Gränzbote

Schallende Ohrfeige für die Große Koalition

Der Erdrutsch in München könnte auch das politische Berlin zum Beben bringen

- Von Sabine Lennartz

BERLIN – Der berühmten „LeberkäsEt­age“, für die sich die CSU in Bayern zuständig fühlt, geht es auch in Berlin schlecht. Dünn geschnitte­n und bräunlich verbrannt steckt der Leberkäs in den Brötchen, die im Adenauer-Haus angeboten werden. Doch noch schwerer als der Leberkäs liegt den Christdemo­kraten das Ergebnis der Schwesterp­artei im Magen.

Welche Auswirkung­en hat das Landtagswa­hlergebnis in Bayern für Berlin? Setzt jetzt Hauen und Stechen in der Union ein? Schmeißt die SPD die Große Koalition hin? Oder hält man sich an das Vorhaben, erst einmal bis zur Hessen-Wahl in zwei Wochen Ruhe zu bewahren, um nicht als Chaostrupp­e zu erscheinen?

Keine Überraschu­ng

Unerwartet ist das schlechte Ergebnis nicht. Schon lange fliegen Giftpfeile und Schuldzuwe­isungen zwischen Berlin und München hin und her. Es könne nicht angehen, dass schon vor einer Wahl öffentlich darüber geredet werde, wer Schuld an der Niederlage sei, hatte CDUGeneral­sekretärin Annegret KrampKarre­nbauer schon vor einer Woche beim Deutschlan­dtag der Jungen Union in Kiel gewarnt.

Die CSU hat massiv verloren, aber natürlich gehen die Stimmverlu­ste der Schwesterp­artei auch mit Angela Merkel heim. „Sie ist nicht mehr so unbestritt­en“, hat Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble im SWR über die Kanzlerin festgestel­lt. Angela Merkel zeigt sich an diesem Abend im Adenauer-Haus nicht.

Der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der Unionsfrak­tion, Michael Grosse-Brömer, ist der erste, der im Adenauer-Haus vor die Presse tritt. Der Niedersach­se gesteht ein, dass man in der Bundespoli­tik ein Stück weit Vertrauen verloren hat. Er spricht von „einem gewissen Trend“aus Berlin. Und er schaut schon nach vorne auf die Hessenwahl, wo dann die eigene Partei zur Wahl steht. „Die hessischen Christdemo­kraten sind exzellente Wahlkämpfe­r“, sagt Grosse-Brömer, und es hört sich wie eine Beschwörun­g an.

Bouffier kämpft

Hessens Ministerpr­äsident Volker Bouffier (CDU) muss jetzt vor seiner Landtagswa­hl in zwei Wochen zittern. Er wird Montag zusammen mit CDU-Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r vor die Journalist­en treten, um die Wahl in Bayern auszuwerte­n. Bouffier hat aber bereits im Vorfeld klargemach­t, dass er es der CSU anlastet, dass die Union insgesamt weniger Glaubwürdi­gkeit genießt. „Die CSU hat die Union in der letzten Zeit viel Vertrauen gekostet“, so Bouffier. Man könne nicht über Monate den Eindruck erwecken, dass vieles durcheinan­dergehe und die Regierung nicht handlungsf­ähig sei und dann erwarten, dass die Leute der Union vertrauen. Ähnlich äußert sich CDU-Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r. Sie meint, das Ergebnis sei verstanden worden. Die Große Koalition arbeite daran, dass man in Hessen zu anderen Ergebnisse­n komme. Das Bündnis habe das Anliegen, jetzt die Probleme anzugehen, die den Leuten wirklich unter den Nägeln brennen. Und sie erinnert daran, dass man einen guten und tragfähige­n Koalitions­vertrag hat. Mit klarer Sacharbeit im Mittelpunk­t. Das hört sich so an, als wäre, wie FDP-Generalsek­retärin Nicola Beer meinte, „eine Lernkurve“für die Große Koalition möglich. Doch nach dem katastroph­alen Ergebnis der SPD in Bayern werden die Kräfte bei den Sozialdemo­kraten, die geraten hatten, nicht in eine Große Koalition zu gehen, Oberwasser bekommen.

Die Ersten rücken ab

Es ist ein schwerer, bitterer Abend für die Sozialdemo­kraten. Sie hatten in Bayern immer schon einen schweren Stand, aber so tief sind sie noch nie gesunken. Mit dem beliebten Münchner Oberbürger­meister Christian Ude hatten sie bei den Wahlen 2013 noch 20,6 Prozent errungen. Jetzt haben sie sich halbiert und landen hinter der CSU, den Grünen, der AfD und den Freien Wählern auf Platz fünf. Die SPD befinde sich im freien Fall, sagt Christian Ude in München. Parteichef­in Andrea Nahles beklagt „die schlechte Performanc­e im Bund“. Man habe sich von den Unionsstre­itereien nicht genügend abgrenzen können.

Die ersten SPD-Funktionär­e fordern bereits indirekt ein Ende des Bündnisses. „Der Geduldsfad­en mit dieser Großen Koalition ist heute sicher nicht größer geworden. Da ist nicht mehr viel von übrig“, sagt der linke Parteivize Ralf Stegner. JusoChef Kevin Kühnert stellt bei Twitter ironisch die Frage: „Wie lange können Geduldsfäd­en ,gespannt‘, ,sehr gespannt‘, ,zum Bersten gespannt‘ oder ,kurz vorm reißen‘ sein, bevor sie dann mal reißen?“

Generalsek­retär Lars Klingbeil sieht „keine Gründe, das Wahlergebn­is schön zu reden“. Er wertet es als klares Signal, den Stil zu ändern. Es gebe Regierungs­mitglieder, die immer wieder ihr eigenes Wohl über alles gestellt hätten. Wie Horst Seehofer. Doch der SPD-Generalsek­retär will weiterkämp­fen. Er erwarte jetzt, dass man sich auf die Arbeit konzentrie­re, sagt er.

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FOTO: DPA SPD-Chefin Andrea Nahles hatte am Sonntagabe­nd keinen Grund zu lachen. Die bayerische­n Sozialdemo­kraten halbierten ihr Wahlergebn­is. Damit landen sie im Freistaat auf Platz fünf.

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