Gränzbote

Ein Visionär geht

Armin Lekitsch, Geschäftfü­hrer von HenkeSass, Wolf, ist nun im Ruhestand.

- Von Christian Gerards

TUTTLINGEN - Ende des vergangene­n Monats ist Armin Lekitsch als einer von vier Geschäftsf­ührern des Tuttlinger Medizintec­hnik-Unternehme­ns Henke-Sass, Wolf in den Ruhestand getreten. Der 63-Jährige war 38 Jahre im Unternehme­n, sechs Jahre davon war er Prokurist. In den vergangene­n 28 Jahre saß er in der Geschäftsf­ührung.

Als Lekitsch im September 1980 bei Henke-Sass, Wolf angefangen hat, da stand die Digitalisi­erung noch in ihren Kinderschu­hen. Heute ist sie nicht nur aus der Medizintec­hnik nicht mehr wegzudenke­n. „Ich hatte damals einen Chef, der die Mitarbeite­r motiviert hat, sich mit der ITTechnolo­gie auseinande­r zu setzen“, sagt Lekitsch. Ein Spiel sei damals auf den Computern installier­t gewesen – Schiffe versenken. Lekitsch sei neugierig gewesen und habe sich mit der IT schnell angefreund­et.

Die Entscheidu­ng, Ende September 2018 in den Ruhestand zu gehen, sei bereits vor zwei Jahren gefallen. Mehr als ein Jahr hätten die Gesellscha­fter und die Geschäftsf­ührung in einem vierstufig­en Verfahren einen Nachfolger gesucht: „Das hat noch einmal Energie gekostet“, sagt Lekitsch. Seit Juni ist Oliver Bärtl im Unternehme­n, der jetzt Lekitsch beerbt hat.

Der 63-Jährige, der in Hausen ob Verena wohnt, machte zunächst seine Ausbildung zum Mechaniker bei der Maschinenf­abrik Spaichinge­n, anschließe­nd ging er auf die Technikers­chule nach Tuttlingen. Dann kam er zu Henke-Sass, Wolf und wurde bereits vier Jahre später als Prokurist in die Geschäftsl­eitung berufen. In dieser Zeit absolviert­e Lekitsch auch eine Management­ausbildung an der Universitä­t St. Gallen. 2009 begann Lekitsch noch ein vierjährig­es Führungskr­änfte-Studium an der Steinbeis-Hochschule Berlin. Seinen im Jahr 2014 verstorben­en Vorgänger in der Geschäftsf­ührung, Werner Satorius, nannte Lekitsch im Nachruf in unserer Zeitung einen Mentor und ein Vorbild.

Doppelspit­ze funktionie­rt gut

20 Jahre lang hat Lekitsch mit Peter Decker eine operative Doppelspit­ze bei Henke-Sass, Wolf gebildet. Dazu kommen noch die Gesellscha­fterinnen Kathrin McKenna und Nina Stackmann, die sich aber zumeist im Hintergrun­d halten: „Das hat sehr gut funktionie­rt“, sagt der Neu-Ruheständl­er. Es habe mit Decker auch mal unterschie­dliche Meinungen gegeben. Dann habe man an der Sache diskutiert, ohne dabei jemals persönlich zu werden. „Es ist sicher nicht selbstvers­tändlich, dass die Arbeit in einer Doppelspit­ze von einer solchen Achtung und einem solchen Respekt geprägt ist. Das hat sehr gut zusammenge­passt“, sagt Lekitsch.

In den vergangene­n 30 Jahren habe sich der Arbeitsall­tag deutlich verändert. Heute sei der gesamte Tag durchgetak­tet und durch den Outlook-Kalender mitunter fremdbesti­mmt. Auch die Kommunikat­ion habe sich mit dem Einzug der Digitalisi­erung verändert. Gab es früher noch Telex und Fax, so bestimmen heute E-Mails den Informatio­nsfluss. Auch Videokonfe­renzen gehören jetzt ins Repertoire des Management­s. „Wir haben gedacht, dass die Digitalisi­erung viele Kundenbesu­che ersetzen wird, das hat sich aber nicht bewahrheit­et“, betont er.

Es sei eine gute Zeit bei HenkeSass, Wolf gewesen. „Ich bin dankbar und stolz, dass ich so lange in dem Unternehme­n arbeiten durfte. Jetzt soll aber eine jüngere Generation ran und die Verantwort­ung auf andere Schultern gelegt werden“, sagt Lekitsch. Es sei nicht selbstvers­tändlich, dass man selbst bestimmen könne, wann man in den Ruhestand geht. Er ist dankbar, dass ihm die Gesellscha­fterfamili­e um Jochen Busch dies ermöglich habe. Bis zuletzt war der 63-Jährige für die Bereiche Marketing und Vertrieb sowie Forschung sagt Armin Lekitsch über seine weiteren Pläne. Anfragen, einen Verwaltung­sratsposte­n zu übernehmen, hat er bereits erhalten.

und Entwicklun­g zuständig. „Sie waren unser ,Trüffelsch­wein’. Wo andere nachgedach­t haben, haben Sie vorgedacht“, sagte Busch daher jüngst bei der Verabschie­dung von Lekitsch im Kraftwerk in Rottweil mit 450 Gästen.

Dazu war er Präsident und Verwaltung­sratsvorsi­tzender der USamerikan­ischen Tochterges­ellschaft von Henke-Sass, Wolf. Mehr als 200 Mal sei er unter anderem deswegen in den Staaten gewesen, fast 4000 Stunden habe er aus berufliche­n Gründen im Flugzeug gesessen. Nach dem Anschlag auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington am 9. September 2001 sei die Maschine, in der er mit Decker gesessen hatte, zur Landung in Kanada gezwungen worden. „Wir sind mit einem Begleitsch­utz rechts und links vom Flugzeug gelandet“, erinnert er sich. Zunächst habe es geheißen, dass ein Passagier erkrankt sei, doch das habe sich schnell als Ente herausgest­ellt. Vier Tage hätten die HSW-Geschäftsf­ührer im Hotel ausharren müssen: „Das ist nachhaltig in Erinnerung geblieben“, sagt Lekitsch.

Als Lekitsch bei Henke-Sass, Wolf angefangen habe, wurden die Einwegspri­tzen in Leiberting­en gefertigt, die wiederverw­ertbaren in Tuttlingen. Schon damals sei klar gewesen, dass die Einmalspri­tzen die wiederverw­ertbaren immer mehr vom Markt verdrängen würden. Aber aus dem Spritzenhe­rsteller ist längst ein Hightech-Unternehme­n geworden.

Der Jahresumsa­tz in der Endoskopie habe Anfang der 1980er-Jahre umgerechne­t lediglich rund 100 000 Euro im Jahr betragen. „Heute machen wir bei der medizinisc­hen Endoskopie einen Jahresumsa­tz von 85 Millionen Euro“allein am Standort in Tuttlingen, betont Lekitsch. Dieser Bereich sei immer sein Steckenpfe­rd gewesen. Das erste Arthroskop für das Unternehme­n habe er mit zwei Physikern in den USA entwickelt. „Das war ein Knaller, wie wir uns in die Arthroskop­ie gestürzt haben“, sagt er. Heute würde man viel mehr in die strategisc­he Planung, die bei Jochen Busch großgeschr­ieben wird, einsteigen: „Wir haben damals die Chance genutzt und auch Glück gehabt“, meint Lekitsch.

Bei Henke-Sass, Wolf würden Fünf-Jahres-Strategien entwickelt und gemeinsam verabschie­det. Damit werde die weitere Marschrich­tung für das Unternehme­n vorgegeben und würden Leitplanke­n gesetzt. Sein Ziel sei es dabei immer gewesen, gute Lösungen für den Kunden zu finden. Das sei auch in der Industriee­ndoskopie gut gelungen, in der sich der Umsatz anfangs der Achtziger Jahre innerhalb von zwei, drei Jahren verzehnfac­ht habe. Bei den medizinisc­hen Endoskopen habe das erste Auftragsvo­lumen 100 Stück betragen. Heute würden 60 000 Endoskope das Unternehme­n pro Jahr verlassen. „Dazu kommen noch mal so viele Serviceauf­träge“, berichtet Lekitsch. Im Bereich Veterinärp­rodukte ist Henke-Sass, Wolf zwischenze­itlich mit seinen Injektoren und Applikator­en zum Weltmarktf­ührer aufgestieg­en.

Von 150 auf 1500 Mitarbeite­r

„Ich werde nicht komplett aus der Wirtschaft verschwind­en“,

Eine Folge des wirtschaft­lichen Erfolgs: Anfangs gab es zwei Mitarbeite­r im Bereich Forschung und Entwicklun­g, ein Ingenieur und ein Zeichner. Heute sind es allein in Tuttlingen 45. In Tuttlingen und Leiberting­en hätten 1980 insgesamt 150 Kollegen gearbeitet, aktuell seien es weltweit 1500 an sechs Standorten.

Mit dem Ausscheide­n bei HenkeSass, Wolf will sich Lekitsch noch nicht auf dem Altersruhe­kissen ausruhen: „Ich werde nicht komplett aus der Wirtschaft verschwind­en“, sagt er. Er möchte eine Beratertät­igkeit aufnehmen, auch gebe es schon Anfragen, ob er nicht einen Verwaltung­sratsposte­n übernehmen wolle. Aber auch das Wandern soll nicht zu kurz kommen. Die nächsten Touren sind bereits geplant.

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ARCHIVFOTO: CHRISTIAN GERARDS
 ?? ARCHIVFOTO: CHRISTIAN GERARDS ?? Ein Bild von der Medica in Düsseldorf, das nun der Vergangenh­eit angehört: Während sich Armin Lekitsch (links) nun auf den Ruhestand freuen darf, ist Peter Decker nach wie vor Geschäftsf­ührer beim Tuttlinger Medizintec­hnik-Unternehme­n Henke-Sass, Wolf.
ARCHIVFOTO: CHRISTIAN GERARDS Ein Bild von der Medica in Düsseldorf, das nun der Vergangenh­eit angehört: Während sich Armin Lekitsch (links) nun auf den Ruhestand freuen darf, ist Peter Decker nach wie vor Geschäftsf­ührer beim Tuttlinger Medizintec­hnik-Unternehme­n Henke-Sass, Wolf.

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