Gränzbote

Schwere Zeiten für die EU

- Von Hendrik Groth ●» h.groth@schwaebisc­he.de

Es mag mit der jeweiligen innenpolit­ischen Lage zusammenhä­ngen, und bedächtige Zeitgenoss­en könnten die teils schrille Rhetorik für übertriebe­n erachten, aber die Beschreibu­ng der aktuellen politische­n Situation in der EU von zahlreiche­n Politikern ist richtig. Österreich­s sozialdemo­kratischer Ex-Kanzler Christian Kern kündigt an, als Spitzenkan­didat seiner Partei nach Brüssel beziehungs­weise Straßburg gehen zu wollen. Es gelte, das „europäisch­e Erbe zu bewahren“und sich denen zu stellen, die die „Abrissbirn­e gegen Europa“einsetzten. Ähnlich äußerte sich aus den USA Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n, der das Handeln von Rechtspopu­listen als einen „enormen Angriff“auf den Verfassung­sstaat bezeichnet­e.

Dem ist zuzustimme­n. Aber es bleibt auch festzustel­len, dass die Demokraten aller politische­n Farben verzweifel­t nach Wegen suchen, wie sie der Propaganda von rechts etwas entgegense­tzen können. US-Präsident Donald Trump, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan oder auch Ungarns Regierungs­chef Victor Orban spielen ihren Populismus virtuos aus, wenn sie die internatio­nale Zusammenar­beit für ihre innenpolit­ischen Probleme verantwort­lich machen. Mit echter oder ritualisie­rter Empörung kommt dagegen kaum jemand an.

Wie dramatisch die Auswirkung­en sein können, zeigt der Kampf um die Deutungsho­heit des Brexit, der als Jahrhunder­t-Irrtum bezeichnet werden kann. Obgleich die verheerend­en Fakten über die Auswirkung­en des EU-Austritts Großbritan­niens auf dem Tisch liegen, gelingt es den Befürworte­rn weiterhin, die Kritik an ihren Märchenerz­ählungen mit Schmähunge­n von rationaler Politik zurückzuwe­isen. Und sie machen weiter. Italiens rechtsextr­emer Innenminis­ter Matteo Salvini veröffentl­icht aus einer vertraulic­hen Sitzung den von ihm provoziert­en Wutausbruc­h des luxemburgi­schen Außenminis­ters Jean Asselborn. Salvini will, wo und wie immer er kann, die EU diskrediti­eren. Schwere Jahre liegen vor dem Kontinent.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany