Neue Aspekte gegen Ärztemangel
Landkreise stellen Abschlussbericht des Modellprojekts zur ambulanten Versorgung vor
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VILLINGEN-SCHWENNINGEN - Mit der Unterstützung des Sozialministeriums Baden-Württemberg haben die Landkreise Tuttlingen, Rottweil und der Schwarzwald-Baar-Kreis das „Modellprojekt zur ambulanten Versorgung in der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg“durchgeführt. Zum Abschlussbericht trafen sich am Mittwoch unter anderem die Landräte der drei Landkreise im Landratsamt in Villingen gemeinsam mit Monika Vierheilig, Abteilungsleiterin für Gesundheit beim Ministerium für Soziales und Integration.
Antje Erler von der Universität Frankfurt schilderte die Ausgangslage. Die Notwendigkeit einer Neuausrichtung der ambulanten ärztlichen Versorgung sei hauptsächlich dem demographischen Wandel geschuldet, der durch einen hausärztlichen Nachwuchsmangel verschärft werde – besonders im ländlichen Raum.
Bisherige Versuche, diese Probleme mit beispielsweise finanziellen Anreizen entgegenzutreten, hätten bislang nicht den gewünschten Erfolg gehabt, wie es der Leiter des Forschungsinstituts Quaestio Bernhard Faller erklärte. Stattdessen müssten „attraktive Arbeitsbedingungen“für Ärzte geschaffen werden, die den Präferenzen des medizinischen Nachwuchses entsprechen würden. „Junge Ärzte bevorzugen oftmals ein Angestelltenverhältnis und wollen nicht mehr rund um die Uhr verpflichtet sein“, betonte er.
Teamarbeit ist gefragt
Ebenso sei das Interesse an der Zusammenarbeit im Team sowie die Abgabe von administrativen Aufgaben groß. „Diese Dinge lassen sich ermöglichen, wenn wir größere Einheiten pflegen“, sagte Faller. Das dominante Bild von Kleinpraxen soll durch größere Zusammenhänge wie lokale Gesundheitszentren oder Kooperationsverbände von kleinen Praxen ergänzt werden. „Das geht nur im Dialog mit der Ärzteschaft“, sagte Faller.
In Furtwangen, Rottweil oder Donaueschingen seien dafür Initiativgruppen ins Leben gerufen worden, die sich auf den Weg machen, beispielsweise lokale Gesundheitszentren aufzubauen. So könnte man sehen, welche Ideen und Konzepte sich daraus entwickeln.
Die Politik dürfe sich nicht allein auf die Ärzte verlassen. „Man kann nicht von den Ärzten erwarten, dass sie daran arbeiten, die Versorgungssicherheit herzustellen“, gab Faller zu verstehen. Die Politik müsse das begleiten, was Ärzte tun, sie unterstützen „bis hin zu einer kommunalen Trägerschaft“, empfahl er.
Generell verfolgen die Landkreise Tuttlingen, Rottweil und der Schwarzwald-Baar-Kreis mit dem Modellprojekt, das zwei Jahre lief, eine gemeinsame Entwicklung von lokal angepassten Konzepten und Maßnahmen zur Sicherung der ärztlichen Versorgung. Ziel des Projekts soll es genauso sein, die Vernetzung von Kommunen und Ärzten zu stärken. Die Kernergebnisse dieses Modellprojekts, das mit Landesmitteln von rund 250 000 Euro unterstützt wurde, für den Landkreis Tuttlingen sind unter anderem die Erarbeitung eines Konzepts zur Nachwuchsförderung im Landkreis.
Ebenso konnte der Gründungsprozess für einen Weiterbildungsverbund unter Beteiligung des Klinikums Tuttlingen angestoßen werden. Zusätzlich soll eine Servicestelle die Nachwuchsförderung im Landkreis verstetigen. Obendrauf wurde eine an die Städte und Gemeinden gerichtete Handreichung zu Handlungsansätzen der Versorgungssicherung erarbeitet.
77 Ärzte in Tuttlingen
Laut Landrat Stefan Bär ist die ärztliche Versorgung eines der „TopThemen“in den Gemeinden. Der Landkreis Tuttlingen habe 77 niedergelassene Ärzte, darunter seien 42 Prozent älter als 65 Jahre. Bär geht davon aus, dass der Landkreis bis Ende nächsten Jahres elf weitere Ärzte verlieren werde. „Die Problemlage ist daher besonders ausgeprägt“, sagte er und ergänzte: „Aktuell haben wir eine Ärzteversorgung von rund 90 Prozent und werden tendenziell sinken“, meinte Bär. Bei den Fachärzten sei der Landkreis aktuell überversorgt.
Der Landrat gab aber auch zu verstehen: „Ärzte sind Unternehmer und regeln ihre Nachfolge normalerweise selbst. Aber die Ärzte haben eine andere Bedeutung und die Gesundheitsversorgung ist ein wichtiges Gut. Deshalb springen die Bürgermeister und Landräte dafür ein. Hätten wir ein funktionierendes Selbstverwaltungssystem, bräuchte es diese Unterstützung nicht“, sagte Bär, der sich für die ärztliche Versorgung stark macht. Er hofft, dass mit den Ergebnissen des Modellprojekts und den daraus resultierenden Maßnahmen ein Beitrag zur ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum geleistet werden könne.