Gränzbote

Ärzte in der Region fangen Notstand auf

Rietheim-Weilheim hat noch immer keinen neuen Hausarzt gefunden – Suche nach einem Nachfolger geht weiter

- Von Alexandra Schneid

RIETHEIM-WEILHEIM - Seit etwas mehr als drei Monaten ist die Hausarztpr­axis von Dr. Hartmut Arleth in Rietheim-Weilheim geschlosse­n. Einen Nachfolger gibt es immer noch nicht. Die Patienten haben sich mittlerwei­le nach anderen Hausärzten in der Umgebung umgeschaut. Diese bekommen die Praxisschl­ießung deutlich zu spüren.

Cornelia Boemke, Hausärztin in Wurmlingen, beispielsw­eise gibt auf Nachfrage unserer Zeitung bekannt: „Ja, das habe ich sehr wohl gespürt und spüre es noch, ich nehme auch Patienten an.“Und Therese Leitl, Hausärztin in Seitingen-Oberflacht, schreibt: „Wir haben uns aus der Not heraus entschiede­n, die Patientena­nfrage nicht abzulehnen und neue Patienten aufzunehme­n. Dies haben wir in unserer Praxis durch ein deutlich höheres Patientena­ufkommen gespürt und durch mehr Arbeitsein­satz kompensier­t.“

43 Prozent der Hausärzte sind älter als 60 Jahre

Solche Situatione­n sind der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Baden-Württember­g (KVBW) alles andere als unbekannt. Laut einem aktuellen Bericht der KVBW sind 43 Prozent der Hausärzte im Landkreis Tuttlingen älter als 60 Jahre. Schließen immer mehr Hausärzte ihre Praxen, hat das weitreiche­nde Folgen. „Die Patienten werden sicherlich weitere Wege in Kauf nehmen müssen“, prognostiz­iert Kai Sonntag, Leiter der Pressestel­le der KVBW.

„Wir tun alles, um die Praxen nachzubese­tzen und die Versorgung

vor Ort aufrecht zu erhalten. Aber wir können auch nur mit den Ärzten arbeiten, die eben vorhanden sind“,

gibt er auf Nachfrage bekannt. Ideen gibt es bereits: „Sicherlich können wir im Bereich der Telemedizi­n etwas

machen. Da haben wir mit docdirekt gerade auch in Tuttlingen ein Angebot. Wir versuchen, die Arztpraxen zu entlasten, indem besonders ausgebilde­te Medizinisc­he Fachangest­ellte im Auftrag des Arztes Hausbesuch­e vornehmen“, schreibt Sonntag.

Gleichzeit­ig weiß er, dass das klassische Hausarztmo­dell, das gerade im ländlichen Raum praktizier­t wird, heute veraltet ist. Denn junge Menschen ziehe es in die Städte, immer mehr Frauen seien erwerbstät­ig, die Nachfrage nach Teilzeitmo­dellen wachse. Die Zahl der Hausärzte habe sich in den vergangene­n Jahren nur wenig verändert, informiert Sonntag. Aufgrund des medizinisc­hen Fortschrit­ts sei dafür die Zahl der Fachärzte „stark angestiege­n“.

Förderprog­ramme sollen Beruf interessan­ter machen

Sonntag weiß: „Alles zusammen führt zu der einfachen Formel: Je ländlicher die Gegend und je kleiner die Praxis, desto schwierige­r die Nachfolge.“Und das, obwohl aus seiner Sicht viel unternomme­n werde, um den Beruf des Hausarztes attraktiv zu gestalten, beispielsw­eise mithilfe von Förderprog­rammen.

Auch die Gemeinde RietheimWe­ilheim ist bereit, den neuen Hausarzt zu unterstütz­en. Sollten die Praxisräum­e, die Dr. Hartmut Arleth gehören, dann nicht mehr zur Verfügung stehen, könnte sich Bürgermeis­ter Jochen Arno vorstellen, eine Eigentumsw­ohnung in einem Mehrfamili­enhaus als Praxis anzubieten oder eine eigene Praxis zu bauen. „Das ist aber nicht spruchreif“, betont er. Viel eher sei dies eine Möglichkei­t. Außerdem komme es auf die Vorstellun­gen des neuen Hausarztes an. Arno steht eigenen Angaben zufolge in Kontakt mit dem Landratsam­t und der KVBW. Die Gemeinde macht nach wie vor Werbung, um einen neuen Hausarzt zu finden.

 ?? FOTO: STEPHAN JANSEN, DPA ?? Seit 1. Juli ist die Hausarztpr­axis in Rietheim-Weilheim geschlosse­n.
FOTO: STEPHAN JANSEN, DPA Seit 1. Juli ist die Hausarztpr­axis in Rietheim-Weilheim geschlosse­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany