Ärzte in der Region fangen Notstand auf
Rietheim-Weilheim hat noch immer keinen neuen Hausarzt gefunden – Suche nach einem Nachfolger geht weiter
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RIETHEIM-WEILHEIM - Seit etwas mehr als drei Monaten ist die Hausarztpraxis von Dr. Hartmut Arleth in Rietheim-Weilheim geschlossen. Einen Nachfolger gibt es immer noch nicht. Die Patienten haben sich mittlerweile nach anderen Hausärzten in der Umgebung umgeschaut. Diese bekommen die Praxisschließung deutlich zu spüren.
Cornelia Boemke, Hausärztin in Wurmlingen, beispielsweise gibt auf Nachfrage unserer Zeitung bekannt: „Ja, das habe ich sehr wohl gespürt und spüre es noch, ich nehme auch Patienten an.“Und Therese Leitl, Hausärztin in Seitingen-Oberflacht, schreibt: „Wir haben uns aus der Not heraus entschieden, die Patientenanfrage nicht abzulehnen und neue Patienten aufzunehmen. Dies haben wir in unserer Praxis durch ein deutlich höheres Patientenaufkommen gespürt und durch mehr Arbeitseinsatz kompensiert.“
43 Prozent der Hausärzte sind älter als 60 Jahre
Solche Situationen sind der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) alles andere als unbekannt. Laut einem aktuellen Bericht der KVBW sind 43 Prozent der Hausärzte im Landkreis Tuttlingen älter als 60 Jahre. Schließen immer mehr Hausärzte ihre Praxen, hat das weitreichende Folgen. „Die Patienten werden sicherlich weitere Wege in Kauf nehmen müssen“, prognostiziert Kai Sonntag, Leiter der Pressestelle der KVBW.
„Wir tun alles, um die Praxen nachzubesetzen und die Versorgung
vor Ort aufrecht zu erhalten. Aber wir können auch nur mit den Ärzten arbeiten, die eben vorhanden sind“,
gibt er auf Nachfrage bekannt. Ideen gibt es bereits: „Sicherlich können wir im Bereich der Telemedizin etwas
machen. Da haben wir mit docdirekt gerade auch in Tuttlingen ein Angebot. Wir versuchen, die Arztpraxen zu entlasten, indem besonders ausgebildete Medizinische Fachangestellte im Auftrag des Arztes Hausbesuche vornehmen“, schreibt Sonntag.
Gleichzeitig weiß er, dass das klassische Hausarztmodell, das gerade im ländlichen Raum praktiziert wird, heute veraltet ist. Denn junge Menschen ziehe es in die Städte, immer mehr Frauen seien erwerbstätig, die Nachfrage nach Teilzeitmodellen wachse. Die Zahl der Hausärzte habe sich in den vergangenen Jahren nur wenig verändert, informiert Sonntag. Aufgrund des medizinischen Fortschritts sei dafür die Zahl der Fachärzte „stark angestiegen“.
Förderprogramme sollen Beruf interessanter machen
Sonntag weiß: „Alles zusammen führt zu der einfachen Formel: Je ländlicher die Gegend und je kleiner die Praxis, desto schwieriger die Nachfolge.“Und das, obwohl aus seiner Sicht viel unternommen werde, um den Beruf des Hausarztes attraktiv zu gestalten, beispielsweise mithilfe von Förderprogrammen.
Auch die Gemeinde RietheimWeilheim ist bereit, den neuen Hausarzt zu unterstützen. Sollten die Praxisräume, die Dr. Hartmut Arleth gehören, dann nicht mehr zur Verfügung stehen, könnte sich Bürgermeister Jochen Arno vorstellen, eine Eigentumswohnung in einem Mehrfamilienhaus als Praxis anzubieten oder eine eigene Praxis zu bauen. „Das ist aber nicht spruchreif“, betont er. Viel eher sei dies eine Möglichkeit. Außerdem komme es auf die Vorstellungen des neuen Hausarztes an. Arno steht eigenen Angaben zufolge in Kontakt mit dem Landratsamt und der KVBW. Die Gemeinde macht nach wie vor Werbung, um einen neuen Hausarzt zu finden.