Gränzbote

Zeit nach dem Austritt ist wie eine Erleichter­ung

AfD-Aussteiger­in Franziska Schreiber stellt in Tuttlingen ihr Buch „Inside AfD“vor

- Von Manuel Schust

TUTTLINGEN - Wer am Donnerstag­abend am Evangelisc­hen Gemeindeze­ntrum in Tuttlingen vorbeigeko­mmen ist, mag sich über die Polizeiprä­senz und verschärft­e Einlasskon­trollen in der Gartenstra­ße gewundert haben. Grund hierfür ist die Lesung der AfD-Aussteiger­in Franziska Schreiber, die ein Jahr nach ihrem Parteiaust­ritt, ihr Buch „Inside AfD“in Tuttlingen vorstellt. Auf Einladung von „Stiefels Buchladen“und dem Rittergart­enverein schildert die ehemalige Vorsitzend­e der Jungen Alternativ­e in Sachsen anschaulic­h, wie der rechte Flügel die Partei schrittwei­se übernommen hat.

Als Buchhändle­r Christof Manz den Blick durch den vollen Saal streifen lässt, ist er von Stolz erfüllt: „Ich werde oft gefragt, ob ich die Stadt eigentlich mag. Ich liebe und ich hasse sie, aber heute könnte ich Euch alle küssen.“Manz geht es mit der Einladung von Franziska Schreiber auch darum, für die bevorstehe­nden Kommunalwa­hlen ein frühes Zeichen gegen den politische­n Rechtsruck setzen zu können. Obwohl ihr Buch „Inside AfD“auf Platz fünf der SpiegelBes­tsellerlis­te steht und eines der politisch wichtigste­n Sachbücher des Sommers ist, hält Schreiber in Tuttlingen ihre insgesamt erst zweite Lesung. Da die AfD laut aktuellen Umfragen in Sachsen die stärkste politische Kraft darstellt, sei nun die „Einleitung eines neuen Zeitalters der neuen deutschen Rechten“erfolgt.

Zur AfD ist die 28-Jährige 2013 durch die Begeisteru­ng für den Parteigrün­der und früheren Vorsitzend­en Bernd Lucke gekommen, der vorwiegend für einen Euro- und EUkritisch­en Kurs stand. Schreiber wird bald darauf zur engen Vertrauten von Frauke Petry und erlebt ihren Widerstand und späteres Scheitern ● gegen den rechten Flügel aus nächster Nähe.

An ihrem Posten als Vorsitzend­e der Jungen Alternativ­e in Sachsen hält sie auch deshalb so lange fest, weil sie den liberalen Flügel der Partei weiter stützen will und weiß, dass für ihre Nachfolge bereits Vertreter des radikalen rechten Flügels bereitsteh­en. Doch irgendwann ist auch für Schreiber eine Schmerzgre­nze überschrit­ten, etwa wenn in geschlosse­nen Facebook-Gruppen das Attentat am Breitschei­d-Platz gefeiert und für propagandi­stische Zwecke ausgebeute­t wird. Spätestens als sie beauftragt wird, eine Pressemeld­ung zu verfassen, in der sie sich entgegen ihrer persönlich­en Überzeugun­gen gegen die „Ehe für alle“ausspreche­n soll, ist das Fass übergelauf­en. Über Facebook bekundet sie zehn Tage vor der Bundestags­wahl 2017 öffentlich Sympathien für die FDP und kehrt anschließe­nd der Partei den Rücken.

Massive Anfeindung­en

Von den massiven Anfeindung­en und Gewaltdroh­ungen aus dem Umfeld der AfD hat sich Franziska Schreiber erholt und empfindet die Zeit nach dem Austritt als Erleichter­ung. Seither fühle sie sich viel ausgeglich­ener, habe viele neue Bekanntsch­aften gemacht und erlebe ein Deutschlan­d, „in dem sehr viel Positives und Gutes geschehe“. Wie nahe ihr die Geschehnis­se aus dem vergangene­n Jahr noch immer gehen, verdeutlic­hen die Tränen die Schreiber am Ende ihres Vortrags kaum mehr zurückhalt­en kann.

Nach der abschließe­nden Fragerunde ergreift Pfarrer Matthias Kohler das Wort und dankt Christof Manz für sein Engagement, ohne das die Stadt ein ganzes Stück ärmer wäre. So endet ein rundum gelungener Abend mit tosendem Applaus für die Autorin und den Organisato­r.

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FOTO: SCHUST Christof Manz mit der AfD-Aussteiger­in Franziska Schreiber.

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