Causa Maaßen entzweit SPD
Chefin Nahles schreibt Bittbrief an die Parteimitglieder
BERLIN (dpa) - Der Streit um die Beförderung des als Verfassungsschutzpräsident abgesetzten HansGeorg Maaßen zum Staatssekretär hat die SPD in einen Zwiespalt gestürzt. Die unter Druck geratene SPD-Chefin Andrea Nahles rief ihre Partei zur Unterstützung auf. „Die SPD sollte diese Bundesregierung nicht opfern, weil Horst Seehofer einen Beamten anstellt, den wir für ungeeignet halten“, heißt es in dem Schreiben an die 460 000 Mitglieder.
Für zusätzlichen Ärger sorgte die Ankündigung von Innenminister Seehofer, Staatssekretär Gunther Adler, einen SPD-Mann, in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen. Der 55-Jährige war bisher für den Bereich Wohnen und Bauen zuständig. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kündigte beim informellen EU-Gipfel in Salzburg an, dass Adler, dessen Arbeit sie sehr schätze, nun eine neue Aufgabe bekommen soll.
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BERLIN - Am Tag danach geht die Auseinandersetzung weiter. Nach dem Koalitionsstreit ist vor dem Koalitionsstreit. Die schwarz-roten Chaostage dauern an. Die Versetzung von Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen löst bei der SPD und in der Opposition helle Empörung aus.
„Ein Desaster“, schimpfte SPDVize Ralf Stegner. Der Geduldsfaden mit der Großen Koalition sei in der SPD inzwischen „extrem dünn“. Juso-Chef Kevin Kühnert stellte erneut das schwarz-rote Regierungsbündnis in Frage.
„Meine persönliche Schmerzgrenze ist erreicht“, sagte er. Für die Sozialdemokraten sei der Preis „zu hoch für den Fortbestand der Koalition“, die Entscheidung im Falle Maaßen „rational nicht mehr erklärbar“. SPD-Chefin Andrea Nahles gerät unter Beschuss, wird für das Ergebnis des Krisengipfels am Dienstag gerade auch aus den eigenen Reihen heftig kritisiert.
Noch kein Nachfolger
Viele Sozialdemokraten wollen sich nicht damit abfinden, dass Maaßen nicht nur nicht entlassen wird, sondern sogar noch auf der Karriereleiter nach oben steigt. Droht der SPDVorsitzenden jetzt der offene Aufstand? „Wir haben letzte Woche klar formuliert, der Mann kann nicht bleiben, das heißt, er muss gehen“, sagte SPD-Vizechefin Natascha Kohnen. „Ich fordere jetzt alle SPD-Mitglieder im Kabinett auf, gegen Maaßens Ernennung zu stimmen“, betonte die SPD-Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl in Bayern.
Doch die endgültige Entscheidung im Bundeskabinett zu Maaßens Jobwechsel lässt noch auf sich warten. Bisher gebe es keinen Kandidaten für das Amt des Verfassungsschutzpräsidenten, erklärte Innenminister Seehofer. Es werde „zeitnah, aber gut überlegt“entschieden.
Bei den Genossen ist das Beben deutlich spürbar: Gerade noch hatte die SPD-Spitze auf einen Rauswurf des umstrittenen Verfassungsschutzpräsidenten gepocht – nun hat Parteichefin Nahles sogar der Beförderung Maaßens zugestimmt. „Die SPD steht nicht am Abgrund. Sie ist schon ein Stück weiter“, twitterte die Ulmer Parteilinke Hilde Mattheis. Die baden-württembergische SPDChefin Leni Breymaier bezeichnete Maaßens Beförderung als „unerträglich“. Und der Tübinger Martin Rosemann, Vorsitzender der SPD-Landesgruppe im Bundestag, hält Seehofer als Innenminister für „nicht mehr tragbar“.
Nahles reagierte, schrieb in einem Brief an die Parteimitglieder: Bundesinnenminister Seehofer sei nur unter der Bedingung zur Ablösung von Maaßen bereit gewesen, dass er ihn in sein Ministerium versetze. „Ein SPD-Minister hätte das nicht getan, ich halte es auch für falsch“, erklärte sie. „Ich verstehe die Kritik am aktuellen Vorgehen, sie hat aber einen klaren Adressaten: Horst Seehofer“, so Nahles.
Unverständnis herrscht auch bei der oppositionellen FDP. „Weil man Herrn Maaßen bei der Führung einer Sicherheitsbehörde nicht mehr traut, bekommt er nun im Bundesinnenministerium die Zuständigkeit für die gesamte Sicherheit“, kritisierte der Ravensburger Abgeordnete Benjamin Strasser. „Es wird immer abstruser.“ „Es ist nicht verlangt worden, Maaßen in den Ruhestand zu versetzen“, stellte der Bundesinnenminister dagegen klar. SPD-Chefin Nahles soll beim Krisengipfel der Parteichefs am Dienstagnachmittag dem Wechsel und Karrieresprung Maaßens zugestimmt haben. „Es war alles niedergeschrieben“, versicherte Seehofer. Es könne niemand sagen, dass nicht klar über alle Folgen einer bestimmten Entscheidung geredet worden sei.
Am Wochenende hatte SPD-Chefin Nahles noch kategorisch die Entlassung des Verfassungsschutz-Präsidenten gefordert.
Doppelt bitter für die Genossen: Nicht nur, dass Maaßen ein neues attraktives Amt bekommt. Hinzu kommt, dass im Gegenzug ausgerechnet ein Sozialdemokrat in den einstweiligen Ruhestand versetzt wird: Bau-Staatssekretär Gunther Adler muss gehen. Warum es den ausgewiesenen Experten trifft? Seehofer zuckte am Mittwoch mit den Schultern. „Er ist halt ein Opfer“, sagte er. Dass der 55-jährige Adler für Maaßen Platz machen muss, ist für viele Genossen der Gipfel in der ganzen unerfreulichen Causa Maaßen.