Frühere Wangener Hospizleiterin zu Geldstrafe verurteilt
Schuldspruch wegen Verstößen gegen das Urkunden- und das Arzneimittelrecht – Freispruch vom Betrugsvorwurf
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WANGEN - Das Wangener Amtsgericht hat die frühere Leiterin des dortigen Hospizes wegen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz und wegen Urkundenunterdrückung zu einer Geldstrafe von 75 Tagessätzen à 60 Euro verurteilt. Vom Vorwurf des Betrugs sprach es Annegret Kneer frei.
Der Richter hielt es am Mittwoch für erwiesen, dass sie 2016 das Medikamentenblatt eines Patienten vernichtet hatte. Dies erfülle den Tatbestand der Urkundenunterdrückung. Zumal er ein Motiv erkannte: Die Beschuldigte habe die Tat begangen, „um ihre eigene Situation in einem Zivilprozess zu verändern“. Er ließ in seiner Begründung das von der Angeklagten vorgebrachte Argument nicht gelten, später ein neues Blatt angefertigt zu haben, um die Lesbarkeit der Aufzeichnungen zu verbessern: „Das nehme ich Ihnen wirklich nicht ab.“
Der Richter folgte den Vorwürfen der Anklage ebenfalls beim Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz. Konkret ging es um den Vorwurf, dass Annegret Kneer für bestimmte Patienten vorgesehene Schmerzmittel aus Behältnissen abgesaugt und anderswo wieder abgefüllt habe.
Frei sprach der Amtsrichter Kneer vom Betrugsvorwurf, bei dem es ebenfalls um falsche Medikamentenabrechnungen ging. Für ihn blieb offen, wer entsprechende Verordnungen erlassen hatte. Zudem ist es aus Sicht des Richters erlaubt, eine zwar bestellte, aber nicht angebrochene Kassette mit Schmerzmitteln für andere Patienten zu verwenden.
Mit diesem Urteil folgte er weder der Anlage noch der Verteidigung: Die Staatsanwaltschaft hatte 150 Tagesätze à 100 Euro gefordert, der Rechtsanwalt einen kompletten Freispruch. Direkt nach der Urteilsverkündung ließen beide Seiten offen, ob sie gegen die Entscheidung vorgehen werden.
Der Staatsanwalt sprach in seinem Plädoyer von einem „völlig verantwortungslosen Umgang“mit Betäubungsmitteln, um im Hospiz einen „schwarzen“Medikamentenpool zu schaffen. Der Verteidiger gab zu, dass „im hektischen Alltag“des Hospizes Fehler begangen worden seien – „aber keine mit strafrechtlicher Relevanz“.
Annegret Kneer betonte in ihrem Schlusswort ihre Leistungen beim Aufbau der Wangener Hospizbewegung und beim langjährigen Betrieb des Hospizes. Warum sich 2016 Mitarbeiterinnen von ihr abwendeten, sei ihr bis heute unerklärlich. Von diesen wie von der damaligen Geschäftsführung sei sie „kriminalisiert“worden. Unterm Strich seien ihr Ruf und der ihrer Familie heute „irreparabel beschädigt“worden.
Der dreitägige Prozess war von emotionalen Begleitumständen gekennzeichnet. Stets vor nahezu überfülltem Gerichtssaal sprach Annegret Kneers Verteidiger am Mittwoch von einer „fast gespaltenen Gesellschaft in Wangen“durch das Verfahren, aber auch durch die im wesentlichen 2016 bekannt gewordenen Vorwürfe gegen seine Mandantin. Während allen Verhandlungstage musste der Richter die Zuhörer, die sich im Wesentlichen aus Anhängern der Beschuldigten rekrutierten, zur Ordnung rufen.