Frauenhaus mit 108 Prozent belegt
31 Frauen und 38 Kinder finden Unterschlupf – Ärztesuche ist schwierig
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TUTTLINGEN - Bei der Mitgliederversammlung des Frauenhauses Tuttlingen am Dienstagabend ist Christine Leutkart, die rund 14 Jahre im Vorstand tätig war, auf ihren eigenen Wunsch hin verabschiedet worden. Fortan gibt es „nur“noch zwei Vorstandsfrauen: Tanja Szymanski und Susanne Schnell, die bei den Wahlen in ihren Ämtern bestätigt wurden. Unterstützt werden sie von den ebenfalls wiedergewählten Beisitzerinnen Gundula Taschner und Regina Storz-Irion sowie von den beiden neu gewählten Karin Bacher und Susanne Klein.
Im Blick zurück auf das Jahr 2017 wurde schnell deutlich wie wichtig die Institution „Frauenhaus“nach wie vor ist. „Mit 31 Frauen mit insgesamt 38 Kindern hatten wir während des gesamten Jahres 2017 eine Belegung von 108 Prozent“, gab Mitarbeiterin Juliane Weinmann bekannt. Dabei waren 23 Frauen aus dem Landkreis, acht kamen aus anderen Kreisgebieten nach Tuttlingen. Probleme bereiten den Betreuerinnen, die seit Juli dieses Jahres von Daniela Ehrmann unterstützt werden (sie wurde fest angestellt) nicht nur die immer wieder auftretenden sprachlichen Schwierigkeiten, sondern vor allem die Aufenthaltsdauer der Frauen.
Lange Aufenthaltsdauer
„Viele der Frauen sind inzwischen vier bis sechs Monate bei uns im Haus“, erklärt Geschäftsführerin Juliane Schmieder. Da werde dann ein Punkt erreicht, an dem die Frauen das Frauenhaus nicht mehr als Schutzraum ansehen würden, sondern sich trotz der beengten Verhältnisse sicher und zuhause fühlten. Schmieder: „Sie brechen die vorgegebenen Regeln, denn sie wollen wieder ihr eigenes Leben aufbauen. Dadurch verändert sich auch unsere Arbeit, nicht unbedingt zum Positiven.“Deshalb werde dringend bezahlbarer Wohnraum benötigt, in den die Frauen einziehen könnten.
Doch der Wohnungsmarkt sei wie leergefegt: „Im März 2017 ist die letzte Frau in eine Wohnung, die wir von der Wohnbau bekommen haben, ausgezogen. Seither wurde uns keine Wohnung mehr zur Verfügung gestellt“, weiß Juliane Schmieder. Die Frauenhäuser seien auch permanent voll, weil es keinen Ablauf mehr gebe, sagt sie.
Besonders tragisch sei es, dass viele Frauen aus diesem Grund auch wieder in ihre gewalttätige Beziehung zurückkehrten oder nach einer persönlichen Beratung und Information erst gar nicht ins Frauenhaus gehen, weil sie befürchten, dass sie mit ihren Kindern danach „auf der Straße“stehen. „Obdachlosigkeit ist inzwischen ein großes Problem, insbesondere dann, wenn die Frauen von ihren Partnern sprichwörtlich auf die Straße gesetzt werden“, stellten Weinmann und Schmieder fest.
Zu einem weiteren großen Problem entwickelt sich die ärztliche Versorgung der Frauen, besonders bei den Frauen und Kindern aus anderen Landkreisen. „Die Kinderärzte nehmen keine Kinder mehr an, die zu den Vorsorgeuntersuchungen müssen oder Bescheinigungen für die Aufnahme in den Kindergärten, oder der Schule benötigen“, erklärte Juliane Schmieder. Bei letzterem würde das Gesundheitsamt einspringen, doch auch bei Haus- und Frauenärzten, zum Beispiel sehe es nicht besser aus. „Wir haben deshalb schon die kassenärztliche Vereinigung angeschrieben“, bemerkte Schmider, doch auch von dieser Seite aus kann in diesem besonderen Fall das allgemeine Problem „Ärztemangel“nicht gelöst werden.
Alle Mitarbeiterinnen des Frauenhauses und des Frauenhausvereins betonten die gute Zusammenarbeit mit Behörden und Ämtern in speziell geschaffenen Arbeitskreisen sowie die Wichtigkeit der Unterstützung durch viele ehrenamtliche Helfer.