Ein explosives Gemisch
Wer diesen Prozess als unvoreingenommener Beobachter verfolgt hat, der braucht schon sehr viel Gottvertrauen, um nicht vom Glauben abzufallen – vom Glauben an den Satz: Wir schaffen das!
Da sitzen drei adrette und auch nette junge Flüchtlinge aus Pakistan auf der Anklagebank, die erstaunlich gut deutsch sprechen und auch gut integriert zu sein scheinen, so jedenfalls der erste Eindruck. Sie haben bei Mutpol in Tuttlingen eine liebevolle Betreuung erfahren. Alle bescheinigen ihnen gute Umgangsformen mit Höflichkeit und Respekt. Es fallen Worte wie ehrlich, gewissenhaft und verantwortungsbewusst. Und dann erfährt man, dass ein Streit um ein 14 Jahre altes Mädchen sowie ein paar Worte, in den es um Ehre, verletzten Stolz und Beleidigung von Müttern geht, genügen, dass sie völlig ausrasten. Da stehen selbst die so motivierten Betreuerinnen vor einem Rätsel.
Das ist es nicht allein. Die Grenze zwischen Tätern und Opfern verschwimmen in diesem Prozess. Die Gegner der Pakistani waren Araber, in der Mehrheit Syrer. Auch sie sprechen gut deutsch, sind zum Teil zwar – im Gegensatz zu den Pakistani – vorbestraft, wirken ebenfalls einigermaßen integriert. Dann aber stellt sich heraus, dass auch sie allzeit gewaltbereit sind und bei geringsten Angriffen auf Ehre oder Stolz zu fast allem bereit sind. Nicht zuletzt: Es treten Zeugen aus beiden Lagern auf, die glauben, deutsche Gerichte belügen und täuschen zu können. Das alles ist eine hoch explosive Mischung.
Wer’s erlebt hat, der kommt nicht um eine Erkenntnis herum, auch wenn sich beim Flehen der Angeklagten um „eine zweite Chance“fast schon wieder Mitleid einstellte: Da hilft nur die volle Härte des Gesetzes, auch als Signal nach außen. Und noch etwas: Solange diese Flüchtlinge in ihren Nationalitäten unter sich bleiben, wird es nichts mit der Integration. Und solange die Politik realitätsfremde Vorschriften – wie zum Beispiel Arbeitsverbote für Flüchtlinge – nicht ändert, erst recht nicht.