Dankbarkeit statt Verschwendung
Im Gespräch mit Ernährungs-Expertin Susanne Güttler über den Aktionstag „Erntedank“
- Anlässlich des traditionellen Erntedankfestes veranstaltet das Forum Ernährung des Landkreises Tuttlingen erstmalig am Samstag, 22. September, von 11 bis 17 Uhr einen Aktionstag rund um Essen und regionale Lebensmittel im Freilichtmuseum Neuhausen ob Eck. Das Motto lautet: „Genuss aus der Region - Dankbarkeit statt Verschwendung“. Damit schließt es sich den landesweiten Aktionstagen des Ministeriums für ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) an. Redakteurin Marilena Berlan hat mit der Organisatorin der Veranstaltung vom Landratsamt Tuttlingen, Susanna Güttler, gesprochen und erste Tipps zum Thema „nachhaltige Ernährung “bekommen.
Frau Güttler, was ist Sinn und Ziel der Veranstaltung?
Wir möchten mit unseren Aktionen immer Wissen vermitteln, aber auf eine sehr lockere Art, mit der wir Menschen einfach positive Impulse geben möchten – ohne erhobenen Zeigefinger. Dabei stehen aktuell die Themen Nachhaltigkeit, Regionalität und Lebensmittelwertschätzung im Mittelpunkt. Mit dem Aktionstag „Erntedank – Genuss aus der Region“wollen wir den gemeinschaftsstiftenden Gedanken von Erntedank aufleben lassen und das Bewusstsein für Lebensmittel sowie für deren Anbau und Zubereitung stärken. In Deutschland werden pro Jahr über 18 Millionen Tonnen Nahrungsmittel weggeschmissen. Über 60 Prozent der Verluste entstehen entlang der Wertschöpfungskette – vom Produzenten bis hin zum Großverbraucher, doch ungefähr 40 Prozent haben die Privathaushalte zu verantworten. Pro Person sind das jährlich 82 Kilogramm Lebensmittel, was in etwa 235 Euro pro Person und Jahr entspricht, die im Müll landen. Doch eigentlich ist der Preis unseres Konsums viel höher. Denn sowohl für die Erzeugung, als auch für die Vernichtung werden Rohstoffe, landwirtschaftliche Nutzfläche, Energie und Wasser benötigt. Mit jedem Lebensmittel, das unnötig im Müll landet, werden also wertvolle Umweltressourcen verschwendet.
Wie kann der Verbraucher Ihrer Meinung nach weniger verschwenderisch mit Nahrungsmitteln umgehen?
Wenn man sich täglich einen Überblick verschafft, was im Kühlschrank und in der Obstschale liegt, ein bisschen plant und dann noch kreativ ist, dann lassen sich einige Lebensmittelabfälle vermeiden. Aus altem Brot lässt sich zum Beispiel ein leckerer Brotsalat zaubern. Gekochtes kann man auch wunderbar einfrieren für Zeiten in denen der Kühlschrank mal leer ist. Weiterhin sollte man das Mindesthaltbarkeitsdatum nicht als Verfallsdatum sehen. Viel wichtiger ist es, seine Sinne einzusetzen, also Sehen, Riechen und dann Schmecken. Das Mindesthaltbarkeitsdatum ist ja nur eine Garantie für den Hersteller. So wirft man ja auch keine Geräte weg, wenn die Garantie überschritten wurde, oder? Sogar bei Einkauf kann man schon Essen retten: eine krumme Gurke, eine Dose mit Delle. So muss letztendlich weniger aussortiert und weggeworfen werden. Alternativ kann man auch die Nachbarn ansprechen, ob sie of- fen sind für das Teilen von Lebensmitteln. Auch beim Aktionstag bekommen Besucher Tipps und Infos an die Hand.
Gehen Sie bewusst mit Ihrer Ernährung um? Wenn ja, wie?
Bewusste Ernährung ist mir sehr wichtig, und ich finde es schön zu wissen, dass ich gute Lebensmittel esse, die sowohl gut für mich sind, als auch für meine Umwelt. Das schließt dann für mich den Bauern, die Natur und auch Tiere mit ein. Daher versuche ich, soviel wie möglich im Bioladen oder auf dem Wochenmarkt einzukaufen. Mein Gemüse beziehe ich über eine Solidarische Landwirtschaft (Solawi) bei der – wie der Name schon sagt – solidarisch gewirtschaftet wird. Dort bekommt der Bauer einen fixen Betrag von allen Teilnehmern zugesichert, mit dem er arbeiten kann, und die Ernte wird einfach unter allen Teilnehmern gerecht aufgeteilt. Das ist regional, bio und fair.
Warum ist es wichtig regionale Produkte zu kaufen?
Auch regionales Gemüse vom Direktvermarkter vermeidet Lebensmittelabfälle, da diese teilweise weniger aussortieren müssen und sich nicht so streng an Normgrößen halten müssen. Auch werden bei einem kürzeren Transportweg weniger Lebensmittel schlecht. Außerdem können so unnötige Schadstoffemissionen vermieden werden, und so werden eher Kleinbauern und Direktvermarkter unterstützt. Auch ernährungsphysiologisch sind regional angebaute Lebensmittel wertvoller. Das liegt daran, dass regional angebautes Obst und Gemüse auf dem Feld ausreifen kann. So können sich Aroma und gesunde Inhaltsstoffe ausreichend entwickeln. Obst und Gemüse werden mittlerweile sehr lange gelagert, dabei bauen sich viele Vitamine ab.
Was erwartet die Besucher am Samstag in Neuhausen?
Es wird einmal einen Markt der Lebensmittelwertschätzer (von 11 bis 17 Uhr) unter dem Motto „Genuss aus der Region – Dankbarkeit statt Verschwendung“geben, auf dem unterschiedliche Aussteller wie der Tafelladen Tuttlingen, der Weltladen Tuttlingen, der Verein Foodsharing, der Fairtrade-Landkreis Tuttlingen mit Fairtrade-Bauernhof-Eis vom Lohhof, die Kräuterpädagogin Michaela Hagen mit Produkten aus ihrem „Neuhauser Kräuterstüble“, die Kräuterpädagogin Christiane Denzel mit Produkten aus ihrer BiolandGärtnerei „Breite Wies“, die Katholische Landvolk Bewegung Freiburg und das Forum Ernährung am Landwirtschaftsamt Tuttlingen über ihre vielseitigen Aktivitäten und Angebote informieren. Dann können die Besucher bei der Zubereitung von Stockbrot selbst Hand anlegen. Mit eigener Muskelkraft werden Getreidekörner zu Mehl gemahlen, zu Teig verarbeitet und anschließend über dem Lagerfeuer zu leckerem Stockbrot gebacken. Außerdem kann man leckeren frisch gepressten Apfelsaft von heimischen Streuobstwiesen probieren und darf auch bei der Pressung zusehen. Bei einem Ernährungsquiz können Besucher ihre Qualitäten als Lebensmittelwertschätzer unter Beweis stellen und tolle Preise gewinnen.
Wieso findet die Veranstaltung im Freilichtmuseum Neuhausen statt?
Das Museum passte unserer Meinung nach sehr gut zum Thema, da es dort viel um die Erzeugung von Lebensmitteln geht, insbesondere die historische Produktion und Lebensweise sowie heimische Lebensmittel. Zwar ist es schön, dass wir immer mehr Arbeit den Maschinen und der Industrie überlassen können, wir nun weitaus mehr Zeit für andere Dinge haben und in westlichen Ländern keine Hungersnöte mehr leiden müssen, wenn mal eine Ernte ausfällt. Doch durch die eigene Herstellung von Lebensmitteln oder zumindest das Wissen, welcher Arbeitsaufwand dahintersteckt, steigert die Wertschätzung für Lebensmittel enorm. Weiterhin sind im Museum unterschiedliche Zielgruppen vor Ort. Viele Menschen gehen dort hin, weil sie etwas Neues sehen und lernen möchten. Dadurch erhoffen wir uns auch eine Offenheit und Interesse gegenüber unserer Ausstellung und den vielen Angeboten.