Gränzbote

Spaichinge­r beendet Gobi-Lauf

Marc Schneider läuft in sechs Tagen 250 Kilometer durch die Wüste.

- Von Matthias Jansen

SPAICHINGE­N - Soweit die Füße tragen: Trotz Schmerzen im Rücken und in den Beinen ist Marc Schneider durch die Wüste Gobi gelaufen – mehr als 250 Kilometer an sechs Tagen. „Das ist eine Hausnummer. Ich weiß jetzt, dass man mit Willen und dem nötigen Gespür für den Körper viel erreichen kann“, sagt der Spaichinge­r nach seiner Rückkehr aus der Mongolei.

Ans Aufgeben denkt er – trotz der Blessur, die er sich zuvor bei einem 102 Kilometer langen Lauf auf Teneriffa zugezogen hat – nicht. Mit der Teilnahme an einer Laufserie, die durch vier Wüsten führt, erfüllt er sich einen langgehegt­en Wunsch. „In die Mongolei zu reisen, war immer mein Traum. Als ich hörte, dass der Gobi-Lauf von China in die Mongolei verlegt wird, gab es für mich keine Alternativ­e, als dabei zu sein“, sagt Schneider, der erst vor dreieinhal­b Jahren mit dem Laufen begonnen und 2017 schon bei einem Wüstenlauf auf Fuertevent­ura (wir berichtete­n) über 110 Kilometer mitgemacht hatte.

„Tütchen“mit Pulver werden nicht zu einem Problem

Die Weite der Mongolei und die großen klimatisch­en Gegensätze in der Region fasziniere­n den 47-Jährigen. „Das Land ist unfassbar interessan­t. Als Europäer kann man sich nicht vorstellen, wie schön das sein kann“, erzählt der IT-Fachmann. Manche werden in den Genuss wahrschein­lich nie kommen. „Das ist garantiert kein Fünf-Sterne-Urlaub. Das ist Natur pur.“

Von Zürich aus geht es für Schneider los. Die erste Hürde – die Überprüfun­g an der Sicherheit­sschleuse des Flughafens – nimmt er problemlos. Elektronis­che Geräte und diverse Flüssigkei­ten sind, um bei der Kontrolle besser heranzukom­men, oben im Laufrucksa­ck verstaut. „Mehr Gedanken habe ich mir über meine Tütchen gemacht. Nicht, dass sich ein Zöllner denkt, was ich da so transporti­ere“, sagt der Spaichinge­r, der seine Verpflegun­g in kleinen Portionen eingeschwe­ißt hat. Weil die Nahrungser­gänzungsmi­ttel aber „eher gelbliches, denn weißes Pulver“sind, gibt es keine Beanstandu­ngen.

Über Moskau geht es mit reichlich Wartezeit weiter nach Ulaanbataa­r, der Hauptstadt der Mongolei. Schneider kommt wohlbehalt­en an – sein Koffer nicht. „Das war ein Schock“, erzählt er. Auswirkung­en auf seinen Lauf hat dies nicht. Alles Wichtige für die nächsten Tage sind im Laufrucksa­ck verstaut. „Und den gibt man nicht aus der Hand“, sagt Schneider. Schließlic­h habe man sich die leichte und belastbare Ausrüstung über Jahre zusammenge­kauft.

Jeder Läufer muss 2000 Kalorien pro Tag mitnehmen

Gut zehn Kilogramm – inklusive Verpflegun­g (mindestens 2000 Kalorien pro Trag) und Wasser – trägt er bei den Etappen mit sich herum. „Die erste Etappe war die schwerste“, sagt Schneider mit einem Schmunzeln. Zwangsläuf­ig nimmt das Gewicht beim täglichen Verzehr von ProteinMüs­li mit Magermilch­pulver und Wasser, Datteln, Trockenfle­isch, einer Nussmischu­ng sowie gefrierget­rocknetem Essen ab. Für Feinschmec­ker ist das nichts. „Aber man konnte es schon essen“, meint Schneider.

Beim Zusammenst­ellen der Ausrüstung hat der Spaichinge­r auf jedes Gramm geachtet. Die Iso-Matte wird um die Länge der Beine gekürzt. „Beim Schlafen liegen die Füße meist sowieso im Freien. Außerdem wird die Matte außen am Rucksack angebracht, und da ist eine größere Matte eher hinderlich“, erklärt er. Trotz aller Vorbereitu­ngen muss er sich vor dem Start des Gobi-Laufs in Ulaanbaato­r noch auf den Weg machen, um einige Sachen einzukaufe­n.

Problemati­sch ist nur der Weg zurück. „Ich habe das Hotel nicht wiedergefu­nden“, erzählt er. Zum Glück, sagt Schneider rückblicke­nd, wären die Mongolen freundlich und hilfsberei­t. Auch wenn die Verständig­ung in Englisch schwierig ist, kann sich der Spaichinge­r mit Grundbegri­ffen verständli­ch machen. Anstatt holprig den Weg zu erklären, geht der Einheimisc­he mit und liefert er Schneider nur rund 200 Meter weiter an seinem Hotel ab.

Landschaft in Mongolei erinnert nicht an eine Wüste

Für die Läufer geht es dann mit dem Bus weiter. Nach einer rund fünfstündi­gen Fahrt erreichen die Sportler ihr Nachtlager. Auf der ersten Etappe über nahezu 40 Kilometer lässt es der Primstädte­r noch langsam angehen. Er testet, wie sehr er sich unter den Schmerzen, die vom Ischias in die Beine ausstrahle­n, bewegen kann. „Ich wollte den Lauf beenden und die Etappen genießen, so gut es ging“, meinte er.

Die Umgebung bei diesem Wüstenlauf erinnert wenig an die Vorstellun­g einer kargen Landschaft. Der Teil der Wüste Gobi in der Mongolei ist eher eine Steppe. Deshalb läuft Schneider auch anfangs über kleine Pfade entlang an Wiesen mit höherem Gras. Rosafarben­e Markierung­en zeigen den Weg. Vor allem nach Anstiegen, wenn es wieder bergab geht, hat der 47-Jährige Schmerzen und ist nach dem ersten Abschnitt im Camp nicht wirklich zufrieden.

Schnell am Südkoreane­r mit dem Glöckchen vorbeigela­ufen

„Ich habe mir dann vorgenomme­n, das Ganze entspannte­r zu sehen. Schließlic­h wollte ich ja im Ziel ankommen“, erklärt er. Bei der zweiten Etappe über 48,1 Kilometer muss Schneider dann doch auf das Tempo drücken. Vor ihm läuft zeitweilig ein Südkoreane­r, der ein Glöckchen an seiner Ausrüstung befestigt hat. Das sei keine „Kuhglocke“gewesen. Aber das ständige Gebimmel habe ihn dann doch zu einem schnellere­n Lauf angespornt. Trotzdem kann er die Umgebung genießen. „Die Weite war beeindruck­end. Ich könnte in diesem Land ewig laufen“, berichtet er in seinem Lauftagebu­ch.

Am dritten Tag, die Etappe ist gut 42 Kilometer lang, wechselt die Landschaft. Es wird sandig. Aber das Laufen in den Dünen ist gut für Schneider. „Kein harter Schritt im Sand. Das tat den Knien gut.“Im Camp muss er sich schnell ins Zelt verziehen. Es regnet ziemlich heftig. Die Mitarbeite­r des Lauf-Organisato­rs beginnen sogar, Gräben um die Zelte zu ziehen. Schneiders Socken und Schuhe sind ohnehin nass – vor dem Ziel musste er noch durch Wasser laufen.

„Die längsten zehn Kilometer meines Läuferlebe­ns“

Mit der längsten Etappe über 70 Kilometer geht es weiter. „Mir war klar, dass ich erst Zeit zum Essen habe, wenn ich das Camp erreicht hatte“, meinte Schneider, der weite Teile der Strecke in Begleitung läuft. „Mit Marie-Kristelle Ross hatte ich die gleiche Pace. Dann haben wir ausgemacht, zusammen zu laufen. Wir wollten beide im Hellen das Camp erreichen und konnten uns gegenseiti­g motivieren.“Rund zehn Kilometer vor dem Ziel werden Stirnlampe und die Rückleucht­e am Rucksack eingeschal­ten. Der Weg führt von einer Straße zurück in die Steppe. Oder eher in ein Sumpfgebie­t. Durch das unwirtlich­e Gelände kämpfen sich die beiden ins Ziel. „Das waren die längsten zehn Kilometer in meinem bisherigen Läuferlebe­n“, sagt Schneider. Damit hat er aber das Schlimmste des gesamten Laufes schon überstande­n.

Lager wird nach heftigen Regenfälle­n evakuiert

Am nächsten Tag ist Ruhetag. Weil es in der Nacht aber heftig regnet, wird es dennoch hektisch. Das Camp muss evakuiert werden. „Es war zu gefährlich, in dem Sumpf zu bleiben“, sagt er. Mit Bussen geht es weiter nach Karakorum. Dort dient die Sporthalle als Lager. „Das war schon komfortabe­l. Es gab richtige Toiletten und fließendes Wasser“, sagt Schneider. Nur das Toilettenp­apier habe jeder Läufer stets selbst dabei haben müssen. Der Abend wird mit einem mongolisch­en Kulturprog­ramm abgeschlos­sen.

Nach nicht einmal 40 Kilometern an zwei Tagen hat es der Deutsche dann geschafft. Überglückl­ich läuft er ins Ziel in einer Tempelanla­ge von Karakorum. „Ich war überglückl­ich. Eine Woche unter diesen Bedingunge­n, alles selbst zu tragen und dann nach 250 Kilometer die Ziellinie zu erreichen, das ist schon phänomenal.“Nach dem Zieldurchl­auf ging es noch sechs Stunden zurück nach Ulaanbaata­r. Im Hotel wartete der Koffer, und Schneider konnte die Siegerehru­ng und das Bankett geduscht und in frischer Kleidung genießen. Überrascht war er nur von den klimatisch­en Bedingunge­n. Bei 20 bis maximal 30 Grad war es in der Wüste durchaus „angenehm. Ich hätte es sogar gerne wärmer gehabt.“

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FOTO: XIJIA CAO
 ??  ?? Im Ziel des Gobi-Laufs feierten die Läufer mit Medaillen um den Hals. Nach den Strapazen von 250 Kilometern gönnte sich Marc Schneider (linkes Bild, links) das eine oder andere Bier.
Im Ziel des Gobi-Laufs feierten die Läufer mit Medaillen um den Hals. Nach den Strapazen von 250 Kilometern gönnte sich Marc Schneider (linkes Bild, links) das eine oder andere Bier.
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Die Landschaft in der Mongolei erinnert nicht an eine karge Wüste. Das Gobi-Gebiet ist dort eher eine Steppe.
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Die Teilnehmer des Gobi-Laufes müsse mit zehn Kilogramm Gepäck aber auch steile Anstiege bewältigen.
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FOTOS: RACING THE PLANET Nach heftigen Regenfälle­n wird die Steppe an einem Camp vom Wasser umschlosse­n und in einen Sumpf verwandelt.
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Auch sandige Abschnitte gibt es während der Etappen.

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