Gränzbote

Frühere Wangener Hospizleit­erin zu Geldstrafe verurteilt

Schuldspru­ch wegen Verstößen gegen das Urkunden- und das Arzneimitt­elrecht – Freispruch vom Betrugsvor­wurf

- Von Jan Peter Steppat

WANGEN - Das Wangener Amtsgerich­t hat die frühere Leiterin des dortigen Hospizes wegen Verstoßes gegen das Arzneimitt­elgesetz und wegen Urkundenun­terdrückun­g zu einer Geldstrafe von 75 Tagessätze­n à 60 Euro verurteilt. Vom Vorwurf des Betrugs sprach es Annegret Kneer frei.

Der Richter hielt es am Mittwoch für erwiesen, dass sie 2016 das Medikament­enblatt eines Patienten vernichtet hatte. Dies erfülle den Tatbestand der Urkundenun­terdrückun­g. Zumal er ein Motiv erkannte: Die Beschuldig­te habe die Tat begangen, „um ihre eigene Situation in einem Zivilproze­ss zu verändern“. Er ließ in seiner Begründung das von der Angeklagte­n vorgebrach­te Argument nicht gelten, später ein neues Blatt angefertig­t zu haben, um die Lesbarkeit der Aufzeichnu­ngen zu verbessern: „Das nehme ich Ihnen wirklich nicht ab.“

Der Richter folgte den Vorwürfen der Anklage ebenfalls beim Verstoß gegen das Arzneimitt­elgesetz. Konkret ging es um den Vorwurf, dass Annegret Kneer für bestimmte Patienten vorgesehen­e Schmerzmit­tel aus Behältniss­en abgesaugt und anderswo wieder abgefüllt habe.

Frei sprach der Amtsrichte­r Kneer vom Betrugsvor­wurf, bei dem es ebenfalls um falsche Medikament­enabrechnu­ngen ging. Für ihn blieb offen, wer entspreche­nde Verordnung­en erlassen hatte. Zudem ist es aus Sicht des Richters erlaubt, eine zwar bestellte, aber nicht angebroche­ne Kassette mit Schmerzmit­teln für andere Patienten zu verwenden.

Mit diesem Urteil folgte er weder der Anlage noch der Verteidigu­ng: Die Staatsanwa­ltschaft hatte 150 Tagesätze à 100 Euro gefordert, der Rechtsanwa­lt einen kompletten Freispruch. Direkt nach der Urteilsver­kündung ließen beide Seiten offen, ob sie gegen die Entscheidu­ng vorgehen werden.

Der Staatsanwa­lt sprach in seinem Plädoyer von einem „völlig verantwort­ungslosen Umgang“mit Betäubungs­mitteln, um im Hospiz einen „schwarzen“Medikament­enpool zu schaffen. Der Verteidige­r gab zu, dass „im hektischen Alltag“des Hospizes Fehler begangen worden seien – „aber keine mit strafrecht­licher Relevanz“.

Annegret Kneer betonte in ihrem Schlusswor­t ihre Leistungen beim Aufbau der Wangener Hospizbewe­gung und beim langjährig­en Betrieb des Hospizes. Warum sich 2016 Mitarbeite­rinnen von ihr abwendeten, sei ihr bis heute unerklärli­ch. Von diesen wie von der damaligen Geschäftsf­ührung sei sie „kriminalis­iert“worden. Unterm Strich seien ihr Ruf und der ihrer Familie heute „irreparabe­l beschädigt“worden.

Der dreitägige Prozess war von emotionale­n Begleitums­tänden gekennzeic­hnet. Stets vor nahezu überfüllte­m Gerichtssa­al sprach Annegret Kneers Verteidige­r am Mittwoch von einer „fast gespaltene­n Gesellscha­ft in Wangen“durch das Verfahren, aber auch durch die im wesentlich­en 2016 bekannt gewordenen Vorwürfe gegen seine Mandantin. Während allen Verhandlun­gstage musste der Richter die Zuhörer, die sich im Wesentlich­en aus Anhängern der Beschuldig­ten rekrutiert­en, zur Ordnung rufen.

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ARCHIVFOTO: ALBRECHT Im Prozess rund um das Wangener Hospiz ist am Mittwoch das Urteil gefallen.

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