Mit Erfindungsreichtum Parkinson trotzen
Der Aldinger Martin Haller lässt sich von seiner Krankheit nicht unterkriegen
- Der Aldinger Martin Haller ist an Parkinson erkrankt. Doch mit seinen Erfindungen und Konstruktionen kämpft der ehemalige Produktmanager bei Hengstler gegen seine Krankheit an.
Die Kinder sind fleißig damit beschäftigt, Äpfel, unter kritischer und lächelnder Kontrolle zweier Erwachsener in eine „Apfelmühle“zu werfen. Ihr Ziel: Frisch gepresster Apfelmost. Für die Kinder des Aldinger Kindergartens „Im Brühl“war es vor kurzem ein echtes Abenteuer mit leckerer Perspektive. Für Helmut Link eine Herausforderung, dass ja nichts passiert. Für den lächelnden Martin Haller ein Gefühl des Glücks. Wieder einmal hat er es geschafft, anderen Menschen mit seinem Erfindungsreichtum zu helfen.
Störfeuer im Gehirn
Dieses Mal waren es die Kinder. Dabei hätte er im Tagesverlauf mehrmals das Bedürfnis, sich helfen zu lassen, denn: Martin Haller leidet unter „Morbus Parkinson“, einer Krankheit, die von einem fingernagelgroßen Bereich im Gehirn ausgeht. In dieser kleinen Schaltzentrale verhindert ein bislang noch nicht gänzlich aufgeklärtes Störfeuer die Produktion des für die Bewegung zuständigen Botenstoffs Dopamin. Eigentlich hätte Martin Haller allen Grund, mit seinem Schicksal zu hadern. Eigentlich gibt es bis heute noch kein Mittel, das heilend dem Morbus Parkinson zu Leibe rücken kann. Eigentlich ist es daher ein nahezu aussichtsloser Kampf, der Krankheit Herr zu werden.
Ein schwäbisches Sprichwort ist für Martin Haller zum Leitmotiv geworden: „Wenn dia Kuah scho verreckt ischt, no kam r wenigstens no d`Ketta braucha“, will sagen: Es gibt immer noch viele Möglichkeiten, sich dagegen zu wehren. Und wie!
Bewegungen sind unter Parkinson sehr kräftezehrend. Also könnte man darüber nachdenken, wie man sich das ohnehin schon schwere Leben erleichtern kann. So hat er eine Greifhilfe für ein besseres Handling erfunden, sich Gedanken darüber gemacht und Lösungen gefunden, wie man hydraulische Leitungen kraftlos ankuppeln kann.
Erfindungen erleichtern das Leben
In seinem Schlafzimmer hängt über dem Bett eine Haltevorrichtung für sein Ipad. Mit schwenkbaren Tischen kann er seinen Arbeitsbereich modifizieren und mit einer Rutsche den Einstieg in die Badewanne oder die Dusche erleichtern. Wer gerne fotografiert, kann eine Teleskophalterung für 360-Grad-Aufnahmen bei ihm bewundern. Für seine Abrichthobelmaschine hat er eine Anpressvorrichtung erfunden. Die Aufzählung könnte beliebig weitergeführt werden.
Martin Haller denkt sich auch Sachen aus, die bei seinen Bekannten Respekt auslösen. Die Kinder haben beim Mosten nicht bemerkt, dass sie sich unglaublich viel Kraft sparen konnten, weil ihnen „der Martin“einen elektrischen Antrieb, bestehend aus einer Bohrmaschine und einem Winkelgetriebe einer alten Flex ziemlich viel Arbeit erspart hat. In Zeiten fruchtbarer Apfelerträge könnte mancher Apfelbaumbesitzer davon profitieren mit dieser Vorrichtung und einem hundsgewöhnlichen Holzspalter seinen Most selbst zu erzeugen.
Schon haben die Senioren bei ihm angefragt, ob er nicht auch mit ihnen zusammen Apfelmost herstellen könnte. In seinem Kopf herrscht zwar an einer Stelle Krieg, an anderer aber wird ein Ideen-Feuerwerk gezündet. In dessen Denkzentrum entstehen Strategien, die dafür sorgen sollen, trotz körperlicher Gebrechen leistungsfähig zu bleiben.
Dabei ist nicht die Frage wichtig: „Was werde ich morgen wohl nicht mehr können?“, sondern vielmehr: „Was will ich noch können?“Das ist ein entscheidender Unterschied, den er sich als Leitmotiv zurechtlegt. Hier greift bei Martin Haller noch ein Begriff, den er als Produktmanager bei Hengstler gelernt hat. Grundlage seines Denkens sind sogenannte „BHAGs“(englisch „Big Hairy Audacious Goals“) also hochgesteckte Ziele, die man sich vornehmen muss, um etwas zu erreichen. Noch ein Merksatz aus Martin Hallers Wortschatz: „Make fun about yourself, bevor others do it“, frei übersetzt heißt das: „Lache über dich selbst, bevor es andere tun.“
Was tut dem Martin Haller gut? Seine Antwort fällt klar aus: „Es ist Balsam für meine Seele, wenn ich etwas gut gemacht habe und anderen helfen oder eine Freude machen konnte.“– Bei den Kindern des Kindergartens „Im Brühl“war das sicher so. Und bei vielen anderen ganz sicher auch. So eine Strategie zur Überwindung der eigenen Schwächen könnte zum Vorbild werden.