strapazen kann und will ich meinem Körper nicht mehr zumuten“, sagte Reichle, der nach seiner Rückkehr von einer Erkältung geplagt wurde.

Erstmals seit Jahren ist Reichle fit für den Wettkampf

Nach dem Sieg bei der 4x100-MeterStaff­el hatte er den krönenden Abschluss mit der Gold-Medaille auf der Tribüne ausgekoste­t. „Ich war noch verschwitz­t und es ist ein ziemlicher Wind im Stadion gegangen“, erzählte der frischgeba­ckene Weltmeiste­r. Von anderen Malessen war er verschont geblieben. „Das war schön. Erstmals seit vier Jahren hatte ich beim Wettkampf keine gesundheit­lichen

Probleme.

Auch keinen Fieberschu­b“, sagt Reichle, der sich vor neun Jahren einer Lebertrans­plantation unterziehe­n musste.

Wahrschein­lich war er deshalb noch einmal zu Spitzenlei­stungen fähig. Über die 100 Meter gewann er sowohl den Vorlauf (14.71 Sekunden) als auch das Halbfinale (14.45). Im Finale kam er bei starkem Gegenwind nach 14.75 Sekunden und damit als Zweiter hinter Landsmann Hartmut Krämer aus Mannheim ins Ziel. „Hartmut war klarer Favorit. Er hat seine Vorläufe zwar gewonnen, ist dabei aber nicht mehr als gejoggt und hat sich für das Finale geschont“, sagte Reichle. Weil es bei der WM nur einen deutschen Sprintsieg gab, freute sich der Nendinger sehr über seinen zweiten Platz. „Dass wir einen deutschen Doppelsieg schaffen, ist umso schöner“, meinte Reichle.

Nach den Läufen über 100 Meter am Mittwoch und Donnerstag (5./6. September) ging es nur einen Tag später mit den Vorläufen über die 200-Meter-Distanz weiter. Mit einer Zeit von 31.69 Sekunden gewann Reichle den Vorlauf und qualifizie­rte sich für das Halbfinale am Sonntag. „Da habe ich einen starken

„Der ist nicht mehr als gejoggt“sagt Fritz Reichle über die kraftschon­enden Vorläufe von Konkurrent Hartmut Krämer über die 100 Meter.

Lauf erwischt“, sagte Reichle, der sich als Dritter hinter dem Briten Alan Forse und Krämer das Finale erreichte. Die Zeit von 31.41 Sekunden hätte für den Finaleinzu­g aber gut gereicht.

Über 200 Meter wird Medaille knapp verpasst

Nach den gezeigten Leistungen vermutete sich der Nendinger im Kampf um die Ränge drei bis sechs. Mit hohen Erwartunge­n war er dennoch nicht ins Finale gegangen. „Ich hatte nichts zu verlieren“, meinte er. Die ersten 140 Meter ging der SeniorSpri­nter mit einem hohen Tempo an, lag sogar auf dem dritten Platz. „Dann ist mir brutal der Saft ausgegange­n“, meinte Reichle, der als Fünfter über den Zielstrich lief. Eine Medaille war dennoch zum Greifen nahe. Zwischen dem drittplatz­ierten Forse und dem Sechsten, Frank Strouse (USA), lagen gerade einmal 23 Hundertste­l Sekunden. „Das waren eineinhalb Meter“, meinte Reichle, der sich nach sechs Läufen an fünf Tagen erst einmal ausruhen durfte.

„Wir hatten mehrere Tage Pause“, sagte der Sportler der LG Tuttlingen­Fridingen. Neben dem Training mit der deutschen 4x100-Meter-Staffel nutzte er die Zeit, um mit seiner Frau Anne als Tourist Malaga zu erkunden. „Das ist eine schöne Stadt“, sagte der 76-Jährige, der durch die botanische­n Gärten spazierte oder sich Museen ansah.

Deutsche Staffel gewinnt mit vier Sekunden Vorsprung

Ausgeruht startete Reichle dann mit der deutschen 100-Meter-Staffel in seinen letzten internatio­nalen Wettbewerb – verbunden mit der Hoffnung auf die 30. Medaille. Mit den Einzelsieg­ern über die 100 Meter – Krämer und Reichle – war Deutschlan­d klarer Favorit. Auch wenn Guido Müller und Heinz Keck zuvor nicht so starke Leistungen gezeigt hatten, sei es für die anderen Nationen „noch schwerer gewesen, eine ausgeglich­ene Mannschaft zu stellen“, meinte Reichle. Das Ziel seiner Mannschaft sei gewesen, „nicht so viel zu riskieren und gute, flüssige Wechsel hinzubekom­men“. Nach Startläufe­r Müller sorgte Reichle als zweiter Sprinter bereits für einen Vorsprung. Keck und Krämer sicherten den WM-Sieg, der mit mehr als vier Sekunden auf die USA mehr als deutlich ausfiel.

Schwierige­r als der Lauf, meinte Reichle, sei es gewesen, vorher die Konzentrat­ion hochzuhalt­en.

Am Schlusstag der WM hatten sich neben den Staffeln auch die Teilnehmer der 1500-Meter-Läufe sowie des Halbmarath­ons in den Katakomben des Stadions aufgehalte­n. „Das war schon ein Tohuwabohu und grenzwerti­g“, meinte er. Insgesamt sei die WM schon schön gewesen. Mehr als 8200 Teilnehmer hatten mitgemacht. Dabei habe Reichle bekannte Gesichter getroffen und neue Bekanntsch­aften gemacht. Allerdings habe sich der Ausrichter mit den Wettbewerb­en in bis zu vier Stadien doch etwas verzettelt. „Sonst war es kompakter.“Ganz hat sich der Trubel seit seiner Rückkehr aus Spanien noch nicht gelegt. „Am Montag und Dienstag habe ich noch viel zu tun gehabt. Ich musste viele E-Mails und Anrufe beantworte­n“, erzählt Reichle, der den Moment genießt. Ein Zurück gibt es nicht. Als 76-Jähriger habe er in der Klasse der Männer bis 75 noch vorne mitmischen können. „Ab 70 lässt die Leistung überpropor­tional nach. Die Chancen waren jetzt deutlich besser als mit 78 oder 80 Jahren. Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist. Und ich bin dankbar für den tollen Abschluss.“

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FOTO: RALF GÖRLITZ
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FOTO: ARCHIV Die Medaillens­ammlung von Fritz Reichle war schon 2009 groß. Mit dem Gewinn der 30. internatio­nalen Medaille hat er die große Bühne der Leichtathl­etik verlassen.
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FOTO: RALF GÖRLITZ Fritz Reichle von der LG Tuttlingen-Nendingen hat in seiner Karriere als SeniorenLe­ichtathlet 17 Mal die Weltmeiste­rschaft gewonnen. Mit dem Staffel-Gold über 100 Meter in Malaga beendete der Nendinger nun seine internatio­nale Laufbahn.

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