Extreme Auswirkungen auf Waldzustand
Hitze und Trockenheit begünstigen Vermehrung des Borkenkäfers.
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TUTTLINGEN - Fachleute sprechen nach dem heißen und extrem trockenen Sommer von einer Jahrhundertkatastrophe für den Wald in Europa. „Mittlerweile teile ich diese Überzeugung“, sagt Thomas Storz, Leiter der Holzverkaufsstelle des Landkreises Tuttlingen. Seit Mitte August kämpfen die Förster im Kreis massiv gegen den Borkenkäfer. Die Trockenheit hat zudem frisch gepflanzten Kulturen zugesetzt. Nach ersten vorsichtigen Schätzungen geht die Forstverwaltung von einem Schaden von rund fünf Millionen Euro für Waldbesitzer im Kreis Tuttlingen aus.
In Geisingen könnte der Ausfall der Jungkulturen bei einem Drittel bis 50 Prozent liegen. Dort sind Ausgleichsflächen für die Baumaßnahme von Daimler in Immendingen geschaffen worden. Im Revier Neuhausen ob Eck hat die Trockenheit ebenfalls rund die Hälfte der Frischpflanzen gekostet. „Das ist ein wahnsinniger Verlust“, sagt Verena Dorsch, Dezernentin Ländlicher Raum der Kreisverwaltung. Harald Müller, Forstrevierleiter in Neuhausen, hat die Niederschlagsmengen in seinem Beritt verglichen: Mit 560 Litern pro Quadratmeter seit Jahresbeginn liegt diese zwar nur wenig unter denen des Supersommers 2003. Das sei laut Müller aber vor allem dem nassen Jahresstart 2018 zu verdanken gewesen. Zur Hauptvegetationszeit habe es, wenn überhaupt, nur punktuell im Kreis geregnet.
Die Auswirkungen zeigen sich jetzt. „Mitte August ging es massiv mit dem Borkenkäfer los“, sagt Müller. Dann seien die Winterniederschläge offensichtlich aufgebraucht gewesen. Mit fatalen Folgen: Bei den derzeit herrschenden optimalen Bedingungen kann der Schädling drei Generationen ausbilden. „Das führt zu einer Vertausendfachung einer Generation“, erklärt Storz. Was also tun? Nichts wie raus mit dem Käfer aus dem Wald. Dorsch zählt die verschiedenen Möglichkeiten auf: „Entgiften, entrinden oder entfernen.“
Bürgermeister bereits informiert
Im Neuhauser Lehrwald ist der Stockacher Günter Leitz, Chef eines privaten Forstbetriebs, seit Tagen mit dem Vollernter dabei, befallene Fichten zu fällen und klein zu machen. Die Maschine schafft in acht Stunden bis zu 200 Festmeter. Momentan könnte er Tag und Nacht arbeiten. Schließlich ist die Borkenkäfer-Situation nicht nur in Neuhausen und dem Landkreis Tuttlingen prekär, sondern ebenso im angrenzenden Kreisen.
20 bis 30 Prozent liegt der Preis von Käferholz unter dem Normalpreis, erklärt Storz. Dazu komme der weitaus größere Aufwand, den die Waldbesitzer für das oft kleinteilige Holz investieren müssen. „Damit ist man doppelt gestraft.“
Der Umsatz im Holzverkauf aller Forstbetriebe im Landkreis Tuttlingen beträgt in normalen Jahren rund 25 bis 30 Millionen Euro. Nur: 2018 wird kein normales Jahr. „Wir haben bereits am 13. September alle Bürgermeister im Kreis angeschrieben, dass wir den Holzeinschlagsplan nicht einhalten können“, erklärt Dezernentin Dorsch. Statt Frischholz muss jetzt das Käfer- und Trockenholz aufgearbeitet werden.
Bei einem vorsichtigen Schadenszenario von 60 000 Festmeter in diesem Jahr rechnet Storz für die Waldbesitzer im Landkreis mit Schäden von mehr als fünf Millionen Euro. „Die Wiederaufforstung der entstehenden Kahlstellen wird in den Folgejahren noch einmal mit mindestens soviel zu Buche schlagen.“
Kontrolle der Waldbesitzer
Ein enormer Aufwand ist für die Revierförster und die Kreisbehörde die Information der privaten Waldbesitzer, die knapp 30 Prozent der rund 37 000 Hektar Waldfläche halten. Auch für sie gilt: Das Käferholz muss raus. Innerhalb eines Monats wurden rund 150 Waldbesitzer angeschrieben und ihnen eine Frist von zwei bis drei Wochen gesetzt, in denen sie der Aufgabe nachgehen können. „Die meisten reagieren“, hat Müller bemerkt. Entweder nehmen sie Kontakt mit dem Förster auf und bitten um Unterstützung oder sie beseitigen das Käferholz selbst. Die Kontrolle bedeutet viel Arbeit. „Die Kollegen sind alle am Anschlag“, sagt Dorsch. Zumal die Leitung des Kreisforstamts im Tuttlinger Landratsamt nach dem Weggang Frieder Dinkelakers erst mal nicht besetzt wird – mit Blick auf die anstehende Forstreform. Doch es führe kein Weg daran vorbei: „Jetzt nachlässig zu sein, wäre verheerend. Wir hätten Jahre damit zu kämpfen“, sagt Dorsch.
Ein Video zum Borkenkäfer im Wald bei Neuhausen und Rodungsarbeiten finden Sie hier: schwaebische.de/borkenkaeferbefall