„Heimat“künstlerisch betrachtet
Themenausstellung mit 40 heimischen Künstlern im Tuttlinger Landratsamt ist eröffnet
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TUTTLINGEN - Etwa 40 Kreative aus dem Landkreis sind der Einladung des Landratsamts gefolgt: Für eine Themenausstellung haben sie den Begriff „Heimat“in ihre jeweilige künstlerische Sprache umgesetzt. Entstanden ist dabei eine Vielfalt an Skulpturen, Reliefs, Gemälden, Zeichnungen und Fotos, die Besucher derzeit im Landratsamt besichtigen können.
Bei der Vernissage am Dienstagabend gingen die Sitzplätze aus – liest sich doch die Liste der Ausstellungsteilnehmer wie ein „Who is Who“der Künstlerprominenz des Landkreises: von Reinhold Adt über Jörg Bach, Hans-Uwe Hähn und Roland Martin bis zu Walter Zepf. Landrat Stefan Bär freute sich bei seiner Begrüßung auch über die Exponate einiger junger, aufstrebender Künstler.
„Unsere Nachbarländer haben keinen vergleichbaren Begriff für Heimat“, erklärte der Landrat. In unserer Sprache vereine das Wort Gefühle und Sehnsüchte mit Ortsverbundenheit und Geborgenheit. Ambivalent sei der Begriff durch den Missbrauch in der jüngeren deutschen Geschichte für Ausgrenzung und Gewalt gegen Minderheiten und Andersdenkende geworden. Bär: „Wir sind gespannt, welche Denkanstöße uns die zeitgenössische Kunst zu diesem Thema bieten wird.“
Wandel des Begriffs
In seiner Laudatio beleuchtete der Trossinger Kunsthistoriker Ferdinand Messner den Wandel des Heimatbegriffs in einer Zeit, in der Entwurzelung und Vereinsamung als Schattenseiten radikaler Flexibilität und Individualität wahrgenommen würden. Zudem ließe uns die weltweite Migration nach einer eigenen Identität in Bezug zu unserer engeren Umgebung suchen. In der Psychologie gelte als gesichert, dass das Gefühl von Heimat Stabilität und Orientierung im Denken und im Handeln biete. Laut Messner ist unser heutiges Verständnis von Heimat weniger mit konkreten Orten wie Vaterland oder Heimatstadt verknüpft. Heimat sei stattdessen „an Menschen und Tätigkeiten gebunden, die wir uns selbst aussuchen, wie beispielsweise unseren Freundeskreis.“Der Einzelne versuche „seinem Leben durch aktive Einbindung in einen größeren Zusammenhang Sinn zu verleihen“.
Beispielhaft für die ganze Bandbreite der Auseinandersetzung mit dem Thema ging Messner auf einige Exponate ein. Jörg Bachs raumgreifende Skulptur schaffe nicht nur mit ihrem Titel „Erinnerungsblasen“Bezug zum Thema, sondern auch mit, für den Betrachter nicht sichtbar im Innern der Skulptur platzierten, schriftlich fixierten persönlichen Erinnerungen des Künstlers. Felicia Zepf verberge mit der dreiteiligen Rauminstallation „Holy Hotdog“ihre kritischen Betrachtungen hinter einer vielschichtigen „spielerischen und grotesken Szenerie“. Marcus Gaudoins Bodenplastik „Wohltat und Schmerz“aus Keramik und Kunstrasen offenbart laut Messner ein gespaltenes Verhältnis zur Heimat: Barfüßig begangen, seien positive wie negative Gefühle körperlich nachvollziehbar. Mit Walter Zepfs „Dürbheimer Spitzen“, die bei genauerem Hinsehen aus unterschiedlichen Arten von Feilen bestehen, erscheine Heimat konkret als Handwerkszeug aus der Region. Zepf mache damit Heimat zum Thema, ohne eine Ideologie damit zu verbinden.
Den augenfälligsten Bezug zum Landkreis dürfte jedoch Karel Meisner geschaffen haben: Was auf den ersten Blick wie ein streng geometrisches abstraktes Gemälde aussieht, erweist sich als Arrangement ganz unterschiedlich farbiger Bodenproben aus allen Landkreisgemeinden zu kleinen Quadraten. Eine Legende gibt dabei Auskunft über den jeweiligen Herkunftsort der Erden.
Als „schrecklich schöne Musik“hatten Stimmkünstlerin Lara Süß und Komponist Peter Hoch aus Trossingen die musikalische Umrahmung der Vernissage angekündigt. Betörende Klänge aus „alten und neuen Heimaten“wurden geboten.
Ausstellungsrundgänge werden donnerstags, am 11. und am 25. Oktober, jeweils um 16.30 Uhr, angeboten.