Gränzbote

„Merkel ist die am wenigsten Beschädigt­e“

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BERLIN - Jürgen W. Falter (Foto: dpa) sieht den Schaden nach der jüngsten Volte um Verfassung­sschutzprä­sident HansGeorg Maaßen vor allem bei der SPD. Andreas Herholz hat den Mainzer Politikwis­senschaftl­er befragt.

Wie kann man Maaßens Wechsel und De-facto-Beförderun­g den Wählern noch erklären?

Ganz so abwegig ist das Ganze ja nicht. Bundesinne­nminister Horst Seehofer wollte Maaßen nie entlassen, stand aber unter politische­m Druck, ihn aus dem Amt zu entfernen. Er musste ihm dann eine adäquate Position anbieten. Das konnte nicht nur der Abteilungs­leiter auf Besoldungs­stufe B9 sein – das wäre eine Herabstufu­ng gegenüber dem Präsidente­n eines Bundesamte­s. Also hat er ihm die Sache versüßt und ihm eine Staatssekr­etärsstell­e auf B11 angeboten.

Hat sich SPD-Chefin Andrea Nahles mit der Rücktritts­forderung verspekuli­ert?

Ja, das zeigen die entsetzten innerparte­ilichen Reaktionen. Die SPD hat sich verzockt und etwas getan, was man eigentlich nie tun sollte, wenn man in einer Koalition ist. Sie stellte ein Ultimatum – und zwar eines durch die Hintertür! Sie hätte das Scheitern der Koalition riskiert, aber das wollte SPD-Chefin Andrea Nahles eigentlich auch nicht. Nahles musste daher zurückrude­rn, auch Seehofer etwas, nur Angela Merkel war es sicherlich egal, ob Maaßen nun Abteilungs­leiter oder Staatssekr­etär wird.

Hat die Kanzlerin Führungssc­hwäche gezeigt?

Sie hat versucht, die Sache ohne viel Blutvergie­ßen hinter sich zu bringen. Dabei hätte sie eigentlich auch eine andere Option gehabt: Sie hätte dem Bundesinne­nministeri­um einfach die Zuständigk­eit für den Verfassung­sschutz entziehen und ihn ins Kanzleramt verlagern können. Dann wäre sie Maaßens Chefin gewesen und hätte ihn sofort entlassen können, wenn sie gewollt hätte. Merkel hat sich aber anders entschiede­n. Das ist eine stille Form der Führung. Sie ist doch die am wenigsten Beschädigt­e in der Sache, ganz sicher hat die SPD die größeren Blessuren davongetra­gen.

Wird die Koalition noch bis Jahresende halten?

Das glaube ich schon. Keiner der drei Beteiligte­n hat ein Interesse, die Koalition aufzukündi­gen. Jeder muss bei einer Neuwahl fürchten, noch schlechter abzuschnei­den. Profitiere­n würden die AfD, die Grünen und eventuell die Linke. Dass Maaßen Fehler gemacht hat, ist dennoch unbestreit­bar. Dass ihn das möglicherw­eise das Amt kosten musste, ist auch unbestreit­bar. Aber eine Entlassung im klassische­n Sinne hätte das nicht unbedingt gerechtfer­tigt, deswegen ist es auch nicht geschehen.

Ausgerechn­et ein SPD-Staatssekr­etär muss jetzt seinen Posten für Maaßen räumen. Was ist das für ein Signal für die Genossen?

Mit Staatssekr­etär Adler als Bauernopfe­r musste auch gerade noch ein SPD-Mann dran glauben. Der Schaden für die Sozialdemo­kraten ist also ein doppelter.

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